„Wir haben uns früh auf das Thema Nachhaltigkeit fokussiert“

Hagen Schremmer ist seit Juni 2020 CEO von BNP Paribas Asset Management in Deutschland. TiAM FundResearch hatte die Gelegenheit exklusiv mit ihm über Nachhaltigkeit und die Geschäftsphilosophie des französischen Asset Managers zu sprechen.

25.10.2023 | 12:10 Uhr von «Jörn Kränicke»

TiAM FundResearch: Herr Schremmer, sie sind seit gut drei Jahren Head of Germany bei BNP Paribas Asset Management. Zuvor waren Sie bei einem großen deutsche Asset-Manager. Gibt es Unterschiede in der Firmenkultur zwischen Frankreich und Deutschland?

Hagen Schremmer: Wir sehen uns nicht unbedingt als rein französisches, sondern als europäisches Unternehmen. Die Strategie von BNP Paribas A.M. ist viel langfristiger als die vieler großer Wettbewerber. Sie ist auch viel weniger quartalsorientiert. Man nimmt sich oft viel mehr Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Und wenn man eine Entscheidung getroffen hat, dann steht man auch dazu. Und ich glaube, strategisch sind wir damit nicht schlecht gefahren. Zum Beispiel mit unserem Solutions-Ansatz und der frühen Fokussierung auf das Thema Nachhaltigkeit. Es gibt ja Häuser, wo ständig irgendwelche neuen Strategien propagiert werden, das gibt es bei uns nicht. Wir konzentrieren uns langfristig auf wenige Fokusthemen. Allein die Tatsache, dass die BNP-Gruppe ihren Strategieplan 2025 kommuniziert hat, zeigt das deutlich. Ich kenne kein deutsches Haus, das solche Pläne hat - geschweige denn kommuniziert.

Nachhaltigkeit ist ihr Kernthema. Sehen die Kunden dies auch als ihr wichtigstes Thema an?

Schremmer: Die Kernfrage ist zunächst: Wer ist überhaupt der Kunde? Sind es eher professionelle Kunden oder ist es der B2C-Bereich. Mit den Profis spricht man auf Augenhöhe und ich kann ihnen die Glaubwürdigkeit geben, dass sie mit uns wirklich nachhaltig investieren. Hier können wir auch unsere Stärken als französisches Haus ausspielen. Wir haben ein ganz anderes regulatorisches Umfeld als etwa die Angelsachsen. Und wir haben das Thema Nachhaltigkeit viel früher aufgegriffen. Das hat sich auch gezeigt, als die Artikel-8- und Artikel-9-Fonds Klassifizierung eingeführt wurde. Als die Regeln kamen, mussten wir in den Portfolios kaum etwas ändern, weil die alle schon entsprechend ausgerichtet waren.

ESG-Aktionismus findet bei ihnen also nicht statt?

Schremmer: Nein, kein Aktionismus, Nachhaltigkeit ist in unserem Selbstverständnis von zentraler Bedeutung und ESG Integration zieht sich durch unser gesamtes Investment-Universum und wird kontinuierlich weiter entwickelt. Wir können den Kunden die ganze Palette anbieten, von Publikumsfonds bis ETF, von Geldmarktlösungen bis institutionellen Mandaten. Und auch einen Schritt weiter, wenn jemand Impact Funds haben möchte, um bestimmte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und das in seinen CSR-Berichten darzustellen, können wir das anbieten. Das gilt für den Bereich Alternative Investments oder Private Markets wie z.B. Infrastructure Debt wo wir sehr gut aufgestellt sind. Aber auch für die klassische Allokation bieten wir entsprechende Bausteine an.

Gibt es Bereiche, in denen Sie besonders aktiv sind?

Schremmer: Einer unserer Schwerpunkte sind sicherlich nachhaltige Themenfonds. Da gehören wir zu den Pionieren. Mit Fonds wie dem BNP Paribas Climate Impact, Smart Food, Aqua oder auch Energy Transition decken wir hier viele Megatrends ab. Diese Rolle als First Mover wollen wir beibehalten und weiter ausbauen.

Solche Fonds gehörten zuletzt aber nicht unbedingt zu den Gewinnern.

Schremmer: Ja, leider. Die Unternehmen, die den Wandel vorantreiben, sind oft eher Small Caps und oft auch noch nicht so reif. Der gesamte Green-Tech-Sektor hat zuletzt stark gelitten - auch wegen der Zinswende. Trotzdem machen solche Produkte natürlich Sinn, denn nur solche Unternehmen treiben Innovationen voran. Das ist bei vielen Blue Chips nicht unbedingt der Fall. Trotzdem machen auch klassische ESG-Fonds Sinn.

Warum?

Schremmer: Die großen Tech-Unternehmen, die in vielen nachhaltigen Fonds enthalten sind, haben zwar oftmals gute ESG-Scores. Damit liefern diese Investments in Fonds natürlich eine Verbesserung gegenüber nicht-ESG-Portfolien, dies erfüllt die Grunderwartung vieler Anleger. Allerdings tragen diese Titel kaum zur Lösung von Umweltproblemen und wirklichen Transition zu einer nachhaltigeren Wirtschaft bei. Hier haben Impact- und Themenfonds oftmals eine höhere Wirkung und konkreten Fokus.. Es gibt einfach Bedarf für beides und wir wollen alle Bedürfnisse bedienen.

Nutzen Sie für die Nachhaltigkeitsanalyse nur eigenes Research oder auch das von Ratingagenturen?

Schremmer: Wir haben ein eigenes ESG-Scoring für rund 13.000 Wertpapiere. Wir greifen hierfür auch auf die Daten der verschiedenen Ratingagenturen zurück, die zum Teil sehr unterschiedliche Perspektiven haben. Deshalb aggregieren wir diese und verknüpfen sie mit unserem internen Research. Abgerundet wird dies durch Managementgespräche und unser Research aus dem Sustainability Center. Darüber hinaus begleiten wir mit unserem Stewardship-Engagement die Transition bei vielen Unternehmen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn wenn man nur in bereits sehr nachhaltige Unternehmen investiert, erzielt man wenig bis gar keinen Impact. Deshalb ist es wichtig, auch in sogenannte ESG-Verbesserer oder sogar ESG-Nachzügler zu investieren, bei denen das Verbesserungspotenzial sehr groß sein kann, wenn die Herausforderungen richtig angegangen werden.

Welche Produkte stehen derzeit im Fokus?

Schremmer: Im institutionellen Bereich und im B2C-Bereich gibt es natürlich Unterschiede. Im Selbstentscheiderbereich gibt es seit zwei bis drei Jahren massive Zuflüsse in Fondssparpläne. Vor allem breit gestreute Indizes, die auch eine Nachhaltigkeitskomponente haben können, stehen hoch im Kurs. Aber auch die Nachfrage nach Themeninvestments steigt von allen Seiten. Auch das Thema Energiewende rückt langsam wieder auf die Agenda vieler Anleger. Aber auch das Thema Geldmarktfonds, das in den letzten Jahren überhaupt keine Bedeutung hatte, ist wieder sehr im Fokus. Und das nicht mehr nur bei institutionellen Investoren, sondern auch bei Privatanlegern. Denn nach Kosten bieten AAA-Geldmarktfonds durchaus Renditen von über drei Prozent nach Kosten. Das ist sehr attraktiv, flexibel und einfach für Anleger, sie müssen nicht mehr jedem Lockangebot der Banken hinterherlaufen.

BNP Paribas A.M. bietet sowohl aktive als auch passive Fonds an. Kannibalisieren sie sich nicht?

Schremmer: Ich halte es für sehr sinnvoll, beides anzubieten. Nicht nur, weil wir beides haben, sondern auch, weil die Anleger unterschiedlich sind. Aktive Produkte können in vielen Bereichen ihre Vorteile ausspielen. Sei es zum Beispiel bei Small Caps, Emerging Markets, spezifischen Themeninvestments oder auch im Fixed-Income-Bereich. Es gibt einfach viele Produkte, die dem Anleger einen Mehrwert bieten. Auch im Beratungsgeschäft spielen sie nach wie vor eine große Rolle. Aber gerade bei langfristigen Sparplananlagen sehen wir schon eine deutliche Verschiebung hin zu ETFs. Und das ist für viele Selbstentscheider die effizienteste Möglichkeit, langfristig für das Alter zu sparen. Oder auch bei US-Standardwerten haben wir in letzter Zeit eine starke Verschiebung hin zu passiven Produkten gesehen.

Bis 2026 soll nach dem Willen der EU Payment for Orderflow (PFOF) abgeschafft werden. Bedeutet das auch das Aus für kostengünstige ETF-Sparpläne bei den Neobrokern?

Schremmer: Das ist eine der Fragen, die ich mir im Moment auch stelle. Auch das Thema Provisionsverbot ist zwar derzeit vom Tisch, aber ich denke, dass die Diskussion darüber bald wieder aufflammen wird. Es wird strukturelle Veränderungen geben. Was aber bleiben wird, ist das Verständnis dafür, dass man privat etwas für die Altersvorsorge tun muss. Das ist noch nicht in der Breite angekommen, aber es wächst. Auch das Kostenbewusstsein ist bei vielen einfach vorhanden, daher auch der Boom bei den Sparplänen, nachdem immer mehr Neobroker auf den Markt gekommen sind. In Zukunft wird natürlich nach dem Ende des PFOF die Frage sein, ob ich noch ETFs für 0 Euro bekomme. Das wird vielleicht nicht mehr der Fall sein, aber es wird weiterhin sehr günstige ETFs und ETF-Sparpläne geben. Dieser Bereich wird also ein Wachstumsmarkt bleiben.

Zur Person:

Hagen Schremmer ist seit 1. Juni 2020 CEO von BNP Paribas Asset Management in Deutschland. In dieser Funktion leitet er das institutionelle, Wholesale- und Privatkundengeschäft. Schremmer war zuvor bei der Deutsche Bank Gruppe, wo er seit 2000 arbeitet, insbesondere im Privatkundengeschäft und Investmentbanking. Seit 2017 war er Leiter Retail & Wholesale Distribution, Deutschland & Österreich bei der DWS International GmbH. Daneben war er auch Mitglied des Verwaltungsrates und Mitglied des Executive Committee für die EMEA-Region.

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