Eine Studie zeigt: Unabhängige Vermögensverwalter gewinnen immer mehr Kunden. Gleichzeitig bremst die komplexe Regulatorik rund um ESG-Investments das Geschäft aus. Viele Vermögensverwalter klammern dieses Thema deshalb mittlerweile aus.
30.08.2024 | 13:00 Uhr
Unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland sind gefragt wie nie zuvor. Laut einer aktuellen Studie des InVV (Institut für Vermögensverwaltung) an der TH Aschaffenburg betreuten die Vermögensverwalter im Jahr 2023 durchschnittlich 607 Kunden und im Median 300 Kunden. Im Vergleich dazu lag der Durchschnitt im Vorjahr noch bei 569 Personen. Als Hauptgründe für diesen Zuwachs nennen die Befragten persönliche Weiterempfehlungen (95,4 %) und die Einstellung neuer Berater (20,8 %). Die neu gewonnenen Kunden seien überwiegend Neukunden (51,9 %). Es konnten aber auch Kunden von Großbanken (51,1 %), Sparkassen (47,3 %) und Volks- und Raiffeisenbanken (35,1 %) gewonnen werden, so die Studie. Auch in der Zukunft rechnen 81,7 % der unabhängigen Vermögensverwalter mit einem leichten oder starken Anstieg ihrer Kunden.
Privatkunden machen laut der InVV-Umfrage 84,3 % der Gesamtkundschaft aus, gefolgt von Unternehmen (9,9 %) und Stiftungen (3,8 %). Die Altersstruktur der Privatkunden zeigt, dass 43,2 % 60 Jahre oder älter sind, während 39,2 % im Alter zwischen 40 und 60 Jahren liegen. Die Altersgruppen der 30- bis 40-Jährigen und der unter 30-Jährigen sind mit 9,9 % bzw. 7,8 % deutlich geringer vertreten. Diese Verteilung zeigt, dass jüngere Generationen Potenzial für die Kundengewinnung in den kommenden Jahren bieten.
Zum ersten Mal wurde in der Befragung erfasst, ob Vermögensverwalter Kundendepots im Ausland betreuen. Mehr als die Hälfte der Vermögensverwalter (59,2 %) berichtet, Kundendepots außerhalb Deutschlands zu verwalten. Die meisten dieser Depots befinden sich in der Schweiz (43,8 %). Depots in Lichtenstein (14,6 %) sowie in Österreich (13,8 %) sind weniger vertreten. Knapp ein Fünftel der Befragten (18,5 %) gibt zudem an, Depots in weiteren Ländern zu betreuen – vorrangig in Europa wie Italien, Spanien oder den Niederlanden. Auch weiter entfernt liegende Länder wie Südafrika oder Südkorea kamen unter den Antworten vor. Diese internationale Ausrichtung zeige das Wachstumspotenzial über die deutschen Grenzen hinaus.
Unabhängig davon, in welchen Regionen Vermögensverwalter tätig sind, herrscht Einigkeit darüber, dass die Gewinnung neuer Kunden die größte unternehmerische Chance für die Zukunft darstellt. Neun von zehn Vermögensverwaltern geben an, die Gewinnung von Kunden als Erfolgsaussicht zu betrachten. Der Gewinn von Neukunden (68,5 %), die Aufstockung von Bestandskunden (66,9 %) sowie ihre gute Performance (74,6 %) führten dazu, dass 80,8 % der Vermögensverwalter von einem Anstieg ihrer Assets under Management berichten. Somit verwalten Vermögensverwalter aktuell ein Vermögen von mehr als 495 Millionen Euro (im Durchschnitt pro Vermögensverwaltung). Im Median liegt das verwaltete Vermögen bei 265 Millionen Euro.
Um der steigenden Kundenzahl gerecht zu werden, planen 64,4 Prozent der Vermögensverwalter, in den nächsten zwölf Monaten Personal aufzubauen. Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl liege derzeit bei 12,2 Personen. Auch Veränderungen in der Gesellschafterstruktur spiegeln diesen Bedarf wider: 36,2 % der Befragten planen Maßnahmen zur Änderung ihrer Gesellschafterstruktur – unter anderem, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu binden.
21 % der Vermögensverwalter, die zwischen 150 und 500 Millionen Euro an Vermögen betreuen und 18 % der Vermögensverwalter mit über 500 Millionen Euro verwaltetem Kapital planen, Mitarbeitende zukünftig zu beteiligen. Diese beiden größeren Gruppen fokussieren sich zusätzlich auf den Übertrag von Anteilen. Auch kleinere und mittlere Vermögensverwalter streben Veränderungen an. 13 % der Vermögensverwalter mit Assets under Management unter 50 Millionen Euro erwägen vor allem den Zusammenschluss mit anderen Vermögensverwaltern. Diese Maßnahmen verdeutlichen die vielfältigen Strategien, mit denen Vermögensverwalter ihre Marktposition stärken und ihre Personalressourcen sichern wollen.
Das Zinsumfeld wird von 63,2 % der Befragten als größte Chance am Kapitalmarkt wahrgenommen. Dies zeigt sich auch in den Angaben zur Veränderung der Anteile des Gesamtportfolios: Über die Hälfte (53,5 %) gibt an, dass der Anteil von Renten und Rentenfonds im letzten Jahr gestiegen ist, und ein Drittel plant, diesen Anteil weiter zu erhöhen. Gleichzeitig berichten 52,7 % der Teilnehmenden, dass der Anteil von Aktien und Aktienfonds in den letzten Monaten zugenommen hat. Auch hier plant ein Drittel aller Befragten einen weiteren Anstieg. Mit ihrer Portfolioaufteilung im Jahr 2023 konnten unabhängige Vermögensverwalter dabei eine Rendite von durchschnittlich 8,1 % für ihre Kunden erwirtschaften. Dabei erzielten Aktien eine Rendite von 13,5 %, Renten 5,0 % und Gold 8,6 %.
Die Vermögensverwalter setzen weiterhin auf eine breit diversifizierte Anlagestrategie. Bei Aktieninvestitionen liegt der Schwerpunkt mit 34,9 % in Nordamerika, gefolgt von 20,2 % in der EU (außer Deutschland) und 15,5 % in Deutschland. Bei Rentenanlagen liegt der Fokus stärker auf Deutschland (40,8 %), gefolgt von der EU (26,4 %) und Nordamerika (16,2 %).
Wie in den vergangenen Jahren bleibt die Regulatorik die größte Herausforderung für Vermögensverwalter. 74,2 % empfinden sie als Belastung, da ständig neue Anforderungen eine stabile Lernkurve verhindern. Zudem sehen 36,8 % das Thema ESG als problematisch an. Diese Herausforderungen spiegeln sich auch in der Anlagestrategie wider: Sieben von zehn Vermögensverwaltern berücksichtigen keine Aspekte des nachhaltigen Investierens, da die Komplexität der Regulatorik dies zu schwierig macht.
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