„Kein Zinsschritt in den USA im Juni“

Pieter Jansen, Senior Strategist Insurance bei NN Investment Partners, erklärt, was Anleger in unruhigen Zeiten wie diesen tun können, warum die FED die Zinsen im Juni wohl nicht anheben wird und was das mit dem Brexit zu tun hat.

09.06.2016 | 15:26 Uhr von «Teresa Laukötter»

FundResearch: Das Jahr 2016 ist sehr volatil gestartet. Müssen sich Anleger jetzt an unruhigere Zeiten gewöhnen? 

Pieter Jansen: Von 2009 bis 2014 haben alle großen Anlageklassen außer Rohstoffe einen Aufwärtstrend erlebt. Seit Anfang 2015 dagegen werden Anleger mit steigender Volatilität konfrontiert – aus mehreren Gründen: Anfang 2015 begannen die ersten Spekulationen um eine Zinswende seitens der FED. In der Vergangenheit kam die FED mit ihren Zinsänderungen oft den anderen großen Notenbanken zuvor. Dieses Mal zieht aber keine der anderen Zentralbanken nach. Das wiederum sorgt für Verwerfungen auf dem Währungsmarkt. Die Schwellenländer geraten unter Druck. Gleichzeitig sinkt der Ölpreis bereits seit geraumer Zeit. 2015 hat er dann die kritische Schwelle unterschritten, bei der es für Energieunternehmen und Exportländer schwierig wird. Zu allem Übel kommen schließlich noch politische Risiken wie der UK-Brexit hinzu. Anfang diesen Jahres mündete die Unsicherheit dann in übertrieben Befürchtungen, beispielsweise um eine Rezession in den USA und die damit einhergehenden Implikationen. In diesem Sinne mussten sich Anleger bereits an ein unruhiges Investitionsklima gewöhnen. 

FundResearch: Wie wird das Jahr weitergehen?

Pieter Jansen: Die Risiken sind zwar schwächer geworden, aber noch da. Es wird also weiter turbulent bleiben. Die Wirtschaftsdaten sind nicht so stark, dass sie einen großen Schock abfedern können. Themen wie Brexit und ein weiterer Zinsschritt der FED sind noch nicht vom Tisch. 

FundResearch: Wird die FED im Juni die Zinsen anheben?

Pieter Jansen: Ich denke nicht, dass es im Juni dazu kommt. Der relevante Sitzungstermin liegt eine Woche vor dem Referendum in Großbritannien und die Inflation in den USA gibt auch keinen Anlass dazu. Die FED schaut mittlerweile wesentlich stärker auf externe Faktoren und die Volatilität an den Märkten. Wenn es nicht zu einem Brexit kommt und die Daten okay sind, dann möglicherweise im Juli. Interessanterweise haben die Märkte einen Zinsschritt auch erst für das Frühjahr 2017 eingepreist. 

FundResearch: Viele Anleger würden Volatilität im Portfolio lieber meiden, was können Sie da tun? Vor allem da die Zinsen so niedrig sind und wohl auch so bleiben. 

Pieter Jansen: Wichtig ist vor allem eine gute Diversifikation. Um durch diese unruhigen Zeiten zu kommen, braucht man einen flexiblen und dynamischen Investmentansatz. Zeitgleich ist eine gute Risikokontrolle essentiell. Die NN IP First Class Multi-Asset-Strategien konnten vor allem von der guten Performance im Fixed Income-Bereich profitieren. Gleichzeitig können wir das Portfolio schnell anpassen, wenn sich die Themen ändern. 

FundResearch: Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um in Aktien einzusteigen?

Pieter Jansen: Aktuell sehen wir, dass die Kassenquote allerorts hoch und die Aktienquote niedrig ist. Das bedeutet, dass viele Aktienanleger sehr vorsichtig geworden sind und das Risiko zurückfahren. Das heißt, dass zu wenig in Aktien investiert wird. Eigentlich ein gutes Signal für die Assetklasse. Die Aktienprämie relativ zu Staatsanleihen ist hoch. Trotzdem sind wir von Aktien kurzfristig noch nicht sehr überzeugt. Wir bevorzugen Spread-Produkte wie Investment-Grade High-Yield. Auch für Immobilien sind wir positiv gestimmt. Wir wählen also derzeit lieber verschiedene Risikoklassen innerhalb des Fixed-Income-Bereichs und gehen erst langsam immer mehr in Richtung Aktien. Wer mit einer hohen Volatilität zurecht komt, kann natürlich schon jetzt einsteigen. Aber das A und O bleibt die Diversifikation. 

FundResearch: Kommt es zu einem Brexit? Welche Auswirkungen hätte dies?

Pieter Jansen: Wir gehen davon aus, dass die Briten in der EU verbleiben. Zwar spielt das Meinungsklima eine große Rolle, aber für die unentschlossenen Wähler sind die finanziellen Konsequenzen entscheidend. Britische Aktien sollten durch einen eventuellen Brexit aber nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Die meisten sind große Exporteure. Kurzfristig wird sich das Meinungsklima natürlich auch auf die Märkte auswirken. Besonders für den Finanzplatz London besteht jedoch ein großes Risiko. Zudem könnte der Brexit Auswirkungen auf andere Länder wie Spanien haben. Ein paar Tage nach dem Referendum finden dort die Wahlen statt. Mittlerweile etablieren sich ja auch in verschiedenen europäischen Ländern Anti-Europa-Gruppen. 

FundResearch: Welche Themen sollten Investoren aktuell noch beachten?

Pieter Jansen: Es wird weiterhin entscheidend sein, was in den Schwellenländern passiert. Wir sind dort sehr skeptisch. Auch China sollten Investoren auf dem Radar haben. Wir nennen das Thema gern: „Elephant in the Room“, also das eigentliche Problem. Auch das Thema Rohstoffe wird uns erhalten bleiben. Zudem sind die USA im Zyklus bereits weiter, dass könnte zu einem höheren Druck auf die Wechselkurse führen. Investoren sollten auch immer im Hinterkopf behalten, dass wir uns in einer Marktphase mit geringem Wachstum befinden. Ein Schock reicht da aus, um uns zurückzuwerfen. 

FundResearch: Die EZB wird gerade in Deutschland heftig für ihren Kurs kritisiert. Ist Mario Draghis Plan aufgegangen?

Pieter Jansen: Dass die Wirtschaft in Europa und speziell auch in Deutschland ordentlich performt, hat auch mit der Geldpolitik zu tun. Die Kreditvergabe steigt, der Arbeitsmarkt erholt sich langsam und das Vertrauen in Nord- und Südeuropa kommt zurück. Ohne einen externen Schock wird diese Erholung sicherlich voranschreiten. Die Frage ist natürlich immer, wie viel Zeit dafür bleibt. Auf der anderen Seite: Als Privatperson spürt man die Auswirkungen am deutlichsten auf dem eigenen Konto, wenn es keine Zinsen mehr für das Ersparte gibt. 

FundResearch: Der NN (L) First Class Multi-Asset und der NN (L) First Class Multi-Asset Premium haben die letzten Monate gut überstanden. Was war das Geheimrezept?

Pieter Jansen: Der NN (L) First Class Multi Asset Fonds (ISIN: LU0809674541) investiert in Staatsanleihen, Investment- Grade und Non-Investment Grade Bonds, Aktien, Immobilien, Währungen und Rohstoffe. Wir können also sehr flexibel und diversifiziert an den Markt gehen. Zeitgleich spielt die Risikokontrolle eine große Rolle für uns: Mindestens 50 Prozent müssen in sehr solide Staatsanleihen oder in Cash investiert werden. Diese Quote kann bis auf 100 Prozent hochgefahren werden. Die anderen 50 Prozent können in risikoreichere Anlagen fließen. Per Ende März 2016 haben wir so ein Plus von 0,26 Prozent erzielen können. Das ist im aktuellen Umfeld sehr ordentlich. Etwas offensiver verhält sich der First Class Multi-Asset Premium (ISIN: LU1052149363). Der Fonds kann Long- und Short-Positionen eingehen. Er hat bis Ende März ein Plus von 0,76 Prozent erzielt. Je nach Risikoneigung empfiehlt sich der eine oder der andere Fonds. 

(TL) 

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