Nachhaltigkeit vor Rendite: Darauf legen Anleger Wert
Krieg, Klimakrise und Inflation machen Anleger in Deutschland nachdenklich. Sie setzen deshalb ihre Prioritäten neu. Besonders jüngere Menschen legen immer größeren Wert auf Nachhaltigkeit. Vielen ist das Thema sogar wichtiger als die Rendite. Das zeigt eine aktuelle Studie.14.04.2023 | 07:30 Uhr
Es scheint, als ob seit drei Jahren die schlechten Nachrichten nicht abreißen würden: Erst die Coronakrise, dann der Überfall Russlands auf die Ukraine, schließlich die steigende Inflation. Dazu Bilder vertrockneter Flüsse, Feuersbrünste, Überschwemmungen – der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen. Es sind Themen, die die Menschen emotional berühren. Und so stellen sie sich existenzielle Fragen. In welcher Welt will ich leben? Was kann ich tun, um dieses Ziel zu fördern? Wie kann ich mich gegen Gefahren absichern? Es sind Fragen, die auch Einfluss auf das Anlageverhalten der Menschen haben. Wie sehr das Weltgeschehen auf Investitionsentscheidungen von Anlegern wirkt, zeigt aktuell eine repräsentative Studie, die die Gothaer zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut forsa durchgeführt hat.
Die Sorgen und Ängste der Anleger in Deutschland
Die negativen Schlagzeilen der vergangenen drei Jahre sorgen für zunehmende Unsicherheit und Zukunftsängste. So geben 85 Prozent der rund 1.000 Befragten an, dass ihnen die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels große Sorge bereiten. Aber auch die Inflation und die geopolitischen Konflikte bereiten deutschen Anlegern Kopfzerbrechen. 72 Prozent der Befragten machen sich Sorgen, dass die Preise und Alltagskosten weiter ansteigen und somit ihre Geldanlagen entwertet werden. 71 Prozent der Befragten fürchten zudem, dass aufgrund von geopolitischen Spannungen die Preise weiter steigen und sich ihre finanzielle Situation verschlechtert.
Was dabei auf den ersten Blick überrascht: Obwohl steigende Preise direkten, spürbaren Einfluss auf die finanzielle Situation der Menschen haben, nennen mehr Befragte den Klimawandel als größte Gefahr. „Die Tatsache, dass sich Anleger mehr Sorgen um den Klimawandel machen als um das Thema Inflation und die geopolitischen Konflikte, ist auf den zweiten Blick gar nicht so verwunderlich“, erklärt Christof Kessler, Vorstandssprecher der Gothaer Asset Management. „Jede Krise, egal wie lange sie andauert, ist irgendwann vorbei. Für den Klimawandel hingegen gibt es keine schnelle Lösung, das beunruhigt die Menschen.“
Nachhaltigkeitsfonds weiter auf Wachstumskurs
Die Sorge ums Klima und die Umwelt hat offensichtlich auch Auswirkungen auf das Anlageverhalten: Der Nachhaltigkeitsaspekt hat bei der Geldanlage einen immer höheren Stellenwert. 53 Prozent der Anleger geben an, dass ihnen dieser Punkt wichtig ist. Für die Altersklasse der 18- bis 29-Jährigen ist dieser Aspekt besonders relevant. 60 Prozent dieser Altersgruppe geben an, dass Nachhaltigkeit bei der Geldanlage eine große Rolle spielt. Auch bei den Anlegern, die in Fonds investieren, steht bei der der Fondsauswahl das Thema Nachhaltigkeit hoch im Kurs. 29 Prozent der Befragten entscheiden sich für Nachhaltigkeitsfonds. Zum Vergleich: 2020 waren es nur sechs Prozent.
Gefragt, was die wichtigste Facette von Nachhaltigkeit für sie ist, geben jeweils 36 Prozent der Befragten Umwelt- und Klimaschutz sowie soziale Gerechtigkeit an. Für 24 Prozent ist es der Aspekt verantwortungsvolle Unternehmensführung.
Verzicht auf Rendite zugunsten von Nachhaltigkeit
Vor dem Hintergrund der vorgeschriebenen Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsgespräch dürfte ein Punkt für Finanzberater besonders interessant sein: Selbst, wenn es um die Rendite ihrer Geldanlagen geht, gewinnt das Thema Nachhaltigkeit mehr an Bedeutung. So gibt knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) an, dass sie bereit sind, Geld in sogenannte nachhaltige Anlagen zu investieren, auch wenn sie dadurch eine geringere Rendite erhalten würden. Bei den 18-29-Jährigen sind es sogar 52 Prozent. Das heißt, dass für eine knappe Mehrheit jüngerer Anleger Nachhaltigkeit vor Rendite geht. Die Anleger unterstützen somit den politischen Willen, Nachhaltigkeitsaspekte als relevante Bewertungsgröße von Finanzprodukten einzuführen und zu stärken.
Die nächste Anlegergeneration hat das Anliegen bereits verinnerlicht – wenn auch aus anderen Motiven als der Gesetzgeber. „Die Zahlen spiegeln die aktuelle Situation wider, über die tagtäglich in den Medien berichtet wird. Organisationen wie Fridays for Future und die letzte Generation werden maßgeblich von der Generation Z vorangetrieben. Der Klimawandel und die daraus resultierenden Zukunftsfolgen treffen sie und künftige Generation viel stärker als jene, die heute in Entscheidungspositionen sitzen. Dementsprechend ist ihre Bereitschaft zugunsten des Klimawandels Einschnitte im eigenen Leben hinzunehmen größer“, sagt Christof Kessler.