Die Zahlen sind beunruhigend, viele Marktteilnehmer sind sich des Risikos nicht bewusst. Unternehmensanleihen mit schwacher Bonität können das Finanzsystem infizieren.
20.02.2020 | 14:45 Uhr von «Christian Bayer»
Bei der OECD machen sich angesichts des Schuldenbergs Sorgen breit. Mit Stand vom
Jahresende 2019 haben Unternehmen weltweit über ihre emittierten Anleihen einen
Schuldenberg von 13,5 Billionen US-Dollar angehäuft. Die Zahl hat sich damit
gegenüber Ende 2008 mehr als verdoppelt. Im vergangenen Jahr wurden von
Unternehmen außerhalb des Finanzsektors Anleihen in Höhe von 2,1 Billionen
US-Dollar bei Anlegern platziert. Die Summe entspricht damit dem Höchststand
aus dem Jahr 2016.
Die Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Die Niedrig- und
Nullzins-Politik der Notenbanken macht es für Unternehmen attraktiv, zu
günstigen Konditionen Geld einzusammeln. Anlass zur Beunruhigung bietet laut
OECD auch die Tatsache, dass sich die Kreditqualität zunehmend verschlechtert.
Im Segment der Investment Grade-Anleihen hatten 2019 rund 51 Prozent aller
Bonds ein BBB-Rating, und damit die niedrigste Qualitätsstufe vor dem
Junk-Status. Vor der Finanzkrise lag der Anteil dagegen bei nur 39 Prozent. Die
OECD befürchtet, dass durch einen konjunkturellen Abschwung verstärkt
Downgrades zu erwarten sind. Die Unternehmen kämen dann durch höhere
Finanzierungskosten unter Druck, im worst case droht die Insolvenz.
Die extrem
niedrigen Zinsen haben den Nebeneffekt, dass mittlerweile „Zombiefirmen“ am
Markt agieren, die eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig sind, aber durch
niedrige Zinsen und billiges Geld künstlich am Leben gehalten werden. Zudem
könnte die Entwicklung im Falle einer Abstufung auf Junk-Status eine
Verkaufswelle lostreten.
Denn viele institutionelle Anleger wie Pensionskassen
dürfen nur in Investment Grade-Papiere investieren. Bond-ETFs würden das
Problem noch verschärfen. Denn wenn die Anleihen ihren Investment Grade-Status
verlieren, fliegen sie automatisch aus entsprechenden Benchmarks und damit auch
aus den ETFs, die die Indizes abbilden. Erste konkrete Warnzeichen für eine
Krise am Corporate Bond-Markt gibt es bereits.
Vor einigen Tagen wurde Macy's von
Standard and Poor’s das Investment Grade-Rating entzogen. Die US-Warenhauskette
gehört damit zu den „fallen angels“, also Unternehmen die auf Ramsch-Status heruntergestuft
wurden. Damit folgt Macy's dem Nahrungsmittelhersteller Kraft Heinz. Der Trend
ist eindeutig: Im noch jungen Jahr 2020 traf es bereits sechs Unternehmen, das
ist bereits die Hälfte der Firmen, die im vergangenen Jahr zu „fallen angels“
wurden.
Joachim Fels, Chefvolkswirt bei Pimco, hält es ebenfalls für möglich, dass eine Rezession vom risikoreicheren Teil des Unternehmensanleihen-Marktes ausgehen könnte. Zwar sieht der Experte als Basisszenario für 2020 nur eine vorübergehende konjunkturelle Schwächephase, die durch eine moderate Erholung im Laufe des Jahres beendet wird. Allerdings stellt sich für Anleger angesichts des seit elf Jahren andauernden Wachstums in den USA zunehmend die Frage, was diese Entwicklung beenden könnte.
„Wenn sich das Wachstum 2020 jedoch weiter abschwächt, statt wie in unserem Basisszenario im Jahresverlauf wieder anzuziehen, würden sich die risikoreicheren Segmente des Markts für Unternehmensanleihen verwundbar erweisen. Private Kredite, Leveraged Loans und Hochzinsanleihen konzentrieren sich in hohem Maß auf Unternehmen, die äußerst zyklisch sind und risikoreichere Kreditprofile haben“, erläutert der Experte.
„Hinzu kommt, dass
die Regulierung nach der Krise Banken trotz solider Eigenkapitalausstattung
dazu veranlasst, Kredite zu rationieren, wenn die Wirtschaft auf einen
Abschwung zusteuert. Da die Kreditvergabe im spekulativen Bereich derzeit bei
35 Prozent des BIP liegt, würde eine Anspannung in diesen Sektoren bei Weitem
ausreichen, um eine Rezession zu fördern.“
Klar ist, dass Anleger die Risiken am schwächeren Ende des Investment Grade-Ratings
im Auge behalten sollten, bevor das Segment ins Trudeln gerät. Aber wo Schatten
ist, ist auch Licht. Corporate Bonds von Unternehmen mit Top-Rating könnten von
der Entwicklung sogar mit Kursgewinnen profitieren.
Quelle: BÖRSE ONLINE
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