Dominikus Wagner, Fondsmanager des Wagner & Florack Unternehmerfonds, erklärt, wie er die Krise bei Volkswagen aus unternehmerischer Sicht bewertet, und erläutert die tieferliegenden Ursachen im Geschäftsmodell des Automobilherstellers.
10.09.2024 | 07:00 Uhr
TiAM FundResearch: Herr Wagner, Volkswagen steckt in einer tiefen Krise. Ein verschärftes Sparprogramm und Standortschließungen sollen den Autohersteller wieder auf Kurs bringen. Kann das gelingen?
Dominikus Wagner: Ich zweifle daran, dass Volkswagen mit Werksschließungen und Stellenabbau eine nachhaltige Lösung für die Krise findet. Dafür sind deren Ursachen zu tief im Geschäftsmodell des Autobauers verwurzelt: Automobilherstellung ist ein sehr wettbewerbsintensives, chronisch niedrigmargiges sowie darüber hinaus zyklisches Geschäft mit hohem Kapitaleinsatz und großem Investitionsbedarf. Der Wettbewerb nimmt durch die chinesischen Hersteller weiter zu, während die Nachfrage nach Elektroautomobilen einbricht. Darunter leidet Volkswagen derzeit – wie viele andere Automobilhersteller.
Dass chinesische Hersteller auf den Markt drängen, kann man VW aber nicht vorwerfen.
Wagner: Den Umgang damit aber schon, denn die Manager in Wolfsburg haben die Automarken aus China über viele Jahre nicht ernst genommen. Es fehle den Chinesen an Knowhow, Qualität und Markenerbe, sagte VW-CEO Oliver Blume noch vor einem Jahr auf der IAA. Diese Arroganz rächt sich nun.
Warum?
Wagner: Weil die Chinesen aufgeholt haben. Trotz starker Marken hat Volkswagen im intensiven Wettbewerb mit technisch ausgereiften chinesischen Automobilen keine große Preissetzungsmacht. Zwar besitzt VW, wie auch die anderen deutschen Hersteller, komparative Vorteile bei Verbrennern, nicht jedoch bei E-Autos. Es ist zu befürchten, dass die chinesischen Hersteller in Zukunft in puncto Qualität auch im Massenmarkt-Segment ungefähr auf Augenhöhe mit den deutschen Herstellern liegen werden. Dann entscheidet der Preis – und diesen Wettbewerb werden die deutschen Hersteller nicht gewinnen können. Damit dürften die ohnehin geringen Margen von VW weiter unter Druck geraten.
Hier versucht VW mit dem Sparprogramm gegenzusteuern. Reicht das nicht?
Wagner: Die Automobilproduktion ist und bleibt nun einmal kapitalintensiv: Die niedrige Nachfrage sorgt nicht nur für sinkende Erlöse, sie führt auch zu teuren Überkapazitäten, gleichzeitig muss VW in umfassende Softwarelösungen, in neue Technologien und in die Modellentwicklung investieren. Gerade im Bereich der Software-Entwicklung hat Volkswagen großen Aufholbedarf. Der Kapitalbedarf von Volkswagen bleibt also hoch, der hohe Schuldenstand lässt aber nur wenig Spielraum. Der ist übrigens ein hausgemachtes Problem, denn hier rächt sich die Dividendenpolitik der vergangenen Jahre: Statt den Schuldenberg zu reduzieren, schüttete der Vorstand lieber Dividenden aus. Das Geld, das VW für den Schuldendienst aufbringen muss, fehlt nun an anderer Stelle.
Hat die Krise bei Volkswagen Auswirkungen auf Ihr Portfolio?
Wagner: Nein, denn wir haben weder VW noch andere Automobilhersteller oder -zulieferer in unserem Portfolio. Der Umstand, dass VW ein kapitalintensives Geschäft und einen enormen Wettbewerbsdruck hat, geringe Skaleneffekte besitzt, immer wieder durch Gewerkschaften gebremst wird und zudem auf hohen Schulden sitzt, lässt uns nicht daran denken, in VW zu investieren – weder jetzt noch in Zukunft.
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