Können starke technische Daten zu stärkeren Fundamentaldaten führen? Ein Kommentar von Fraser Lundie, Head of Fixed Income – Public Markets bei Federated Hermes Ltd.
25.04.2024 | 12:15 Uhr von «Fraser Lundie»
In dem Kinohit „Honey, I Shrunk the Kids“ waren die Kinder verwirrt, als alles in ihrer Welt überdimensional wurde. Ähnlich können sich auch Anleger fühlen, wenn sie versuchen, die aktuelle Stimmung und die extremen Bewertungen auf dem Markt für Unternehmensanleihen mit den zahlreichen Risiken in Einklang zu bringen. Aber das ist keine Science-Fiction. Das sind technische Daten und diese dominieren die Fundamentaldaten wie nie zuvor – wobei erstere weniger logisch begründet werden müssen als letztere. Kaum schießt eine Anleihe am Markt ohne ersichtlichen Grund in die Höhe, sagt jemand an unserem Schreibtisch: „Mehr Käufer als Verkäufer“. Dieses Gefühl trifft heute auf den Kreditmarkt im weiteren Sinne zu. Dabei sind sowohl die Nachfrage als auch das Angebot gleichermaßen dafür verantwortlich.
Zunächst mag die Nachfrageseite offensichtlicher erscheinen: Die Kreditrenditen stehen auf eigenen Füßen, wie es seit der Finanzkrise selten der Fall war. Unterstützt durch die zugrunde liegenden Renditen von Staatsanleihen bieten Kreditpapiere jetzt höhere Erträge als Dividendenwerte. In einer Zeit der Unsicherheit darüber, ob Unternehmen ihre Margen und ihre Wachstumsraten aufrechterhalten können, zieht die Sicherheit der festen Kupons im Vergleich zur variablen Natur von Dividenden Anleger vermehrt zu Anleihen hin. Angesichts der Aussicht auf eine mögliche geldpolitische Lockerung der Zentralbanken fließen zunehmend Gelder von der Seitenlinie der liquiden Mittel und kurzfristigen Anlagen in Anleihen, um von den günstigen Konditionen zu profitieren. Zusammengefasst führen alle Wege zu Krediten und bilden somit einen Sweet Spot für Vermögensallokatoren.
Weniger beachtet wird die Angebotsseite: Es herrscht ein deutlicher Mangel an verfügbaren Papieren. Das zeigt sich besonders deutlich im Markt für hochverzinsliche Anleihen, dessen Volumen in etwas mehr als einem Jahr um 10 Prozent geschrumpft ist. Unternehmen emittieren weniger, da sie ihre Schuldenlast verringern, um sich an die neue Normalität höherer Zinssätze anzupassen. Sie streben ein niedrigeres Verschuldungsniveau an, weil sie so vernünftige Zinsdeckungsquoten erreichen können. Der Rückgang von Fusionen und Übernahmen hat auch das Emissionsvolumen für Finanzierungen von Sponsoren eingeschränkt. Schließlich haben sich viele Treasurer dafür entschieden, mit der Refinanzierung zu warten, bis die Fälligkeit ihrer bestehenden Schulden näher rückt. Warum sollte man einen 5-Prozent-Kupon durch einen 8-Prozent-Kupon ersetzen, wenn es nicht notwendig ist?
Die Rating-Agenturen haben fleißig hochgestuft, was zu einer beeindruckenden Zahl „aufgehender Sternen“ im Vergleich zu „gefallenen Engeln“ geführt hat. Und das alles, bevor wir uns einem neuen Konkurrenten bei der Fremdfinanzierung zuwenden – den Privat Markets, der inzwischen rund 30 Prozent aller Fremdfinanzierungen ausmacht, während es vor zehn Jahren noch weniger als zehn Prozent waren. Gegen eine Teilnahme am „Grabathon“ sprechen die sich verschlechternden Fundamentaldaten und die engen Spreads. Auf dem aktuellen Niveau ist nur sehr wenig von einem Ausfallzyklus eingepreist. Und obwohl sich die Solidität der Bilanzen und die Ertragsdynamik angesichts steigender Zinsen als beeindruckend robust erweisen, ist es schwierig zu argumentieren, dass diese beiden Faktoren sich verbessern werden. Es gibt jedoch ein Element, das sich in all dem widerspiegelt.
Da sich der Primärmarkt kaum noch bewegt und sich zunehmend für Refinanzierungen, Vertragsänderungen und -verlängerungen öffnet, verschwindet die „Mauer“ der Fälligkeiten von Unternehmensanleihen in den Jahren 2025 und 2026 zunehmend. Dies hat zur Folge, dass positive technische Daten zu positiven Fundamentaldaten führen und die Erwartungen hinsichtlich der Ausfallraten sinken. Das ist eine harte Realität, gegen die man ankämpfen muss. Doch wie die Kinder im Film, die sich in ihrem dschungelartigen Hinterhof zurechtfinden, werden die Anleger unweigerlich auf verschiedene Hindernisse und Gefahren stoßen. Dabei handelt es sich vielleicht nicht um gefräßige Insekten, riesige Regentropfen und gigantische Rasenmäher, sondern eher um eigenwillige Risse in den untersten Sprossen des Marktes, die zu einem dauerhaften Kapitalverlust führen können.
Schuldtitel mit CCC-Rating sind nicht so robust wie der Rest des Spektrums – „es ist ein Dschungel da draußen“, wie Wayne Szalinski es ausdrückte. Bereits dort und auf dem Markt für Leveraged Loans werden die Kapitalstrukturen durch die Realität von Zinssätzen, die nicht bei Null liegen, belastet. In diesen Segmenten kommen auf jede Heraufstufung doppelt so viele Herabstufungen, erhebliche strukturelle Probleme in angeschlagenen Sektoren wie der Telekommunikation und den Medien sowie einige Governance-Probleme, die auftauchen, da die Cashflows auf den Prüfstand kommen.
Dennoch sollten Anleger auf idiosynkratische Ereignisse, eine Streuung in der untersten Kategorie und einige Verlierer vorbereitet sein. Denken Sie an klassische 80er-Jahre-Filme und beachten Sie, dass die traditionelle Unternehmensauswahl auf der Grundlage einer gründlichen Fundamentalanalyse wieder an Bedeutung gewinnen wird.
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