Silke Schlünsen: „Vertane Chance auf Neubeginn“

Die Kapitalmarkt-Expertin der Stifel Europe Bank kritisiert den DAX-Umbau.

02.12.2020 | 09:10 Uhr von «W. Ehrensberger und R. Witzler»

Silke Schlünsen, Kapitalmarkt-Expertin der Stifel Europe Bank / Bild: Copyright: Sarah Kastner/Stifel Europe Bank AG


Wie zufrieden sind Sie mit der DAX-Reform der Deutschen Börse?

Silke Schlünsen: Es geht in die richtige Richtung. Ein größerer Schritt wäre dennoch wünschenswert gewesen, um mehr Kontinuität in der Zusammensetzung des Index zu bekommen. Doch dieses Ziel wird kaum erreicht. Häufige Wechsel zwischen den Indizes sind weiterhin programmiert. Auch für Investoren wird der DAX kaum attraktiver. Eine tiefgreifende Reform wurde leider verschlafen.

Was hätten Sie denn anders gemacht?

Wir hätten eine grundlegende Reform der DAX-Familie gebraucht. Im Zentrum sollte ein einziger, großer Leitindex nach dem Vorbild des US-Leitindex S & P 500 stehen. Der TecDAX für junge Wachstumswerte wäre weiterhin sinnvoll. Er sollte aber ebenfalls größer werden.

Was könnte ein solcher „S&P-500-DAX“ besser als der klassische DAX?

Ein neuer, großer DAX wäre für heimische Anleger ebenso wie für Investoren aus aller Welt eine attraktive Möglichkeit, um breit in die deutsche Wirtschaft zu investieren. Vor allem viele globale Investoren wollen keinen reinen Bluechip-Index, sondern einen diversifizierten Index, der auch die kleinen und mittelgroßen börsennotierten Champions umfasst. Für die kleineren Firmen wäre ein neu konzipierter Index zudem eine gute Möglichkeit, besseren Zugang zu Kapital zu erhalten.

Welche Konsequenzen erwarten Sie stattdessen jetzt für DAX, MDAX und SDAX?

Der DAX verändert seinen Charakter nicht, sondern wird lediglich um zehn Titel mit niedriger Gewichtung erweitert. Im Grunde bleibt er aber ein Bluechip-Index. Noch schwerer wiegen die Folgen für den MDAX. Er verliert seine wichtigsten Protagonisten an den DAX. Die Chance für einen strukturellen Neubeginn bei der DAX-Familie wurde vertan.

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