Mit 470 Beschwerden von insgesamt 1129 Beschwerden dieser Sparte liegt die Proxalto auch in absoluten Zahlen an der Spitze der Bafin-Beschwerdestatistik. Bei Proxalto handelt es sich um eine sogenannte Run-Off-Gesellschaft der Viridium-Gruppe in Neu-Isenburg, die 2019 den Bestand der Verträge der ehemaligen Generali Lebensversicherung übernahm. Viridium ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Hannover Rück und dem britischen Beteiligungsunternehmen Cinven. Offenbar ist eine zunehmende Anzahl von Versicherungsnehmer mit der Verwaltung ihrer Lebensversicherungsverträge seit dem Wechsel der Verwaltung zu Proxalto/Viridium unzufrieden. So registrierte die BaFin 2020, dem Jahr nach dem Bestandswechsel zur Viridium Gruppe bereits 85 Beschwerden, ein Jahr später waren es bereits 141 Beschwerden, bis im vergangenen Jahr die Rekordbeschwerdezahl von 470 erreicht wurde. Auch die Lebensversicherungsgesellschaften mit den nächst höchsten Beschwerdequoten sind Lebensversicherer, die ihr Neugeschäft geschlossen haben und deren Bestände von der Viridium Gruppe verwaltetet werden. So folgt mit der zweithöchsten Beschwerdequote (13,59) die Entis Lebensversicherung, unter deren Namen der Bestand der ehemaligen Mannheimer Lebensversicherung verwaltet wird. Diese geriet bereits im Jahr 2002 in finanzielle Schieflage und wurde von der Lebensversicherungsbranche dafür extra gegründeten Auffanggesellschaft Protektor weitergeführt, die dann 2017 von Viridium übernommen wurde. Sehr hohe Beschwerdequoten hatten im vergangenen Jahr auch die unter dem Namen MLP Leben gegründete Heidelberger Leben (8,0) und die Skandia (7,15), die beide ausschließlich fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen anboten. Auch über die ehemalige PB Versicherung der Talanx Gruppe, die im vergangenen Jahres mit der Lifestyle Protection zusammenging und seither unter deren Namen auftritt, gingen im vergangenen Jahr relativ viele Beschwerden bei der BaFin ein (Beschwerdequote 6,56).
Auch im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre weisen die Lebensversicherungsunternehmen Skandia (14,08), Heidelberger (10,07) Entis (9,44), Proxalto (7,04), Lifestyle Protection/PB Versicherung (3,85) die höchsten Beschwerdequoten auf. Es folgen die Frankfurter Leben (2,84) – sie Run-Off-Gesellschaft der Basler Leben – , die Barmenia (2,69), die Nürnberger Beamten Lebensversicherung (2,38) – die in Eigenregie abgewickelt wird, und HDI Leben (2,12). Die Run-Off-Gesellschaften stehen unter Druck durch schlanke Verwaltungskosten, etwa durch die hocheffiziente und flexible Informationstechnologie, Kosten zu sparen. Kosteneinsparungen im Service-Bereich könnten allerdings aber auch der Grund für die hohen Beschwerdequoten sein.
In der Vergangenheit hat jedoch die BaFin die Run-Off-Plattformen als taugliches Sanierungskonzept für die Lebensversicherer beurteilt. Tatsächlich weisen nach einer *Assekurata-Studie der Run-Off-Gesellschaften diese deutlich geringere Kosten als die der Lebensversicherungsgesellschaften mit Neugeschäft aus. „Im Ergebnis ist festzustellen, dass vor allem die externen Run-off-Unternehmen zuletzt überdurchschnittlich hohe Erträge erwirtschaften konnten“, erklärt Lars Heermann, Studienautor sowie Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. Die Gewinner der höheren Erträge sind vor allem die Eigentümer der Run-offs, doch profitieren von den höheren Rohüberschüssen auch die Versicherungsnehmer über sogenannte RfB-Zuführungen oder Direktgutschriften. Offenbar wiegt die dadurch verbesserte Rentabilität aber für viele Kunden die Nachteile der Kosteneinsparungen der Run-Offs aber nicht auf.
Im Durchschnitt der vergangenen drei Jahren hatten dagegen unter den größeren Lebensversicherungsgesellschaften mit mehr als einer Million Verträge die R+V Lebensversicherung AG (0,33), die Württembergische Lebensversicherung (0,48), die Bayern Versicherung (0,50), die Provinzial Rheinland (0,53) und die Alte Leipziger Leben (0,71) niedrige Beschwerdequoten auf.
Private Krankenversicherungen: Deutlich weniger
Beschwerden
Gegenüber 2021 sank in der
Sparte der privaten Krankenversicherungen die Anzahl der Beschwerden von 1071
Beschwerden um 32 Prozent auf 732 Beschwerden. Die in den Jahren 2021 und 2020
deutlich höhere Zahl an Beschwerden dürfte auch auf die hohen
Beitragserhöhungen in diesen Jahren zurückzuführen sein. Die höchste
Beschwerdequote wies im vergangenen Jahr unter den privaten
Krankenversicherungen die Ottonova auf. Die digitale private
Krankenversicherung war Ende 2021 in die Schlagzeilen geraten, weil sie
vor dem Bundesgerichtshof einer Klage
Der Zentrale zur Bekämpfung
unlauteren Wettbewerbs unterlag, weil die Ottonovia auf ihrer Internetseite für
eine ärztliche Fernbehandlung per App warb. Bei einem Versicherungsbestand von
nur 26122 Policen ist die statistische Aussagekraft der Beschwerdequote bei nur
drei BaFin-Beschwerden allerdings begrenzt. Hohe Beschwerdequoten wiesen im
vergangenen Jahr bei einem deutlich höheren Versicherungsbestand auch die
Krankenversicherungsunternehmen Inter (6,43), Landeskrankenhilfe (4,55),
Münchner Verein (4,41) und AXA (4,21) auf. Im Durchschnitt der vergangenen drei
Jahre waren unter den Krankenversicherungen mit einem Versicherungsbestand von
mindestens 100.000 Policen die Beschwerdequoten von AXA (6,45), Inter (5,97),
Münchner Verein (4,42), Hallesche (4,08) sowie Gothaer (4,01) am höchsten und
für HanseMerkur (0,03), DEVK (0,14), Provinzial (0,39), Württembergischen
(0,44) sowie R+V (0,60) am geringsten.
Kfz-Versicherung: Relativ viele Beschwerden über
Direktversicherer
Im Gegensatz zu den Sparten
Lebens- und Krankenversicherung zeichnet sich die Autoversicherung aufgrund
geringerer Hürden durch einen deutlich höheren Wechsel der Kunden aus.
Ausschlaggebend für einen Wechsel ist dabei häufig ein günstiger Preis der
Kfz-Haftpflicht- oder –Kaskoversicherung. Günstige Policen bieten häufig
Direktversicherer ohne Vermittler vor Ort oder aufgrund der Größenvorteile Versicherer
mit dem größten Bestand an. Den größten Bestand an Kfz-Policen haben die zur
HUK-Coburg gehörenden Versicherungsgesellschaften (HUK-Coburg Allgemeine, HUK Coburg) mit insgesamt 23 Millionen sowie die
Allianz Allgemeine (12,7 Millionen Verträge), die LVM Sach (6,8 Millionen
Verträge) sowie die VHV Allgemeine (6,2 Millionen Verträge).
Kunden beschweren sich häufig
bei der Schadensabwicklung – in der Regel, weil der Versicherer nicht oder
ihrer Ansicht ungenügend zahlt. Weil Direktversicherer stärker auf die Kosten
achten, sind sie häufig im Schadensfall weniger kulant – weshalb
Direktversicherer traditionell überdurchschnittlich hohe Beschwerdequoten
aufweisen. So auch im vergangenen Jahr. Relativ hohe Beschwerdequoten unter den
Autoversicherer haben dagegen traditionell die Direktversicherer. So auch im
vergangenen Jahr. Die höchste Beschwerdequote hat mit 5,73 Allianz direct, der
Direktversicherer des Allianzkonzerns. Es folgten die Direktversicherer Bavaria
direkt (4,53) und Verti (3,65), HDI
(3,07) und die Direktversicherer R+V Direkt (2,85) und Europa (2,38). Im
Durchschnitt der vergangenen drei Jahren haben R+V Allgemeine (6,01), Allianz
direct (5,91), Verti (3,65), Bavaria direkt (4,53) und R+V Direkt relativ zum
Versicherungsbestand die meisten Beschwerden. Die durchschnittlich geringsten
Beschwerdequoten der vergangenen drei Jahre haben unter den die Provinzial Nord
(0,07), GVV Direkt (0,18),
Württembergische Gemeinde (0,18), Öffentliche Feuerversicherung Sachsen-Anhalt
(0,24) und die BGV (0,25).
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