Zwischen den Bundesländern gibt es extreme Unterschiede in
der Höhe der Bruttorenten. Nach einer Analyse der Deutschen Rentenversicherung
für den Rentenatlas 2023 erhielten Männer in Nordrhein-Westfalen nach 35
Versicherungsjahren im Durchschnitt eine gesetzliche Monatsrente von 1840 Euro.
In Thüringen betrug die durchschnittliche Monatsrente nach 35
Versicherungsjahren dagegen nur 1457 Euro.
Der große Unterschied zwischen Ost und West-Renten
überrascht Wenige, da trotz einer höheren Bewertung der eingezahlten Beiträge
durch einen Umwertungsfaktor die Gehälter und Löhne in Ostdeutschland noch
deutlich unter Westniveau liegen. Überraschender ist dagegen, dass nicht die
Rentner in den Bundesländern mit hohem Gehaltsniveau – die süddeutschen
Flächenstaaten oder die Stadtstaaten – die Rentenspitze einnehmen, sondern
Nordrhein-Westfalen und das Saarland (siehe Karte Rentenatlas). „Früher arbeiteten hier viele Männer in gut
bezahlten Jobs im Bergbau und erhalten heute daraus vergleichsweise hohe
Renten“, so die Begründung der Deutschen Rentenversicherung. Dies ist
allenfalls die halbe Wahrheit. Zwar bekommen die ehemaligen „Kumpels“ im
Bergbau höhere Renten, aber nicht wegen ihres hohen Einkommens, sondern vor
allem aufgrund des „Anpassungsgeld Steinkohlebergbau“. Um soziale Härten
infolge der Stilllegungen im deutschen Steinkohlenbergbau zu vermeiden, gewährt
das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle knappschaftlich
Rentenversicherten aus Mitteln des Bundes und der Länder Nordrhein-Westfalen
und Saarland auf Antrag Anpassungsgeld an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
des Steinkohlenbergbaus im Rahmen einer sogenannten Zuwendung.
Karte
Rentenatlas
© Deutsche Rentenversicherung
Viele Rentenbescheide
sind fehlerhaft
Die Gesetze der gesetzlichen Rente sind komplex und
vielschichtig und für Laien ohne Expertenwissen kaum zu überblicken. Geplante Reformen und
Gesetzesänderungen sorgen zudem für Verwirrung. Wer jedoch nicht die
entscheidenden Regelungen kennt und die dafür erforderlichen Nachweise
einreichen kann, verliert unter Umständen hohe Rentenansprüche. Vom Amtsgericht
bestellte Rentenberater bieten gegen ein Beratungshonorar Abhilfe. Vielen
Menschen sind Aufgaben und Möglichkeiten eines Rentenberaters noch völlig
unbekannt. Rentenberater geben Antworten auf Fragen wie: „Wurde Ihre Rente
wirklich korrekt berechnet?“, „Was ist, wenn Sie - z.B. nach einem Unfall - nur
noch eingeschränkt arbeiten können?“ oder „Wann sind Sie als
Selbstständige/r versicherungspflichtig?“. Rentenberater sind unabhängige
Experten für gesetzliche Renten- und Unfallversicherung, für soziales
Entschädigungsrecht oder für Sozialversicherungs- und Schwerbehindertenrecht
sowie für die betriebliche und berufsständische Versorgung. „Bei einer Vielzahl der von uns geprüften
Rentenbescheide finden wir immer wieder Fehler, die eine Korrektur erfordern -
mit entsprechender Leistungserhöhung für die Versicherten“, sagt Thomas
Neumann, der Präsident des Bundesverbandes der Rentenberater e.V. „Da findet
sich fast immer etwas - beispielsweise Zeiten, die nicht oder falsch ausgewiesen
oder Zuschläge, die nicht richtig berücksichtigt wurden.“ Wie bei
Steuerbescheiden, so unterlaufen auch bei den Rentenbescheiden den
Verantwortlichen Fehlern – oft, weil sie einfach nicht alle Daten zur Verfügung
haben. Ihre Angaben und neuerdings die der digitalen Rentenübersicht, sind daher kritisch zu hinterfragen. Rentenbescheide sind
nämlich noch komplizierter als Steuerbescheide. Und im Gegensatz zu einem
Steuerbescheid, der sich lediglich mit einem Kalenderjahr befasst, wirkt ein
Rentenbescheid für den Rest des Lebens. Das Problem: Rentner verlassen sich
häufig darauf, dass die Berechnungen korrekt sind - immerhin kommen die ja von
einer Behörde.
Rentenberater – wie
Detektive im Behördendschungel
„Zu den klassischen Tätigkeitsfeldern zählen Verfahren zur
Kontenklärung, auch anlässlich eines mit einem Scheidungsverfahren
einhergehenden Versorgungsausgleichs, Einholung und Überprüfung von
Rentenauskünften, Geltendmachung von Ansprüchen auf Alters- und
Erwerbsminderungsrenten sowie Verfahren zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen
Status der Mandanten, also die Klärung der Frage, ob ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt“, erläutert
Sabine Büchner, Rentenberaterin in Berlin-Charlottenburg. Dazu fordert die
Rentenberaterin vom Sozialversicherungsträger oft die Akten ihrer Mandanten an.
Aufgrund des für Laien zunehmend komplizierter werdenden Rentenrechts nimmt der
Beratungsbedarf hinsichtlich einer optimalen Gestaltung des Eintritts in die
Rente zu. Viele Angestellte erwägen beispielsweise vorzeitig in Rente zu
gehen. Der Rentenabschlag beträgt 0,3 Prozentpunkte für jeden Monat des
vorzeitigen Renteneintritts. Normalerweise gilt daher: Wer den Rentenbeginn um
einen Monat vorzieht, bekommt zwar eine Monatsrente mehr. Dafür sind
lebenslänglich alle Zahlungen um 0,3 Prozentpunkte geringer. Je älter man wird,
desto weniger lohnt allerdings normalerweise der frühzeitige Rentenbezug. Nach
24 bis 28 Rentenjahren macht man durch die Abschläge finanziell ein
schlechteres Geschäft. Mit den aktuell modellierten Rentensteigerungen ist das
schon nach 19 bis 22 Jahren der Fall. Rentenberater kennen jedoch Kniffe, wie
die Ansprüche für Frührentner optimiert werden können. „Zur Jahreswende wird
dieser Zusammenhang einmalig außer Kraft gesetzt. Wer zum Januar 2024 den
Rentenstart plant, und mit zusätzlichen 0,3 Prozent Abschlag auch schon ab
Dezember 2023 erstmals Rente beziehen könnte, sollte das in den allermeisten
Fällen mit kombiniertem Rentenantrag tun“, empfiehlt Verbandschef Neumann, Das
bedeutet: Antrag auf Rente für langjährig Versicherte zum 01.12.2023 mit einer
10 Prozent-Teilrente in Kombination mit 100 Prozent Vollrente zum 1. Janiar 2024.
„Nimmt man alle relevanten Berechnungsaspekte zusammen, summiert sich der
Vorteil des Rentenbeginns im Dezember unterm Strich auf etwa 1.000 Euro für
Durchschnittsverdienende und 2.000 Euro für Höherverdienende“, erklärt Neumann.
Rentenberater werden nicht nur für Angestellte, sondern auch von Selbständigen
und Gerichten beauftragt. Da sie zum Teil auch im Bereich der betrieblichen
Altersvorsorge oder für berufsständische Versorgungswerke beraten, wird ihre
Expertise auch von Unternehmen oder von Finanzberater in Anspruch genommen.
Was die Beratung
durch Rentenberater kostet
Obwohl die komplexen Regelungen viele Fragen aufwerfen und die
Betroffenen kompetente Beratung in ihrem Interesse benötigen, kennen viele
Bürger diesen Berufstand nicht. Im Vergleich zu Steuerberatern oder
Rechtsanwälte gibt kaum Rentenberater. Grundlage der Vergütung von
Rentenberatern ist – wie bei Anwälten auch – das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Die Kosten einer Rentenberatung hängen im Wesentlichen von dem zu behandelnden
Sachverhalt und dem damit einhergehenden Aufwand ab. Einfluss nimmt auch, ob
die Angelegenheit außergerichtlich, im Widerspruchsverfahren oder in
Klageverfahren der 1. oder 2. Instanz erledigt werden kann. Befürchtungen vor
den Honorargebühren sollten die Betroffene jedoch nicht von einer
Kontaktaufnahme mit einer Rentenberaterin oder einem Rentenberater abhalten.
Schließlich wird bereits im Rahmen der Anbahnung eines Mandats üblicherweise
davor aufgeklärt, mit welchen Kosten die Ratsuchenden zu rechnen haben.
Andernfalls sollte das Thema ohne scheu direkt angesprochen werden. Die Kosten
der Rechtsberatung oder Prozessvertretung durch Rentenberaterinnen und
Rentenberater können unter Umständen auch von Ihrer Rechtsschutzversicherung
erstattet werden. Ob und in welcher Höhe eine Erstattung stattfindet, hängt von
Ihrer Versicherungspolice ab. Zudem besteht die Möglichkeit der
Kostenerstattung für Rechtsmittelverfahren durch den Versicherungsträger
selbst, sofern das Verfahren (Widerspruch, Klage, Berufung) erfolgreich war.
Vom
Versicherungsvermittler zum Rentenberater?
Die Dienste der Rentenberater sind gefragt, auch
weil das Angebot an diesen Rxperten knapp ist. Ihre genaue Anzahl wird nicht
ermittelt, dürfte sich nach Schätzungen jedoch im oberen dreistelligen Bereich
liegen. Rentenberater ist eine geschützte Berufsbezeichnung. Um als
Rentenberater zugelassen zu werden ist laut dem Rechtsdienstleistungsgesetz
(RDG) der Nachweis dieser theoretischen Sachkunde erforderlich. Einen Bedarf an
zusätzlichen Rentenberater sehen die Deutsche Makler Akademie (DMA) in Bayreuth
und das Campus Institut bei München und bieten seit Mitte 2017 den
Sachkundelehrgang Rentenberater/in an. „Zudem benötigen die Teilnehmer einen
Praxisnachweis“, so Rentenberaterin Büchner. Der Nachweis der praktischen
Sachkunde erfordert formal eine zweijährige qualifizierte Berufserfahrung bei
einem Rentenberater, häufig werden aber vergleichbare Tätigkeiten angerechnet.
Der zuständige Amtsrichter oder in einigen Bundesländern das
Landessozialgericht entscheidet, ob der praktische Nachweis ausreicht. Sich im
Bereich der komplexen Rentengesetze auszukennen, verlangt ein umfangreiches
Wissen. Für den Nachweis der notwendigen Unterlagen, etwa für
versicherungsrelevante Zeiten, ist auch ein detektivischer Spürsinn, Ausdauer
und ein diplomatischer Umgang mit Behörden hilfreich. Angesichts der ständig
wieder aufflammenden Diskussion um ein Provisionsverbot könnte für den einen
oder anderen Vermittler die Ausbildung zum Rentenberater ein gutes
Zukunftsinvestment für einen spannenden Beruf sein.
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