Robo-Advisor – Wo trennt sich die Spreu vom Weizen? (I)
Die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen macht auch vor der Vermögensverwaltung nicht halt. Immer mehr Robo-Advisor-Anbieter stehen im Konkurrenzkampf. Eine aktuelle Studie des Research-Hauses FondsConsult zeigt Stärken und Schwächen auf.10.06.2020 | 15:00 Uhr von «Christian Bayer»
Mehrwert durch Digitalisierung?
Die ersten Anbieter haben sich vor sieben Jahren am Markt positioniert. Sie
sind als Konkurrenz zu Vermögensverwaltern und Finanzberatern angetreten. Das
Geld der Kunden sollte günstiger und effizienter angelegt werden. Vielfach
werden zur Minimierung der Kosten ETFs bei der Portfoliokonstruktion genutzt.
Das muss allerdings noch nicht heißen, dass auch das Gesamtpaket für den
Anleger günstig ist.
In einer aktuellen Studie hat die FondsConsult 23 der rund 30 Anbieter
untersucht. Die Studie umfasst einen Zeitraum von zwei Jahren mit Stichtag Ende
März. Damit schließt die Untersuchung auch die Zeit der drastischen
Kursverluste in Folge der Corona-Krise ein. Das Research-Haus sieht weiter eine
hohe Wachstumsdynamik. Allerdings wachsen die Bäume auch bei der
digitalisierten Vermögensverwaltung nicht in den Himmel. „Die
Goldgräberstimmung der ersten Jahre, als von exponentiellen Wachstumsraten und
einem verwalteten Vermögen von 20 Milliarden Euro und mehr im Jahre 2020 die
Rede war, ist heute größtenteils verflogen“, so die Experten. Zum 31. März 2020
lag das verwaltete Vermögen der Robo-Advisor bei 4,7 Milliarden Euro.
Die Untersuchung bewertet in qualitativer Hinsicht den Umfang des
Produktangebots, das Portfolio- und Risikomanagement, die Anlegerprofilierung
sowie die Kostenstruktur. Durchaus überraschend ist in einem Markt, der von
starkem Konkurrenzdruck bestimmt ist, die hohe Bandbreite der Kosten. Diese
reichen von 0,21 bis 2,88 Prozent p. a. „Die besten Ergebnisse in der
Qualitativen Analyse erreichten die Anbieter Scalable, Liquid, VisualVest,
ginmon und Whitebox“, so die Fonds Consult-Experten.
Marktführer punktet
Scalable hat als einziger der untersuchten Anbieter mit einem geschätzten
Volumen von 1,8 Milliarden Euro Assets under Management die Milliarden-Schwelle
deutlich überschritten. Geholfen hat dabei die Kooperation mit der Direktbank
ING. Zu den Stärken des Marktführers zählen laut Studie der systematische
Investmentprozess und das dynamische Risikomanagement. „Als Risikomaß bzw. als
entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zwischen den Anlagestrategien fungiert der
Value-at-Risk (VaR) mit 95 Prozent Konfidenzniveau“, so FondsConsult. Ebenfalls
positiv zu Buche schlagen ein umfassendes Serviceangebot, eine sehr hohe
Transparenz beim Investmentprozess und beim Risikomanagement sowie relativ
niedrige Verwaltungskosten. Schwächen bei Scalable sieht die Studie bei der
Abgrenzung zwischen 23 Risikokategorien. Einerseits erlaube die hohe Anzahl von
Risikokategorien eine starke Individualisierung bei der Risikoeinstufung des
Anlegers. Andererseits würde sich die Frage stellen, ob damit nicht eine
„Überoptimierung“ erzielt wird. Insgesamt erhielt Scalable allerdings in der
qualitativen Bewertung einen Spitzenplatz mit 1,0.
Anlegen mit den Quandts
Ebenfalls mit 1,0 in der qualitativen Einstufung wurde der Robo-Advisor Liquid,
hinter dem das Family Office der Quandt-Familie steht, bewertet. In der Studie
hat der Anbieter mit niedrigen Kosten gepunktet. Hinsichtlich der
Verwaltungsgebühren und der Kosten für die ausgewählten ETFs gehört die Liquid
Global-Strategie zu den günstigsten Angeboten. Hervorgehoben wurde auch die
vorbildliche Anlegerprofilierung. Innerhalb der drei Produktlinien bei Liquid
gibt es jeweils zehn Risikoklassen. „Bei den Basisstrategien Liquid Global reicht
die Aktienquote von fünf bis maximal 95 Prozent“, so FondsConsult. Im Unterschied
zu anderen Anbietern wird allerdings mit 100.000 Euro eine vergleichsweise hohe
Mindestanlagesumme erwartet. Zu den Schwächen zählt laut Studie auch die
Tatsache, dass bei der Portfoliokonstruktion vergleichsweise wenig
Anlageklassen zur Verfügung stehen. Beim Liquid Global Impact-Angebot werden im
Investmentprozess auch Nachhaltigkeits-Kriterien berücksichtigt.
Mit Defiziten
Das Schlusslicht unter den Robo-Advisor-Anbietern in der qualitativen Bewertung bildet Vividam, der mit Stand vom März 2020 geschätzt allerdings nur 1,4 Millionen Euro an Anlagegeldern verwaltet. Der Anbieter hat laut Studie zwar durch eine Fokussierung auf ESG-Kriterien ein Alleinstellungsmerkmal. Zudem werden Anleger ohne Zusatzkosten persönlich beraten. Allerdings ist die Mängel-Liste gravierend. Dazu zählen beispielsweise sehr hohe Kosten. Als Anlageinstrumente werden aktiv gemanagte Investmentfonds genutzt. „Der Investmentprozess konzentriert sich überwiegend auf die Auswahl der geeigneten Themen- bzw. Impact-Fonds („Buy & Hold“-Ansatz“)“, so die Studie. Investoren müssen bei dem Angebot sowohl auf eine Asset Allocation im klassischen Sinn sowie auf ein regelbasiertes Risikomanagement verzichten. Ein Rebalancing der allokierten Fonds findet am Jahresende statt.
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