NN IP-Experte: „Ideales Umfeld für Immobilienaktien“

Roelf Groeneveld, Experte für Immobilienaktien bei NN IP, spricht mit FundResearch über Vorteile sowie Risiken der Assetklasse und erläutert die Strategie seines Fonds.

19.06.2015 | 06:45 Uhr von «Patrick Daum»

FundResearch: Seit Anfang April arbeiten Sie für NN Investment Partners. Vorher hieß die Gesellschaft ING Investment Management. Haben Sie sich schon an den neuen Namen gewöhnt?

Roelf Groeneveld: Nein, ich habe mich noch nicht ganz daran gewöhnt. Das braucht Zeit, nicht nur für unsere Kunden, auch für uns. NN ist ein Versicherer und weniger bekannt als die Marke ING. 

FundResearch: Sie sind Teil des Real Estate Equity Teams bei NN IP. Was ist Ihre Aufgabe?

Roelf Groeneveld: Ich bin im vergangenen Jahr hinzugekommen, um den Kunden zu erklären, wie wir unsere Immobilienaktienfonds verwalten, welche Ergebnisse wir erzielen und wie wir die  Aussichten einschätzen. Privatbanken möchten beispielsweise  detailliert und ständig darüber informiert werden. Dafür ist es gut, eine Person im Team zu haben, die ausschließlich für diese Aufgabe abgestellt ist.

FundResearch: Warum Immobilienaktien? Was ist so spannend an dem Sektor?

Roelf Groeneveld: Das Spannende ist, dass Anleger die Spezialdynamik dieses Aktiensegments vermehrt schätzen. Wir investieren ausschließlich in „listed Real Estate“. Der normale Immobilienmarkt ist riesig, aber in der Regel nicht kotiert. Vor allem in Europa nimmt die Zahl der börsennotierten Aktien zu und auch die Liquidität wird immer besser. Professionelle Anleger schauen sich immer häufiger Immobilienaktien an. Amerikanische und asiatische Investoren interessieren sich vermehrt für den europäischen Markt, nicht nur weil er günstig bewertet ist,  sondern auch wegen der verbesserten Liquidität. Und wenn die Investoren einsteigen, weil sie beispielsweise wie alle anderen nach Zins- oder Renditequellen suchen, dann treiben sie die Preise weiter nach oben. Liquidität ist dabei ungeheuer wichtig.

FundResearch: Und die ist vorhanden?

Roelf Groeneveld: Die verbessert sich in Europa stetig. In Ländern wie Spanien und Irland gibt es nun einige interessante und gut geführte Unternehmen, die an der Börse kotiert sind. In Frankreich sind mehrere große Unternehmen schon längere Zeit aktiv. In Deutschland hat die Liquidität schon vor ein paar Jahren einen starken Impuls erhalten. Außerdem haben an der Börse gelistete  Immobilienaktien einen Finanzierungsvorteil gegenüber direkten Immobilien. Denn letztere sind oft abhängig von den Banken. Bankkredite sind für sie immer noch schwierig zu bekommen. Bei gut geführten kotierten Immobilienunternehmen sind Anleger bereit, niedrige Zinsen auf Betriebsanleihen zu akzeptieren. Sie haben eine günstige Finanzstruktur und häufig auch eine Prämie zum Buchwert, können Aktien ausgeben und die Prämie nutzen um günstiger bewertete Immobilien zu kaufen.

FundResearch: Die Assetklasse hat mit 2014 ein starkes Jahr hinter sich und performt auch in diesem Jahr sehr zufriedenstellend. Wo sehen Sie die Haupttreiber dafür?

Roelf Groeneveld: Haupttreiber sind die niedrigen Zinsen und die attraktiven Dividendenrenditen. Die letztgenannten liegen weltweit  immer noch bei drei bis vier Prozent, in Frankreich bei den börsennotierten Immobilienaktien sogar bei fünf Prozent. Das erhöht bei niedrigen Zinsen die Nachfrage – und treibt so die Kurse in die Höhe. Aber wichtiger und deshalb auch interessanter für mich sind die Korrelationen von Immobilien mit Aktien und von Immobilien mit Anleihen. Die Korrelationen mit Anleihen sind angestiegen und die mit Aktien gesunken. Im Moment kann man sagen, dass eine Immobilienaktie einer halben Aktie und einer halben Anleihe entspricht. Vorher waren Aktien und Immobilienaktien fast 100 Prozent korreliert. Die Zinsabhängigkeit hat zugenommen, was erklärt, warum die Immobilienkurse im Moment stark auf Zinsschwankungen reagieren. 

FundResearch: Das ist der einzige Faktor?

Roelf Groeneveld: Neben der Zinsabhängigkeit ist das Wachstum sehr wichtig. Immobilienaktien sind eine Wachstumsgeschichte. Das wird von den Anlegern momentan ein bisschen vernachlässigt und ich muss ihnen das erklären. Wir befinden uns bei Immobilien, Immobilienbüros und Ähnlichem in einem spätzyklischen Bereich. Das alles hängt von Wachstumsraten und dem Vertrauen und Konsum der Verbraucher ab. Beides zieht weltweit und jetzt endlich auch in Europa langsam an. Die Leute bekommen erst allmählich wieder Vertrauen, um wieder zu kaufen anstatt nur zu sparen. Und die Unternehmen haben wieder Vertrauen, um Leute einzustellen. In den USA, die sich schon klar aus der Talsohle herausbewegt haben, sieht man erst jetzt eine deutlich verbesserte strukturelle Nachfrage bei Immobilien. Europa hinkt einige Jahre hinterher. In Spanien und Italien gibt es in bestimmten Bereichen – wie in Madrid oder Barcelona – eine ansteigende Nachfrage. Aber in Europa sind es bisher nur die Top-Lagen, die vom sich erholenden Wachstum profitieren. Auch in Deutschland steigen die Mieten, aber die regionalen Unterschiede sind groß. Früher lag deren Steigerung bei maximal einem Prozent pro Jahr. Das ist weniger als die Inflationsrate. Jetzt sind es schon zwei oder drei Prozent Mietwachstum pro Jahr. Das ist zyklisches Wachstum. Das bedeutet höhere Dividenden. Und wo gibt es bei Aktien noch einen Bereich, in dem man die Dividenden erhöhen kann? 

FundResearch: Aber Immobilienaktien sind doch auch Teil des Gesamtaktienmarktes. Und der läuft ja generell ganz gut momentan. Ist der Boom der Immobilienaktien auch auf Faktoren wie beispielsweise die lockere Geldpolitik der EZB zurückzuführen?

Roelf Groeneveld: Absolut. Die geldpolitische Unterstützung der EZB befeuert die Aktienmärkte. Davon profitieren natürlich auch Immobilienaktien. Vielleicht sogar überdurchschnittlich. Denn durch diese Maßnahmen wird das Wachstum angekurbelt und außerdem bleibt das Zinsumfeld niedrig. Für Immobilienunternehmen sind vor allem ihre Verschuldungsquoten wichtig.  Wenn die Zinsen niedrig sind, haben sie geringere Verschuldungskosten, die oft noch längere Zeit gesenkt werden können. Ein solches Umfeld ist sehr attraktiv. Und das geht noch weiter. Das ist nicht vorbei.

FundResearch: Sie gehen von langfristig niedrigen Zinsen aus?

Roelf Groeneveld: Wir gehen davon aus, dass die Zinsen deutlich länger niedrig bleiben werden als viele Anleger denken. Im Moment steigen die Zinsen wie hier in Deutschland wieder an. Anleger sind überrascht von den raschen wirtschaftlichen Fortschritten in Europa. Wir sind weniger zuversichtlich. Unsere Strategen erwarten einen langsamen Anstieg. Das sieht man auch in den USA: Die Zinsen ziehen an, aber der Weg ist lang. Ein holpriger Weg, auf dem es immer wieder Enttäuschungen geben wird. Das ist ein ideales Umfeld für Immobilien. Vor allem Aktienanleger können einen Teil ihres Portfolios in Immobilienaktien umschichten, da diese spätzyklisch und aktuell relativ günstig bewertet sind. Auch gegenüber Anleihen schneiden sie wegen der hohen und wachsenden Dividendenrendite besser ab. Immobilienaktien vereinen das Beste aus dem Aktien- und dem Rentenmarkt in sich. Das macht sie auch für Privatkunden attraktiv.

FundResearch: Es bleibt aber eine Aktienanlage und Aktien bergen immer Risiken. Wo sehen Sie die größten Risiken bei Immobilienaktien?

Roelf Groeneveld: Bei der Zinsabhängigkeit zum Beispiel. Das sah man vor allem in den USA: Als die Zinsen in Februar anfingen an zu steigen, wurden Immobilienaktien schnell verkauft. Das ist eine verständliche  Reaktion der Anleger. Die Erwartung der ersten Zinserhöhung in den USA führte zu einen Sell-off von etwa zehn Prozent. Im Anschluss kam aber dank guter Quartalergebnisse schnell die Korrektur, womit das Wachstumspotenzial wieder sichtbar wurde. Dann hat auch die Fed verkündet, dass das mit der Zinserhöhung nicht so schnell geht. 

FundResearch: Gilt das auch für Europa?

Roelf Groeneveld: Hier zeigt sich etwas Ähnliches. Das QE-Programm in Europa hat begonnen. Die Immobilienaktien sind in Europa weiter angestiegen, während es in den USA eine Korrektur gab. Das hat alles mit QE zu tun. Aber jetzt kommt auch in Europa die Nervosität wegen der Zinsen. Bei steigenden Zinsen sieht man sofort, dass die Anleger verkaufen. Wir schauen aber vor allem auf Wachstum und nutzen die günstigeren Bewertungen. In Europa – in Spanien oder Schweden zum Beispiel – stimmt das Umfeld. In Schweden gibt es nicht genug Projekte. In Stockholm darf kaum gebaut werden. Und im günstigen Fall dauert es oft zehn Jahre bis man eine Baugenehmigung erhält.  Deshalb werden die Preise weiter anziehen können. 

FundResearch: Welchen Einfluss hat die von Ihnen bereits angesprochene Verschuldung? 

Roelf Groeneveld: Das ist der zweite Risikofaktor. Auch hier ist ein Vergleich mit den USA interessant, da es dort bereits seit einigen Jahren aufwärts geht. Trotz höherer Immobilienpreise und erhöhter Übernahmeaktivitäten sind die Verschuldungsraten aber nicht angestiegen. Das ist für uns ein gutes Zeichen. Für Immobilienunternehmen ist es immer noch schwierig günstig an Kapital zu kommen. Die stärksten Unternehmen schaffen es, aber die Unterschiede sind groß. Und wenn die Verschuldung zu sehr ansteigt, dann laufen ihnen die Aktionäre weg. Das ist das Gute im Moment: Ein gesundes Umfeld für Immobilienaktien. 

FundResearch: Sie sind auch mitverantwortlich für den NN (L) European Real Estate Fonds. Welche Strategie steckt dahinter? Wie wählen Sie die Immobilienaktien aus? 

Roelf Groeneveld: Wir sind ein aktiver Manager. Das heißt, wir suchen aktiv nach Möglichkeiten, um besser abzuschneiden als der Index. Unser Portfolio besteht lediglich aus 22 Aktien in Europa. Es gibt keinen anderen Fonds, der so wenige Aktien hält. Dennoch haben wir eine sehr niedrige Volatilität. Ein konzentriertes Portfolio macht es uns leichter, Aktien zu finden, in die wir Vertrauen haben und die wesentlich zu einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung beitragen. Dies  zeigt sich auch in unserem mehrjährigen Track Record.

NN (L) European Real Estate: Auf Höhe der Peergroup

Quelle: FINANZEN FundAnalyzer (FVBS)

 

FundResearch: Sie haben 22 Titel im Portfolio. Wie groß ist das Universum?

Roelf Groeneveld: Die Benchmark in Europa ist ziemlich eingeschränkt. Sie besteht aus nur 38 Titeln. Weltweit gibt es etwa 250 Namen, die wirklich liquide sind. Weniger als zehn Prozent der weltweiten Immobilienwerte sind an einer Börse notiert. Aber trotzdem haben wir gezeigt, dass wir mit wenigen Aktien eine gute Streuung erreichen können. Zusätzlich bieten die vorhandenen europäischen Immobilienaktien den Anlegern einen starken Qualitätsvorteil. Denn die Unternehmen in Europa, die kotiert sind, bilden in der Regel die qualitative Spitze der Immobilien.

FundResearch: Aber birgt diese geringe Titel-Anzahl nicht auch ein Risiko? 

Roelf Groeneveld: Ja, das ist ein Nachteil für Europa, vor allem gegenüber den USA. Aber hier wird ein Trend erkennbar, dass sich das ändert. Es kommen neue Unternehmen auf den Markt – in Spanien, in Irland, in Deutschland. Wir sehen vermehrt Spezialisierung, wie in den USA. Das macht alles attraktiver. Die Liquidität hat in den letzten Jahren in Europa stark zugenommen. Wir sehen hier positive strukturelle Entwicklungen im europäischen Markt. Ausländische professionelle Anleger haben das auch entdeckt und nutzen es aus. Es ist wie ein Rad, das anfängt, sich zu drehen und an Fahrt gewinnt.

FundResearch: Wie sieht Ihr Investmentansatz aus?

Roelf Groeneveld: Wir fahren  einen „Cluster-Ansatz“. Das ist einzigartig. Es gibt keinen anderen Investmentmanager, der das macht. 2004 haben wir diesen Ansatz selbst entwickelt. Es gibt eine Länderauswahl, in der wir aber ziemlich neutral sind. Innerhalb der Länder wählen wir Aktien jedoch sehr pro-aktiv aus. Dazwischen haben wir Cluster eingebaut. Diese sind in Amerika eher nach Sektoren aufgestellt. Das heißt: Büros, Shops, Hotels, Gewerbe, Pflegeheime. Aber in Schweden z.B. haben wir im Bereich Büros zwei regionale Cluster: Stockholm-Büros und nicht-Stockholm-Büros. Es ist also eine Art Faktor-Modell. Alle Unternehmen innerhalb der Cluster sind höher korreliert und die Cluster untereinander sind relativ gering korreliert. So können wir trotz geringer Titel-Anzahl doch gut diversifizieren. Zusätzlich sehen wir zwei Vorteile: Wir können schnell reagieren – Top-down. Wenn die Aussichten sich  verändern, können wir uns mit den Cluster schneller bewegen als unsere Konkurrenz, die eher länderbezogen agiert. Außerdem können wir dank des Clusters einfacher entscheiden, welche Aktie uns am besten gefällt. Unsere Aktienauswahl wird ausgeprägter. Dieser Cluster-Ansatz unterscheidet uns von anderen und macht auch den Unterschied in der Performance.

FundResearch: Wie sieht das Management-Team des Fonds aus? 

Roelf Groeneveld: Wir haben zwei Portfoliomanager. Michael Lipsch ist bereits seit 1997 zuständig. Zusammen mit Andrej Antonijevich sind das Team und der Prozess seit 2004 unverändert. Unterstützt werden die beiden von zwei Analysten. Sie schauen sich einen Teil des Marktes an und der Rest wird von den Portfoliomanagern selbst analysiert. Wir pflegen gute Verbindungen zu den Unternehmensführungen und können das gesamte Umfeld dank unserer langjährigen Erfahrung sehr gut überblicken. Wir kennen die CFOs und CEOs. Die notierten Immobilienunternehmen pflegen auch selbst gerne den Kontakt zu den Anlegern, da sie sie bei der Emission neuer Aktien regelmäßig ansprechen. 

FundResearch: Wie sehen Sie die Entwicklung des Immobilienaktien-Marktes in den kommenden drei Jahren?

Roelf Groeneveld: Wir glauben an Immobilien als Anlageklasse, vor allem wegen des überdurchschnittlichen Wachstumspotentials von börsennotierten Immobilien. Vor allem in Europa, aber sicher auch noch in den USA. Und die Aussichten bleiben gut. Auch deshalb, weil das Wirtschaftswachstum eher etwas enttäuschen wird und die Zinsen daher niedriger bleiben können als viele im Moment glauben. Das ist das ideale Umfeld für Wachstum in Immobilien. Es gibt ja nicht viel Wachstum im Moment. Deshalb bleiben Immobilien wegen ihres überdurchschnittlichen Wachstums und ihres Renditepotenzials attraktiv. Beides möchten wir Anlegern erschließen, gepaart mit einer ziemlich niedrigen Volatilität. Das macht Immobilien für die kommenden zwei bis drei Jahre für unsere Kunden sehr interessant. Vor allem in Verbindung mit den niedrigen Zinsen und der attraktiven Dividende – in Europa. Denn hier kommen noch die strukturellen Verbesserungen hinzu. Frankreich, Schweden, und Spanien sind die Märkte, die wir derzeit im Fokus haben.

(PD)

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