Warum der Gamestop-Skandal ein Weckruf für die Börse ist

TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Wie private Zocker die Hedgefonds an der Wall Street herausfordern.

01.02.2021 | 07:30 Uhr

Rückblick auf die vergangene Woche

Endlich ist mal wieder Leben an der Börse. Mit echten Menschen. Anleger, die mit eigenem Geld spekulieren, haben die großen Hedgefonds an der Wall Street herausgefordert und einen Teilsieg errungen. Damit sind nicht die Gewinne gemeint, die Privatanleger mit ihrer Wette auf die Aktie des Unternehmens Gamestop erzielt haben und die Verluste, die Hedgefonds bereits erlitten haben, sondern die Tatsache, dass endlich wieder über den Börsenhandel an sich diskutiert wird.

Zum Hintergrund: Das börsennotierte Unternehmen Gamestop, das Computerspiele verkauft und vor allem mit seinen Ladengeschäften seit Jahren Verluste schreibt, ist zuletzt zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Der Lockdown der Innenstädte in vielen Ländern hat die Lage für die Firma nicht gerade entspannt. Große Hedgefonds hatten deshalb auf einen Kursverfall gewettet. Sie liehen sich Gamestop-Aktien, verkauften sie und hofften, diese später günstiger zurückkaufen und danach an die Leihstelle zurückgeben zu können.

Dieses klassische Short-Selling kann ein einträgliches Geschäft sein, wenn es funktioniert, birgt aber ein nicht unerhebliches Risiko: Steigen die Kurse, anstatt zu fallen, müssen die Hedgefonds die Aktien zu einem teureren Preis zurückkaufen, um ihre Positionen wieder glattzustellen. Je länger sie damit warten, desto größer wird ihr Verlust. Gleichzeitig sorgen sie mit ihren Käufen dafür, dass die Kurse weiter steigen.

Unter normalen Umständen können professionelle Hedgefonds dieses Risiko begrenzen, indem sie ihre Käufe und Verkäufe fein dosieren. Im Fall Gamestop lief es anders: Auf Internet-Diskussionsplattformen wie Reddit schlossen sich Tausende von Gamestop-Fans zusammen und kauften massenhaft Aktien des strauchelnden Unternehmens. Der Aktienkurs schoss durch die Decke, die Hedgefonds gerieten in Schwierigkeiten – und wehrten sich offensichtlich mit unlauteren Methoden dagegen. Börsenhandelsplattformen wie etwa Robinhood, die sich auf den Aktienhandel für private Anleger spezialisiert haben, ließen den Kauf von Gamestop-Aktien plötzlich nicht mehr zu. Es liegt der Verdacht nahe, dass sie von großen Hedgefonds dafür bezahlt wurden. Die US-Börsenaufsicht SEC ermittelt bereits. Es wäre ein Skandal.

Aber solche Skandale sind manchmal nötig, um den Blick auf Schwachstellen im System zu lenken. Und das ist der eigentliche Teilsieg, den Anleger mit ihrem Flashmob-Investing erzielt haben. Fakt ist, dass über 90 Prozent des Börsenhandels mittlerweile von Maschinen getätigt wird, die mehr oder weniger intelligenten Algorithmen folgen. Echte Anleger spielen an der Börse heute kaum noch eine Rolle. Wenn TV-Börsenreporter heute vor ihrer Kamera stehen und mühsam herleiten, warum „Anleger“ eine bestimmte Aktie höher bewerten oder kritischer sehen, hat dies angesichts der computergesteuerten Realität schon fast eine komische Note. Deshalb ist es geradezu wohltuend, wenn ganz normale Menschen aus Fleisch und Blut mal wieder für Bewegung an der Börse sorgen. 

Dass die wilde Spekulation auf Aktien eines derzeit eher erfolglosen Unternehmens keine besonders gute Idee ist und für viele Privatinvestoren vermutlich nicht gut enden wird, ist eine andere Geschichte. Verluste gehören zur Börse. Das zu akzeptieren, fällt allerdings auch manchen Hedgefonds derzeit offensichtlich nicht besonders leicht.

Ausblick auf die wichtigsten Termine in dieser Woche

Heute veröffentlicht das argentinische Wirtschaftsministerium aktuelle Zahlen zu den Steuereinnahmen des südamerikanischen Landes. Die gute Nachricht: Der Staat nimmt heute in Peso etwa doppelt so viele Steuern ein wie noch vor einem Jahr. Die Landeswährung hat in diesem Zeitraum etwa ein Drittel ihres Außenwertes verloren. Unter dem Strich bleibt also mehr außenwirtschaftlicher Handlungsspielraum für die Regierung. Die schlechte Nachricht: Es ist immer noch zu wenig. Argentinien schlittert seit Monaten in die Krise. Die Regierung hat deshalb beschlossen, die 12.000 reichsten Bürger des Landes mit einer Sondersteuer zu belegen. Es ist eine Verzweiflungstat. Aber vielleicht hilft sie ja.

Am Dienstag werden in Europa die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt der EU insgesamt und der einzelnen Mitgliedstaaten für das Quartal und das Jahr bekanntgegeben. Die Erwartungen sind eher gedämpft. Die Pandemie hinterlässt deutliche Spuren in der Wirtschaft.

Am Mittwoch folgen der Erzeuger- und der Verbraucherpreisindex der Europäischen Union. Von Inflation kann hier weiterhin keine Rede sein.

Am Donnerstag veröffentlicht Eurostat aktuelle Zahlen zu den Einzelhandelsumsätzen in der Europäischen Union. Die Statistikbehörde hatte schon mal freudvollere Aufgaben.

Am Freitag feiert Mexiko den „Tag der Verfassung“. Die Banken bleiben geschlossen. Was die Mexikaner mit dem Feiertag ansonsten anfangen, hängt davon ab, wo sie leben und wie ihre jeweilige Provinzregierung mit den Corona-Pandemie umgeht. In Cancún landen immer noch randvolle Touristenflieger, vor allem aus den USA. In Puebla ist der Alkoholausschank verboten, und in Mexiko-Stadt mussten die meisten Geschäfte und Einrichtungen schließen. Gastronomen wehren sich derweil mit dem Schlachtruf „Wir öffnen oder sterben“ gegen die Restriktionen. Da drängt sich der Gedanke auf, dass die Alternative ein UND anstelle des ODER sein könnte.

Diesen Beitrag teilen: