ESG-Ratings verbessern sich, aber Lücken bleiben

Kleinere Unternehmen haben gemischte Gefühle gegenüber ESG-Ratings. Das zeigt eine zweite Studie des ESG-Office von Berenberg Wealth and Asset Management, die nach 2020 durchgeführt wurde.

30.05.2024 | 12:15 Uhr

Rund 100 Unternehmen aus vier Berenberg Small- und Micro-Cap-Portfolios wurden zu ihrer Haltung gegenüber ESG-Ratings befragt. Ein zentrales Ergebnis: Obwohl sich die Ratings in den letzten Jahren verbessert haben, spiegeln sie immer noch nicht zufriedenstellend die Nachhaltigkeit der Unternehmen wider. Die Befragten führen die verbesserten Ratings auf ihre eigene Berichterstattung zurück, die jedoch mit einem hohen Ressourcenbedarf verbunden ist. Die Unternehmen empfinden die Rating-Anbieter als nicht immer offen für den Austausch. Dennoch erkennen sie die Bedeutung der Ratings für ihre Investoren an.

Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten hat zugenommen

Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Vermögensverwaltung hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Investoren stehen unter Druck, ESG-Kriterien bei ihren Anlageentscheidungen zu berücksichtigen, was mit einer verschärften Regulierung einhergeht. ESG-Ratings, die von spezialisierten Agenturen erstellt werden, sollen bei Anlageentscheidungen helfen, indem sie die Nachhaltigkeitsansätze von Unternehmen messbar und vergleichbar machen. Die Studie von Berenberg Wealth and Asset Management zeigt jedoch weiterhin Lücken bei der Abdeckung des Aktienuniversums durch zwei ausgewählte Rating-Anbieter. 

Small Caps werden oft nicht berücksichtigt

Insbesondere kleine und sehr kleine Unternehmen werden oft nicht bewertet. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die ESG-Ratings für kleinere Unternehmen weiterhin niedriger ausfallen. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass eine große Mehrheit der Befragten der Meinung ist, dass die Beurteilungen ihrer Unternehmen durch ESG-Ratings nicht gerecht sind. Insbesondere Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung empfinden dies so. Die Teilnehmer sehen die verbesserten Bewertungen vor allem auf ihre eigene Berichterstattung zurückzuführen. 

Resourcen werden aufgestockt

Sie glauben, dass die verstärkte Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Informationen zu einer wahrgenommenen Verbesserung der Ratings geführt hat. Weitere Gründe sind eine tatsächliche Veränderung in der eigenen Nachhaltigkeitsleistung und die Aufstockung der Ressourcen im Unternehmen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Nur wenige Teilnehmer denken, dass sich der Bewertungsrahmen der ESG-Rating-Anbieter geändert hat und dadurch zu einer Verbesserung geführt hat. Dennoch versuchen die meisten Studienteilnehmer, ihre ESG-Bewertungen durch einen regelmäßigen Austausch und die Teilnahme an Umfragen von Rating-Anbietern zu beeinflussen. 

Mit ESG-Ratings Investoren binden

Die wichtigsten Chancen von ESG-Ratings liegen für die Befragten in der Gewinnung neuer und der Bindung bestehender Investoren. Obwohl viele Small- und Micro-Cap-Unternehmen der Meinung sind, dass ihre Nachhaltigkeitsleistungen nicht korrekt bewertet werden und der Austausch mit den Rating-Agenturen als wenig offen empfunden wird, erkennen sie die Bedeutung von ESG-Ratings für Investoren an. Diese Aspekte müssen verstärkt in ihre Prozesse integriert werden, nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Vorgaben durch den Gesetzgeber. 

Ineffizienzen bei Small Caps nutzen

Matthias Born, Co-Head Wealth & Asset Management und Head of Investments bei Berenberg, kommentiert: Externe ESG-Ratings können Investoren den Zugang zu Informationen erleichtern. Sie sind jedoch nur ein Bestandteil unserer internen ESG-Analyse. Viele unserer Portfoliounternehmen, insbesondere in den Small- und Micro-Cap-Portfolios, verfügen ebenso wenig über eine ESG-Bewertung wie über eine Research-Empfehlung Dritter. Die dadurch entstehenden Ineffizienzen bei Small- und Micro-Caps können wir für unsere Kunden nutzen. Zudem stehen wir durch unseren engen Unternehmenskontakt beratend zur Seite, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verbessern. Die Umfrageteilnehmer aus den Small- und Micro-Cap-Unternehmen sehen eine große Herausforderung in den Ressourcen, die für eine umfangreiche Berichterstattung benötigt werden. 

Starrer Rahmen der ESG-Ratings ist ein Hemmnis

Der starre Rahmen von ESG-Ratings wird ebenfalls als Hemmnis empfunden. Die Teilnehmer sehen die Rating-Anbieter und Regulierungsbehörden in der Pflicht, diese Herausforderungen zu verringern. Eine Vereinheitlichung der Bewertungskriterien verschiedener Rating-Anbieter wird als sehr effektive Lösung angesehen. Zudem sollten die besonderen Merkmale kleinerer Unternehmen besser in den Rating-Rahmen integriert werden. Die Umfrageteilnehmer sehen auch den Ausbau eigener Ressourcen als effektive Lösung. 

ESG auch für kleine Unternehmen essentiell

Für die befragten Small- und Micro-Cap-Unternehmen sind alle drei Bereiche von ESG-Aspekten - Umwelt (E), Soziales (S) und Governance (G) - sehr wichtig. Governance wird als besonders relevant angesehen, gefolgt von Umwelt und Soziales. Rupini Deepa Rajagopalan, Head of ESG-Office bei Berenberg Wealth and Asset Management, betont: Wir finden es nicht überraschend, dass die Governance (G) für die von uns befragten Unternehmen als wichtig erachtet wird. Wir glauben, dass ein Unternehmen mit einer starken Unternehmensführung einen besseren Ruf, mehr Transparenz und Verantwortlichkeit und damit ein geringeres Risiko hat. Bei einer ESG-Analyse sind jedoch alle drei Faktoren E, S und G wichtig, abhängig von der Branche und dem Unternehmen. Bei Software- oder IT-Dienstleistungsunternehmen sind soziale Faktoren wie Weiterbildung und Vergütung der Mitarbeiter oder die Fluktuationsrate tendenziell wichtiger als ökologische Aspekte. Die Studie befragte Unternehmen nicht nur zu ihrem Verhältnis zu ESG-Rating-Anbietern, sondern auch zum Austausch mit Investoren über Nachhaltigkeitsaspekte. Dabei zeigte sich, dass ESG-Faktoren zwar von Investoren angesprochen werden, aber meist nur in einigen Meetings im Fokus stehen. 

Nur wenige Unternehmen sind proaktiv bei ESG-Aspekten

Nur wenige Unternehmen und Investoren thematisieren proaktiv ESG-Aspekte bei der Mehrheit der Treffen. Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren für die Geschäftstätigkeit wird von den meisten Umfrageteilnehmern als weder sehr noch überhaupt nicht wichtig angesehen. Nur eine Minderheit misst ihnen eine hohe Relevanz bei. Es scheint also, dass sowohl die Beziehung zwischen Unternehmen und Rating-Anbietern als auch zwischen Unternehmen und Investoren in Bezug auf ESG-Aspekte weiterentwickelt werden können.

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