Während die Weltwirtschaft 2024 um etwa drei Prozent zugelegt
haben dürfte, konnten Aktionäre im S&P500-Index rund 23 Prozent Kursgewinne
einstreichen. Hintergrund war eine Mischung von Mikro- und Makrotrends wie sinkende
Zinsen etlicher Zentralbanken, anhaltende Hoffnungen zum wirtschaftlichen
Potenzial von künstlicher Intelligenz und – mit steigenden Wahlchancen und
schließlich dem Sieg von Donald Trump in den US-Präsidentschaftswahlen –
Hoffnungen auf Deregulierung und niedrigere Energiepreise durch einen
Politikwechsel.
Mit Aussichten auf beziehungsweise Annährungen an mögliche Friedensschlüsse
im Nahen Osten und der Ukraine (wie immer das aussieht und was die Märkte
darunter verstehen) – zwei erklärten Politikzielen des neuen US-Präsidenten –
könnte das Wirtschaftswachstum weltweit starke Impulse bekommen und die
Börsenparty 2025 weitergehen. Anlass genug, einen Blick in die
Analystenkommentare in Financial Times, Wall Street Journal und Handelsblatt zu
nehmen.
Betrachtet man zunächst die Analystenaussagen, die sich mit
dem Wirtschaftswachstum an sich, dem Aktienmarkt im Allgemeinen oder der
Industrieentwicklung befassen, dann lässt sich für die USA im Q4 des letzten
Jahres ein Plus gegenüber dem Q3 von -4,4 auf plus 10,6 Punkte feststellen, ein
klar optimistisches Signal, passend zu den oben beschriebenen Erwartungen. Für
das angefangene erste Quartal des neuen Jahres, die Zeit der Amtsübernahme,
zeigt sich ein Rückgang von 10,6 auf 6,9 Punkte (bis Anfang Februar). Für eine
fundierte Beurteilung sind Menge und Umfang der bisherigen Analystenkommentare
nicht ausreichend, aber der Trend geht eher nach unten als nach oben.
Wie sieht
es in Bezug auf das Meinungsklima zu China aus? Hier zeichnete sich ebenfalls
von Q3 auf Q4 ein deutliches Sentiment-Plus ab, von -22,3 auf +7,1 Punkte. Seither
hat sich das Meinungsklima aber schon wieder auf -23 Punkte verschlechtert, ist
also auf den Level des Q3 zurückgesunken.
Deutschland wurde in einigen Rankings
zur Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftsdynamik in den letzten Monaten sehr
negativ beurteilt. Die Meldungen zum Personalabbau, vor allem bei
Autozulieferern, haben das lange sonnige Bild des Arbeitsmarkts verdüstert.
Interessanterweise ist das Analystenmeinungsklima aber seit Q3 von -29,5 auf
zuletzt +12,3 gestiegen.
Wie kann man sich einen Reim darauf machen? Neben dem
außenpolitischen Agieren hat Präsident Trump eine Reihe von Aktivitäten
gestartet, die ein großes Maß an Unsicherheit für die US-Wirtschaft und die
amerikanischen Bürger beinhalten, zum Beispiel in der Zollpolitik oder den
Personaleinschnitten bei Behörden. Der Policy-Uncertainty-Index der Federal
Reserve Bank St. Louis zeigt für das neue Jahr mit Blick auf die USA deutlich
erhöhte Werte[1]. Unsicherheit
ist aber für Konsumenten- und Investorenvertrauen bekanntermaßen wenig
förderlich. Die Zustimmung der Amerikaner zu Trumps Wirtschaftspolitik ist
einer Reuters-Umfrage zufolge seit der Amtsübernahme bereits von 43 auf 39
Prozent gesunken. Über die Frage nach einer „Friedensdividende“ im Nahen Osten
und Europa und wem sie zugutekommt, kann derzeit nur spekuliert werden.
Für China gab es im Q4 positive Impulse durch eine Prognoseanhebung der Weltbank. Doch scheint dieser Impuls die Finanzexperten nicht nachhaltig beeindruckt zu haben. Tatsächlich bringt die US-Zollpolitik ein erhebliches Abwärtspotenzial für China mit sich, die bekannten Probleme im Lande – Immobiliensektor und schwacher Konsum – sind aus Sicht der Finanzexperten ebenfalls nicht gelöst.
Interessant ist der Aufwärtstrend in den Analysten-Kommentaren zu Deutschland. Bereits seit dem Aus der Ampel-Koalition zeichnet sich eine Kräfteverschiebung ab, die Märkte rechnen mit einem Sieg der Union und Änderungen in der restriktiven Bürokratie, eventuell auch bei teuren Nachhaltigkeitsauflagen. Wenn sich Zuversicht mit steigenden Aufträgen aus dem Export paart, könnte Deutschland tatsächlich 2025 wieder stärker in Schwung kommen.
„Das verbesserte Sentiment für Deutschland spiegelt sich u.a. auch in einer leichten Verbesserung des ZEW-Indikators wider, und – wichtiger noch – in dem gestiegenen Interesse internationaler Anleger an europäischen, und hier besonders auch deutschen Aktientiteln“, meint Dr. Hans-Jörg Naumer, Volkswirt bei Allianz Global Investors. Die Unterbewertung des europäischen Marktes, aber auch die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung unter der neuen Regierung seien als Gründe anzuführen, so Naumer.
[1] Economic Policy Uncertainty Index for United States (USEPUINDXD) | FRED | St. Louis Fed
Zum Autor: Dr. Matthias Vollbracht ist Head of Research bei Media Tenor International AG
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