Keine Angst vor Crashs
Dem „schwarzen Freitag“ folgte ein „schwarzer Montag“. Und über allem schwebt die Gefahr eines neuen Kriegs im Nahen Osten. Sollten Anleger jetzt verkaufen? Nein – ganz im Gegenteil.07.08.2024 | 07:15 Uhr
Die Börsen-Turbulenzen am vergangenen Freitag und am darauffolgenden Montag haben Anlegern erneut vor Augen geführt, wie fragil der Kapitalmarkt oft ist. Auslöser für die heftigen Korrekturen am Aktienmarkt war die Entscheidung der japanischen Notenbank, den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt zu erhöhen. Die Märkte hatten nur mit einer Erhöhung um zehn Basispunkte gerechnet. Die geradezu panische Reaktion vieler Marktteilnehmer auf die Differenz zwischen ihrer Erwartung und der Realität fiel deshalb so heftig aus, weil sie die durch die Zinserhöhung erfolgte Aufwertung des Yen gezwungen wurden, ihre Portfolios in großem Stil neu zu justieren.
Hintergrund: Investoren haben den Yen in den vergangenen Jahren als günstige Finanzierungsquelle genutzt. Denn die Zinsen in Japan blieben lange Zeit nahe der Nulllinie. Also nahmen insbesondere große institutionelle Anleger Kredite in Yen auf und investierten das Geld in höher verzinste US-Anleihen oder in Aktien. Da der Yen in den vergangenen Jahren nahezu stetig an Wert gegenüber dem US-Dollar verlor, kamen die sogenannten Yen-Carry-Trades fast einer Gelddruckmaschine gleich. Mit der unerwartet stärkeren Zinsanhebung und der folgenden ruckartigen Aufwertung des Yen ist diese Maschine sehr plötzlich aus dem Takt geraten. Sehr, sehr große Carry-Trade-Positionen mussten in den vergangenen Tagen sehr schnell glattgestellt werden. Um die Dimensionen klarzumachen: Experten schätzen, dass die Kreditbeträge, um die es hier geht, ein Volumen von etwa vier Billionen US-Dollar haben. Und so kommt es, dass eine auf den ersten Blick erstaunlich kleine Differenz von nur 0,15 Prozent zwischen Erwartung und Realität ein Beben an der Börse auslösen können.
Angst ist ein schlechter Berater
Die gute Nachricht lautet: Wir sehen nicht einen Ausverkauf an den Märkten, sondern eine ganz normale Korrektur. Wenn spekulative Positionen innerhalb kurzer Zeit geschlossen werden müssen, rappelt es an der Börse. Die Volatilität steigt. Das ist normal. Danach beruhigt sich die Lage, und es geht wie immer weiter. Business as usual. Wer sich als Anleger von plötzlich fallenden Kursen dazu hinreißen lässt, große Aktienbestände zu verkaufen, macht in der Regel alles verkehrt, was man an der Börse verkehrt machen kann. Das lehrt die Erfahrung. Diese zeigt auch, dass es sogar klug ist, genau dann zu investieren, wenn viele Investoren auf der Flucht sind und Risikopositionen aus ihren Portfolios abstoßen. Beispiele dafür gibt es auch in jüngster Vergangenheit genug: Nachdem die Aktienkurse im März 2020 zu Beginn der Coronakrise weltweit abstürzten, war dies zugleich der Auftakt für eine neue Börsenrally. Dem Schock nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine, gepaart mit sehr kräftigen Zinsanhebungen beiderseits des Atlantiks, folgte nur wenige Monate später eine Hausse, die erst Ende vergangener Woche durch die Zinsanhebung in Japan ausgebremst wurde. Und dies sind nur die aktuellen Beispiele. Das Spiel ist immer dasselbe. Wissenschaftliche Studien belegen, dass viele Verhaltensmuster tief in der menschlichen Psyche verankert sind. Es ist bekannt, dass Angst starke Handlungsimpulse auslöst. So neigen Anleger dazu, bei angstauslösenden Ereignissen Wertpapiere im Affekt zu verkaufen. Eine Analyse der Gesamtsituation findet dann in der Regel nicht statt. Deshalb reagieren Investoren auch immer wieder auf Ereignisse, die gar keinen Einfluss auf das Börsengeschehen haben. Der Beginn von Kriegen gehört dazu.
Es wäre deshalb nicht verwunderlich, wenn ein Angriff Irans auf Israel, der heftiger ausfällt, als internationale Beobachter dies im Moment erwarten, zu erneuten Turbulenzen an den Aktienmärkten führen würde. Fakt ist jedoch, dass diese kriegerische Eskalation für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft und die Ertragssituation der einzelnen Unternehmen weltweit keine besonders große Rolle spielen würde. Für den Kapitalmarkt ist etwa viel entscheidender, in welchem Umfang Inflation und Zinsen steigen. Deshalb wäre zu erwarten, dass die Kursrückgänge im Falle eines iranischen Angriffs relativ schnell wieder ausgeglichen würden.
Wie Investoren von der Unsicherheit profitieren können
Anleger können mit einem vergleichsweise einfachen Rezept die Erkenntnisse aus der Behavioral Finance für sich nutzen, um ihr Wertpapierdepot vor größeren Verlusten zu schützen oder sogar Gewinne zu erzielen. Spitzt sich eine Krise zu, können Anleger in einen sogenannten Short-ETF auf einen Aktienindex investieren, beispielsweise auf den DAX. Short-ETFs reagieren auf Kursbewegungen genau umgekehrt wie klassische Index-ETFs: Verliert beispielsweise der DAX ein Prozent an Wert, steigt der Kurs eines Short-ETFs auf den DAX um ein Prozent. Mit einer Investition in Short-ETFs lassen sich so Kursverluste im Gesamtdepot abfedern, ohne Wertpapiere verkaufen zu müssen. Je nach Verlauf der Kurstalfahrt sollte die Short-Position wieder aufgelöst werden. Oft dauern solche Panik-Phasen nur kurz, meistens nicht mehr als fünf Tage. Dann können Anleger nach und nach vorsichtig wieder in den Markt einsteigen. Der Gewinn aus dem Verkauf der Short-Position dient als Starthilfe und Turbo bei wieder anziehenden Börsenkursen. Beispiele für Short-Produkte sind etwa der Xtrackers ShortDAX Daily Swap UCITS ETF, der Xtrackers S&P 500 Inverse Daily Swap UCITS ETF oder für mutige Anleger der WisdomTree NASDAQ 100 3x Daily Short (ISIN IE00BLRPRJ20), der dreifach gehebelt bei einem Abschmieren des NASDAQ 100-Index sehr schnell an Wert gewinnt. Doch Vorsicht: Der Hebel wirkt auch umgekehrt. Deshalb sollten wichtige technische Indikatoren gut beobachtet und auswertet werden. Short-Trading ist grundsätzlich nichts für schwache Nerven und bietet immer nur zeitlich sehr begrenzt Aussicht auf Erfolg. Das zeigt auch die Reaktion der Märkte auf den Kurseinbruch nach der Leitzinserhöhung in Japan. Schon einen Tag später folgte der Turnaround. Wer seine Shortpositionen zu lange hielt, musste schon am Dienstag komplett umdenken.
Viel entspannender ist es deshalb, trotz der aktuell unsicheren Perspektiven einfach die Nerven und seine Aktien zu behalten. Und wer jetzt breit diversifiziert kauft, hat langfristig sogar gute Chancen auf weitere Kursgewinne. Das ist die wichtigste Lehre aus der Vergangenheit. Die Auswahl an passenden international anlegenden Aktienfonds ist groß genug.