Die Persönlichkeit eines Anlegers hat großen Einfluss darauf, in welche Art von Aktien er bevorzugt investiert. Das jedenfalls behaupten zwei finnische Wissenschaftler, die das Anlageverhalten der Finnen in den vergangenen Jahrzehnten untersucht und bewertet haben.
29.09.2017 | 10:00 Uhr
Es ist der Traum eines jeden Finanzberaters: Er stellt seinem Gegenüber einige Fragen und weiß sofort, mit wem er es zu tun hat. Und kann ihm genau das empfehlen, was er sucht und will. Erfolg garantiert.
Vielleicht haben es zwei finnische Wissenschaftler geschafft, diesem Traum ein paar Schritte näher zu kommen. Jedenfalls behaupten sie das in ihrem Aufsatz „Persönlichkeitseigenschaften und Portfolioneigungen hin zu Substanzwerten und Nebenwerten“. Im englischen Original heißt das Werk „Personality Traits and Portfolio Tilts Towards Value and Size“.
Die beiden Autoren, Andrew Conlin und Jouko Miettunen von der Universität Oulu, versuchen in ihrer Studie nachzuweisen, dass bestimmte Menschentypen ganz bestimmte Anlagestile bevorzugen. Das klingt ambitioniert. Die beiden Finnen können allerdings aus einem umfassenden Datenmaterial schöpfen, das in dieser Form in Deutschland undenkbar wäre. Denn das Thema Datenschutz wird in Skandinavien anders definiert als anderswo auf der Welt. So werden in Schweden und Finnland alle verfügbaren Daten aller Bürger ganz selbstverständlich gespeichert und sind jederzeit für Staat und Wissenschaft verfügbar.
Für Conlin und Miettunen bedeutete das, dass sie anhand der Akten der zentralen finnischen Wertpapierverwahrstelle ermitteln konnten, in welchen Aktien welche Anleger aus Finnland wann investiert waren sowie die Anzahl der jeweiligen Aktien und der Wert jeder Position. Darüber hinaus hatten sie Zugang zu den Ergebnissen von Psychologietests der Investoren aus Nordfinnland ab dem Jahrgang 1966.
Der TCI-Test – Bestimmung des Charaktertyps
Als wissenschaftliche Formel, um aus diesem umfassenden Datenmaterial schlüssige Ergebnisse zu erzielen, verwendeten die beiden Forscher den sogenannten „Temperament and Character Inventory“ (TCI) Test. Dieser Test, der normalerweise in der Psychiatrie eingesetzt wird, misst vier verschiedene Persönlichkeitseigenschaften.
Die Typus-Anleger-Formel: Bist Du A, kaufst Du B
Nachdem die Wissenschaftler die Charaktertypen der Anleger mithilfe der Parameter des TCI-Tests bestimmt hatten, glichen sie die Daten mit den dazu gehörenden Portfoliodaten der finnischen Wertpapierverwahrstelle ab und erstellten eine Typus-Anleger-Matrix, die sich in vier Aussagen zusammenfassen lässt:
1. Extravagante Menschen mit einer Affinität zu exzessivem Konsum bevorzugen bei Investments großkapitalisierte Wachstumswerte.
2. Impulsive Menschen, die dazu neigen, Entscheidungen auch ohne vollständige Informationen zu fällen, bevorzugen kleinkapitalisierte Wachstumsaktien.
3. Sentimentale Menschen, die die Tendenz zeigen, sich von emotionalen Stimuli beeinflussen zu lassen, bevorzugen kleinkapitalisierte Substanzwerte.
4. Gesellige Menschen, die sich gerne Gruppen anschließen und sich anderen schnell verbunden fühlen, bevorzugen generell Nebenwerte oder manchmal auch Substanzwerte.
Fehlertoleranz
Versuche, das Anlegerverhalten zu ergründen und auf einige wenige Einflussfaktoren zurückzuführen, gab es schon viele. Ob die finnische Untersuchung nun den Durchbruch bedeutet und alle Forschungen auf dem Gebiet der Behavioral Finance in den Schatten stellt, oder ob sie nur für finnische Anleger Relevanz hat, lässt sich kaum sagen. Es liegt die Vermutung nahe, dass auch bei den Anlageentscheidungen finnischer Investoren nicht nur der Charakter, sondern auch noch andere Faktoren, wie beispielsweise die Jahreszeiten mit längeren oder kürzeren Tagen und mit mehr oder weniger Sonneneinstrahlung oder auch der familiäre und Vermögenshintergrund eine Rolle gespielt haben könnten. Interessent wäre auch ein Abgleich mit Anleger-Daten aus Südafrika, also von der unteren Seite der Erdkugel. Leider sind diese Daten nicht verfügbar.
Fazit: Vielleicht lassen sich aus den Studienergebnissen ganz neue Fragetechniken ableiten, die Finanzberater in Zukunft einsetzen können. Vielleicht auch nicht. Eine Beobachtung der beiden finnischen Forscher ist aber auf jeden Fall interessant: Gesellige Investoren haben der Studie zufolge im Betrachtungszeitraum die höchsten Renditen erzielt. Den finnischen Trinkspruch „Hölleken Kölleken“ sollte man sich also schon mal merken!
(MvA)
Die wissenschaftliche Analyse „Personality Traits and Portfolio Tilts Towards Value and Size“ in englischer Sprache als PDF-Dokument.
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