Expertenausblick 2025: 4 Überraschungen, 6 Trends und 10 Empfehlungen

Zum Jahresende veröffentlichen führende Vermögensverwalter fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. Um einen Überblick zu erhalten, fasst TiAM FundResearch die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.

20.12.2024 | 14:00 Uhr von «Peter Gewalt»

Clément Inbona, Fondsmanager bei LFDE beschäftigt sich damit, welche vier unerwarteten Wendungen 2025 prägen könnten:
„Während die Adventszeit von Weihnachtsvorbereitungen geprägt ist, steht sie in der Finanzbranche im Zeichen der Prognosen. Banken, Vermögensverwalter und Wirtschaftsforschungsinstitute folgen dieser Tradition. Für 2025 wirken die Aussichten besonders konsensfähig: Dynamisches Wirtschaftswachstum in den USA, schleppende Wirtschaftstätigkeit in Europa, weitgehend kontrollierte Inflation und damit eine lockere Geldpolitik scheinen die gemeinsamen Nenner der bislang entwickelten Szenarien zu sein. Daraus leitet sich eine Präferenz für amerikanische Aktien ab, insbesondere solche, die mit dem Trump-Bump (Trump-Boom) in Verbindung stehen, oder auch eine Vorliebe für Unternehmensanleihen, die sowohl auf sinkende Zinsen als auch auf ein dynamisches weltweites Wachstum reagieren.

Alternative Szenarien

Wenn jedoch ein breiter Konsens besteht, wird dieser oftmals infrage gestellt. Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte können in solchen Fällen erheblich sein. Werfen wir daher einen Blick auf alternative Szenarien, die dieses scheinbar stabile Bild ins Wanken bringen könnten.

Auf der geopolitischen Seite nehmen wir an, dass Präsident Trump direkt nach seinem Amtsantritt Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch bringt. Nach anfänglichen Spannungen könnte schließlich dauerhafter Frieden vereinbart werden. Eine solche Entwicklung würde es europäischen Aktien ermöglichen, den Bewertungsrückstand gegenüber amerikanischen Aktien schnell aufzuholen. 2025 könnte somit zum lang ersehnten Jahr Europas werden.

Eskalation um Ölproduktion

Auf der Inflationsseite, und damit auch bei den Zentralbanken, könnte eine Eskalation im Wettstreit um die Ölproduktion zwischen der OPEC, den USA und anderen Ölproduzenten Ländern zu einem deutlichen Rückgang des Ölpreises führen. Nach einigen Monaten würde sich dieser Preisverfall insgesamt auf die Energiepreise auswirken. Dies könnte die Inflation stark abbremsen, woraufhin die Zentralbanken mit drastischen Zinssenkungen und einer Ausweitung ihrer Bilanzen gegensteuern würden, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Anleihen würden in diesem Szenario zum Jahresende zweistellige Renditen erzielen und die Aktienmärkte verdrängen.

Neue Behandlungsformen im Gesundheitsbereich
Im Bereich Gesundheit könnte die breite Verfügbarkeit von Behandlungen gegen Fettleibigkeit den starken Rückgang der Lebenserwartung in den USA aufhalten. Dies würde auch zu einem demografischen Aufschwung in anderen Industrieländern beitragen, wodurch die Produktivität und damit das Wirtschaftswachstum erheblich gesteigert werden würden. Dadurch könnte eine neue Phase dynamischen Wachstums und Vollbeschäftigung beginnen, begleitet von einer Rallye risikoreicher Anlagen, insbesondere solcher, deren Bewertungen derzeit unter dem schleppenden Wachstum leiden.

Vom „Trump-Boom“ zum „Trump-Absturz“
Im internationalen Handel könnte die Einführung von Zöllen durch die Trump-Regierung zu einer schnellen Aufwertung des US-Dollars auf den Devisenmärkten führen. Dadurch würde der protektionistische Ansatz der USA an Wirkung verlieren da der starke Dollar amerikanische Exporte unattraktiver macht und das Wirtschaftswachstum der USA bremst. Der amerikanische Ausnahmezustand endet und aus dem „Trump-Boom“ wird ein „Trump-Absturz“.

Per Definition erscheinen diese Hypothesen heute unwahrscheinlich, da sie vom allgemeinen Konsens abweichen. Da auf den Finanzmärkten jedoch nichts nach Plan verläuft und sich alles schnell verändert, lohnt es sich gedankliche Szenarien durchzuspielen. Solche Wirtschaftsfiktionen helfen dabei, widerstandsfähige und gut diversifizierte Portfolios aufzubauen.

Quelle: Trading Economics

Naomi Fink, Chief Global Strategist von Nikko Asset Management, formuliert sechs Thesen fürs kommende Jahr:

  1. Die Wirtschaft in den USA wird angesichts der erwarteten fiskalischen Anreize weiter wachsen. Die Inflation liegt allerdings immer noch über dem Ziel der Fed. Die Folge sind erhöhte Risiken, insbesondere was die amerikanische Renditestrukturkurve angeht.
  2. Der US-Dollar wird stark bleiben, aber plötzliche Störungen sind nicht auszuschließen. Dollar-unterstützende „Carry Trades“ könnten zunehmen, wenn sich die Renditedifferenzen zugunsten von US-Staatsanleihen vergrößern. Diese Geschäfte werden jedoch zunehmend anfällig für steigende Risikoscheu. Ein solcher Anstieg birgt zudem das Risiko einer starken und plötzlichen Aufwertung des Yen.
  3. Japans Notenbank BOJ wird die Zinsen weiter anheben. Über das Tempo dieser Erhöhungen werden inländische Faktoren entscheiden. Aber auch die anhaltende Schwäche des Yen, die sich über die Importe mit Verzögerung auf die Kerninflation auswirkt, wird eine Rolle spielen.
  4. China wird einen Drahtseilakt vollführen, was die heimischen Anreize angeht. Peking muss auf den Druck reagiere, der vom schwächelnden Konsum ausgeht, und sich gleichzeitig auf US-Zölle vorbereiten.
  5. Das Wachstum in Europa könnte seine Talsohle erreicht haben. Drohende US-Zölle dürften eine Erholung allerdings abschwächen.
  6. Die Zentralbanken werden unterschiedliche Wege beschreiten. Einige könnten versuchen, den Auswirkungen der US-Zölle mit einer lockereren Geldpolitik entgegenzuwirken. Andere dürften die Zügel anziehen, um die Inflation im Griff zu behalten, die aus den USA oder aus einem Anstieg der in Dollar gehandelten Rohstoffe resultiert

Quelle: Trading Economics

Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, analysiert Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten 2025:

  1. Die Volatilität an den Finanzmärkten wird im Zuge geopolitischer Risiken im Jahr 2025 zunehmen. Eine internationale Diversifizierung ist unerlässlich. Die Schwankungsbreite am Aktienmarkt ist derzeit ungewöhnlich niedrig. Auch im Jahr 2025 sollten Anleger dann gierig werden, wenn die Volatilität steigt und andere Angst haben.
  2. Die Aktienmärkte sind teilweise hoch bewertet. Doch es ist nicht zu erkennen, dass sich eine Spekulationsblase aufgebaut hätte. Die positive Aktienperformance im Jahr 2024 wurde von einigen wenigen Technologiewerten mit einer hohen Marktkapitalisierung getrieben. Die extreme Konzentration am Aktienmarkt stellt ein zentrales Risiko im Jahr 2025 dar und spricht ebenfalls für eine breitere Diversifizierung.
  3. Aktienanleger sollten 2025 nicht auf kurzfristige Wetten setzen, sondern sich für langfristige Engagements an den Börsen entscheiden. Wer langfristig in Aktien investiert, profitiert vom Zinseszinseffekt, den Einstein einmal als „Achtes Weltwunder“ bezeichnet haben soll, und der Tatsache, dass das Verlustrisiko von Aktien mit der Länge des Anlagezeitraumes sinkt.
  4. Eine rigorose Aktienselektion leitet uns auch 2025. Wir bevorzugen Investments in langfristige Wachstumstrends wie Künstliche Intelligenz und transformative Medizin. Wir raten Anlegern im Jahr 2025 in Unternehmen zu investieren, die hohe Kapitalrenditen aufweisen, über klare Wettbewerbsvorteile verfügen, deren Umsätze strukturell wachsen und die zu einem vertretbaren Kurs am Markt handeln.
  5. Der amerikanische Aktienmarkt bleibt strukturell attraktiv. Für Engagements an der Wall Street spricht vor allem, dass die Eigenkapitalrenditen von amerikanischen Unternehmen diejenigen in Deutschland übersteigen und das langfristige Potentialwachstum und die Arbeitsproduktivität in den USA deutlich höher sind als in Europa.
  6. Den chinesischen Aktienmarkt halten wir auch 2025 für unattraktiv. Die chinesische Volkswirtschaft leidet unter einer Immobilienkrise, einer Überschuldung der lokalen Regierungen und übermäßigen Eingriffen der kommunistischen Regierung. Unsere negative Haltung zu China werden wir überdenken, wenn sich nachhaltige politische Reformen und eine Erholung des schwächelnden Konsums in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt abzeichnen.
  7. Small and Mid Caps sind auch im kommenden Jahr einen Blick wert. Die Anleger haben sich in den vergangenen Jahren stark auf einige wenige Titel konzentriert. Wir erwarten, dass sich die Bewertungslücke zwischen den Favoriten der vergangenen Jahre und den Small and Mid Caps im kommenden Jahr wieder verringern wird.
  8. Die Zinsstrukturkurve dürfte im kommenden Jahr steiler werden. Vor allem in den USA dürfte das Wirtschaftsprogramm des kommenden US-Präsidenten Donald Trump die Kapitalnachfrage, die Staatsverschuldung und die Risikoaufschläge langfristiger Staatsanleihen steigen lassen. Gleichzeitig ist mit weiteren Zinssenkungen durch die Fed und die EZB am kurzen Ende zu rechnen. Wir erwarten, dass die europäische Zentralbank die Leitzinsen im Jahr 2025 stärker senken wird als die US-Notenbank.
  9. Steigende Anleiherenditen im langfristigen Bereich werden voraussichtlich dazu beitragen, dass sich an den Anleihemärkten auch im Investment-Grade-Bereich interessante Anlagemöglichkeiten ergeben werden. Wer kurzfristige Anlagen hält, wird sein Kapital nur zu einem niedrigeren Zinssatz wiederanlegen können, da die kurzfristigen Zinsen im Jahr 2025 vermutlich fallen werden. Die Zinsen von Investmentgrade Anlagen sind weiterhin attraktiv und der Verschuldungsgrad der Emittenten von Investment-Grade-Anleihen ist derzeit relativ niedrig im historischen Kontext.
  10. Eine Anlage in Private Equity sollte für manche Anleger eine Überlegung wert sein. Für Investoren, die einen Teil ihres Portfolios längerfristig binden können, kann eine Diversifizierung in Beteiligungen an nicht-börsennotierten Wachstumsunternehmen attraktiv sein.

Quelle: Trading Economics

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