Inflation: Das Seufzen der Wale

TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Warum die Teilnehmer der FondsConsult Investment-Konferenz in München bereits wissen, wie die Inflation in Deutschland weiter steigen wird.

18.10.2021 | 07:30 Uhr

Rückblick auf die vergangene Woche

Freitag, der 15. Oktober 2021, zwischen 11 und 12 Uhr. Kai Carstensen, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kiel, Berater des deutschen Bundestags und Mitglied der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität, erklärt den Teilnehmern der FondsConsult Investment-Konferenz in München, wie Inflation funktioniert. Das macht er sehr anschaulich. Als Forscher lässt er sich nicht vom hektischen Tagesgeschäft und der Aufgeregtheit des politischen Betriebes und der Medien hetzen. Carstensen wirft einen analytischen Blick auf die Inflationsanstiege und -rückgänge der vergangenen Jahrzehnte und beschreibt die Verläufe mit einer ruhigen Handbewegung. „Wenn man aus irgendeinem Grund einen starken Inflationsanstieg beobachtet, wie zum Beispiel in den 70er-Jahren im Zuge der Ölpreiskrise, folgt danach eine Art Buckelbewegung“, erklärt er und scheint dabei mit seiner rechten Hand einen Walrücken zu streicheln. Wer sich dem Gedanken und der Beschreibung hingibt, sieht den Wal nach der professoralen Streicheleinheit mit einem Wal-Lächeln wieder sanft im Ozean verschwinden und tief abtauchen. Und so sei es eben auch mit der Inflation. Irgendwann beruhige sich die Lage im Normalfall wieder. Die Frage sei nur, wie lange der Buckel sei. Da wolle er sich als aufrechter Forscher nicht festlegen, sagt Carstensen. Die Erfahrung lehre, dass man sich mit längerfristigen Prognosen oft blamiere. Hätten sich die anwesenden Vermögensverwalter und Finanzberater damit zufriedengegeben, hätte es ein entspannter Wochenausklang werden können. Doch die neugierige Gemeinde im Auditorium hakte nach. Was es denn für Faktoren gebe, die die Inflation weiter antreiben könnten, wollte jemand wissen. Nun ja, antwortete der Professor vorsichtig, die Anhebung des Mindestlohns zum Beispiel, sei solch ein Faktor. Dass die Menschen im Niedriglohnsektor etwas mehr Geld bekämen, wäre dabei allerdings nicht das Problem. Sondern der grundsätzlich zu beobachtende Effekt, dass eine Anhebung des Mindestlohns auf das gesamte Lohngefüge wirke. Das habe man bisher in allen Ländern gesehen, die das Instrument nutzen. Die Folge: Erst stiegen die niedrigeren Gehälter, dann die mittleren und schließlich auch die höheren. Das habe einen Kostenanstieg in der Industrie und damit auch einen Preisanstieg von Gütern und Dienstleistungen zur Folge. Was die Diskussion über höhere Löhne und natürlich auch die nächste politische Forderung zur weiteren Anhebung des Mindestlohns zur Folge habe. Die klassische Inflationsspirale eben.

Der Angst vor längerfristig steigender Inflation wollten sich nicht alle Anwesenden hingeben. Ein Teilnehmer der Konferenz wies darauf hin, dass die Energiepreise ja nicht endlos steigen könnten. Das sei doch sicher nur ein zeitlich begrenzter Effekt. Dies müsste doch ein Faktor sein, der die Inflation wieder zurückführe. Ja, da habe er grundsätzlich Recht, gab der Professor zur Antwort, streichelte den Walbuckel, ließ die Hand in der Luft stehen und relativierte die Aussage. Der Anstieg der Energiepreise sei in Deutschland gewollt. Die CO2-Abgabe sei sogar noch niedrig, sie werde weiter steigen und die Preise für Energie aus fossilen Brennstoffen weiter nach oben treiben. Das müsse auch so sein, um den Umstieg auf regenative Energien zu fördern. Je höher die Bepreisung der Energie, desto stärker sei der Druck aufs Portemonnaie und damit der Anreiz, Konsum-Verhalten zu verändern. Um dem sozialen Aspekt Rechnung zu tragen, dass einkommensschwache Familien nicht so einfach ihren alten Diesel verkaufen und dafür einen Tesla anschaffen könnten, müsse man allerdings ein intelligentes Umlageverfahren schaffen: Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe müssten gleichverteilt an alle Bürger wieder ausgezahlt werden. So würden diejenigen, die einen größeren CO2-Fußabdruck hinterließen – und das seien erfahrungsgemäß die oberen Einkommensschichten –, stärker zur Kasse gebeten. Insgesamt würde jeder Einzelne motiviert werden, weniger fossile Brennstoffe zu nutzen. Es sei ein positiver Lenkungseffekt – ohne Einfluss auf die Inflation. Vorhandene Geldflüsse würden nur umverteilt. Das habe die Politik aber leider nicht verstanden. So wolle man beispielsweise in Frankreich die Benzinpreise deckeln. Und auch in Deutschland sei solch ein Schritt bereits in der Diskussion. Im Ergebnis würde der gewünschte Effekt konterkariert – mit Steuergeld, das ja auch wieder eingenommen werden müsse, entweder durch weitere Steuererhöhungen oder durch neue Schulden.

An dieser Stelle wähnten einige im Saal einen Wal seufzen zu hören. Was die Konferenzteilnehmer in diesem Augenblick noch nicht wissen konnten: Am Abend verkündeten SPD, Grüne und FDP, im Falle einer Ampelkoalition den Mindestlohn auf 12 Euro anheben zu wollen.

Ausblick auf die wichtigsten Termine in dieser Woche

Am Dienstag veröffentlicht die Redbook Research Inc. in den USA ihren sogenannten Johnson Redbook Index. Es ist ein Umsatz gewichteter Wachstumsindikator der großen US-Einzelhändler, der in etwa 9000 Läden beinhaltet. Mit dem Dollarwert macht der Index über 80 Prozent des äquivalenten offiziellen Einzelhandelsumsatzes aus, der vom US-Handelsministerium veröffentlicht wird. Der Index ist seit Juni vergangenen Jahres massiv gestiegen – um zuletzt dramatisch abzustürzen. Aktuell bewegt sich der Index unterhalt des Wertes vom April vergangenen Jahres. Deshalb schaut der Einzelhandel diesmal sehr gespannt auf den Dienstag.

Am Mittwoch gibt das Nationale Statisitkbüro Chinas aktuelle Zahlen zum Immobilienpreisindex bekannt. Der Index ist ein Schlüsselindikator für die Wirtschaft, da steigende Preise üblicherweise den Neubau fördern und damit Wachstum für das Land bringen. Ein Blick auf die Entwicklung des Preis-Charts zeigt: Nicht erst seit der Evergrande-Pleite ist der chinesische Immobilienmarkt unter Druck. Seit Oktober 2019 hat sich die Preisdynamik mehr als halbiert.

Am Donnerstag veröffentlicht das Statistische Büro Dänemarks das Verbrauchervertrauen. Der Wert spiegelt das Vertrauen wider, das die Bürger in die Wirtschaftstätigkeit ihres Landes haben. Der Wert ist in den vergangenen Monaten stark angestiegen. Man kann förmlich sehen, wie mit der Impfquote und schließlich dem ausgerufenen „Freedom Day“ der Optimismus bei unserem nördlichen Nachbarn gestiegen ist. Die Lehre daraus lautet: Mehr einzelne Geimpfte bedeuten mehr Freiheit für Alle. Man muss schon sehr quer denken, um diese einfache Rechnung nicht zu verstehen.

Am Freitag gibt die Indische Notenbank die Höhe ihrer aktuellen Devisenreserven bekannt. Die Zahl beinhaltet alle Rücklagen in Währungen und Gold, sowie Gewinne von ausländischen Wertpapieren und Transaktionen mit offiziellen Institutionen in Übersee. Bemerkenswert ist, dass die Devisenreserven Indiens in den vergangenen zwei Jahren um fast 50 Prozent gestiegen sind. Zum Vergleich: Die US-Devisenreserven sind im gleichen Zeitraum fast unverändert geblieben. Wir lernen: Andere Länder vertrauen dem Dollar mehr als die USA.

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