Massive Auswirkungen der Frankreich-Wahl möglich

Am kommenden Sonntag dürften sich die Blicke nicht nur auf die Achtelfinalspiele der Fußball-Europameisterschaft richten. Der Wahlausgang in Frankreich könnte vor allem die Rentenmärkte durcheinanderwirbeln.

28.06.2024 | 12:45 Uhr von «Jörn Kränicke»

Als Präsident Emmanuel Macron nach den Europawahlen Neuwahlen ankündigte, reagierten die Märkte zunächst mit Besorgnis über eine mögliche Mehrheit des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN). Die OAT-Bund-Spreads weiteten sich auf den höchsten Stand seit 2012 aus. Die Analysten sind jedoch geteilter Meinung über die möglichen Folgen der Wahlergebnisse.

Sorge vor der linken NFP

Für Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay, gibt es kaum Anzeichen dafür, dass die Panikmache des amtierenden Staatspräsidenten Emanuel Macron und seines Teams bei den Wählern ankommt. „In dieser Woche war zu hören, dass die ‚Politik der Extreme‘ das Land in Richtung Bürgerkrieg führen könnte. Das scheint aber zu hysterisch“, so Dowding.

RN ist wirtschaftsfreundlicher

Andrzej Sczepaniak von Nomura äußerte, dass RN wirtschaftsfreundlichere Signale sendet, indem sie die Einhaltung der EU-Fiskalregeln betont und radikalere Maßnahmen zurücknimmt. Im Gegensatz dazu seien die Vorschläge der linken NFP (Nouvelle Front Populaire) deutlich radikaler. Sie umfassen Preiskontrollen für Lebensmittel, Kraftstoffe und Energie, eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns sowie eine deutliche Anhebung der Steuern für Unternehmen und vermögende Privatpersonen. Außerdem lehne der NFP die Regeln der EU für Defizit- und Schuldengrenzen ab. Eine Mehrheit für die NFP würde laut Sczepaniak ein hohes Risiko für Herabstufungen durch Ratingagenturen bedeuten.

Beim Sieg der RN würden sich die Märkte entspannen

Axel Botte von Ostrum Asset Management beobachtet eine gewisse Entspannung an den Rentenmärkten, da die Erwartung einer RN-Mehrheit die Spannungen lindert. Er berichtet, dass der Markt widerstandsfähig reagiert und die französischen Spreads sich stabilisiert haben. Die französische Schuldenverwaltung Agence France Trésor (AFT) hat laut Botte die angegebene Höchstsumme von 10,5 Milliarden Euro mit mittelfristigen Nominalpapieren und über 2 Milliarden Euro mit indexgebundenen Wertpapieren aufgenommen. „Die nächsten Auktionen werden erst zwischen den beiden Runden der Parlamentswahlen stattfinden. Die französischen Spreads stabilisierten sich knapp unter 80 Basispunkten, bei den Spreads anderer Staatsanleihen ist eine Entspannung sichtbar“, so Botte

Fiskalische Risiken und EZB-Interventionen

Ein Sieg sowohl des RN als auch des NFP könnte die fiskalische Stabilität in der Eurozone gefährden. Beide Parteien bevorzugen eine expansivere Fiskalpolitik, was zu einer Krise wie in Großbritannien unter Liz Truss führen könnte. Die EZB könnte laut vieler Analysten in einem solchen Szenario durch den Kauf französischer Staatsanleihen intervenieren, um eine fiskalische Krise abzuwenden. Dies würde wahrscheinlich zu einem Pfad sinkender Zinsen führen, was die Finanzierung von Defiziten erleichtern würde.

Langfristige Auswirkungen und Marktunsicherheiten

Mittelfristig könnte eine stärkere Machtfülle des RN die Beziehungen zu Europa schwächen, was die Fähigkeit der EU zur koordinierten Reaktion auf externe Schocks beeinträchtigen würde. Ein Erfolg von populistischeren Regierungen könnte zudem das Vertrauen in die europäischen Staatsanleihen weiter schwächen.

Für Dowding könnte sich bei der Frage nach den möglichen weiteren Entwicklungen in Frankreich ein Blick auf Italien mit seiner Rechts-Außen-Regierung anbieten. „Vielleicht wäre ein Sieg der Partei Rassemblement National vor diesem Hintergrund keine solche Katastrophe, wie einige aus der politischen Mitte behaupten.“

Auswirkungen auf die Märkte

Die Ankündigung der Neuwahlen und die damit verbundene Unsicherheit haben bereits auch zu einem Rückgang der französischen Aktien geführt, wobei der CAC 40 nach der Ankündigung um fast sechs Prozent fiel. Im Vergleich zum DAX hat der CAC 40 den Verlust seitdem auch nicht wieder aufgeholt. 

Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist für Dowding, dass alles auf eine fiskalpolitische Lockerung in Frankreich und generell in der Europäischen Union hindeutet. „Eine solche kann das Wachstum stützen, könnte aber die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank in den kommenden Monaten begrenzen. Bundesanleihen könnte daher nur über einen sehr kurzen Zeitraum als sicherer Hafen gegenüber der Volatilität in Frankreich funktionieren“, sagt Dowding.

Neue Eurokrise im Anmarsch?

Sadettin Yildiz, Portfolio-Manager im Bankhaus Donner & Reuschel, kann sich jedoch größere Auswirkungen des Wahlergebnisses vorstellen. „Viele Länder der Eurozone sind stärker verschuldet als das in der Eurokrise der Fall war. Es stellt sich daher die Frage nach einem Wiederaufflammen der alten Problematiken. Ein Abverkauf von Staatsanleihen der hochverschuldeten Länder wäre denkbar. Die Parlamentswahl in Frankreich könnte somit ein Trigger für eine weitere Krise der Eurozone darstellen“, sagt  Yildiz.

Fazit

Die Parlamentswahlen in Frankreich haben das Potenzial, erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu haben. Eine Mehrheit des RN könnte kurzfristig für Beruhigung sorgen, während eine Mehrheit des NFP mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbunden wäre. Die EZB könnte gezwungen sein, Maßnahmen zu ergreifen, um die finanzielle Stabilität zu sichern. Die Unsicherheiten und potenziellen fiskalischen Risiken machen die Situation für Investoren schwierig, da die Märkte weiterhin auf politische Entwicklungen reagieren werden.

Informieren Sie sich in unseren Newslettern regelmäßig über die besten Fonds und ETFs. Dazu gibt es aktuelle News aus der Fondsbranche. Hier können Sie sich anmelden.

Weitere interessante Neuigkeiten erfahren Sie auf FundResearch TV. Dort stehen die Fonds-Experten Rede und Antwort zu aktuellen Entwicklungen an den Märkten und wo die besten Chancen locken.

Diesen Beitrag teilen: