Aktiv gemanagte Fonds kosten ertragszehrende Gebühren - passiv verwaltete bieten wenig Chancen auf Überrendite. Factor-Fonds vereinen Stärken der beiden Strategien für den, der damit umzugehen weiß.
22.08.2018 | 15:28 Uhr
Factor-Investing boomt. Der zweiten Invesco Global Factor Study zufolge werden bis ins Jahr 2022 gut 17% der Privatanleger in Factor-Fonds allokieren. Momentan sind es nur sechs Prozent. Sie erreichen damit das Exposure institutioneller Anleger, die das Factor-Investing bereits lange für sich erschlossen haben und gut ein Fünftel ihrer Assets dort allokieren.
Der Vorteil von Smart-Beta-Strategien liegt auf der Hand. Sie vereinen geringe Kosten mit einer empirisch gesicherten Anlagestrategie und versprechen Investoren damit ein gutes Aufwands-Ertrags-Verhältnis. Der Ansatz klingt verführerisch einfach. Investoren nutzen eine oder mehrere Aktieneigenschaften, um gezielt die entsprechende Prämie abzuschöpfen. Er hat in der Praxis aber seine Tücken.
Smart-Beta ist nicht neu
Ganz gleich, was die Marketing-Abteilungen vieler Fondsanbieter propagieren: Factor-Investing ist keine Anlageinnovation. Die Idee, dass bestimmte Aktientitel aufgrund ihrer Eigenschaften eine bessere Chance am Markt bieten als andere, ist vermutlich so alt wie das Stock-Pickung selbst. Ihren Durchbruch hatte die Strategie in den neunziger Jahren als der Mathematiker Eugene Fama den Einfluss der Aktieneigenschaften Size und Value auf die Markt-Rendite eines Aktientitels nachwies. Ihr Anteil am Ertrag zählt daher nicht zum Alpha, das den Fähigkeiten des aktiven Fondsmanagers zugerechnet wird, sondern zum Beta - dem Anteil der Marktrendite. Da diese Eigenschaften vom Portfoliomanager über die Auswahl und Gewichtung angesteuert werden können, werden Strategien bzw. Fonds, die mit Faktoren operieren als Smart-Beta bezeichnet.
Wachstumsmarkt Factor-ETF
Im aktiven Fondsmanagement wird schon lange mit Faktor-Strategien operiert. Relativ neu ist dagegen, dass Faktoren auf der passiven Seite investiert werden können. „Factor-ETFs sind ein absoluter Wachstumsmarkt“, erläutert Dag Rodewald, Leiter Passive & ETF Sales Deutschland und Österreich bei der Schweizer Großbank UBS. Welches Potential in der neuen Strategie steckt zeigt ein Vergleich mit dem US-Markt. Hier stieg das Exposure in Smart-Beta-ETFs nach Angaben Invescos in den letzten fünf Jahren von 63 Mrd. USD auf 260 Mrd. USD. Im gleichen Zeitraum kletterte das in Europa angelegte Fondsvolumen der Smart-Beta-ETFs von 250 Mio. Euro auf 1,7 Mrd. Euro. Bisher eine überschaubare Größenordnung. Doch die Entwicklung soll anziehen. „Die Privatkunden in Europa entdecken zunehmend ETFs für sich“, ist sich Rodewald sicher, „bei Faktor ETFs aber stehen wir erst am Anfang, weil das Thema Factor-Investing immer noch erklärungsbedürftig ist“.
Risikoprämien systematisch abschöpfen
Wesentlicher Vorteil der Smart-Beta-ETFs ist, dass Anleger mit der gezielten Jagd auf bestimmte Risikoprämien Überrendite erzielen können - zusätzlich zur Marktrendite kann die jeweilige Faktorprämie verdient werden. Neben den beiden Faktoren, die Fama nachgewiesen hat, gelten heute noch eine Handvoll weiterer als empirisch belegt. „Bislang wurden über 300 Faktoren ausgemacht, durch die sich angeblich ein Mehrertrag generieren lässt“, erläutert Dr. Bernhard Breloer, Produktspezialist bei Robeco. Allerdings lieferten die wenigsten Faktoren einen signifikant höheren Mehrertrag, gibt Breloer zu bedenken. „Bei der UBS setzen wir für den amerikanischen Aktienmarkt und für Aktien der Eurozone bei Einzelfaktorlösungen auf Value, Low Volatility, Quality und Total Shareholder Yield, bei dem Dividenden- und Aktienrückkaufrenditen in einem Produkt kombiniert werden“, erläutert Rodewald den Ansatz der UBS, „diese Faktoren gelten als wissenschaftlich fundiert“. Der Zusammenhang von Marktphasen und Faktoren ist in zahlreichen Studien erforscht worden. „In der Korrekturphase erzielen Anleger mit Low Volatility und Dividendenrendite gute Ergebnisse, in der Recovery Phase funktionieren die Faktoren Size, Value sowie Low Volatility, in normaler Marktphase mit ordentlichem Wirtschaftswachstum und normaler Inflation bringen Momentum und Size Outperformance. Im Late Cycle, wo der Markt noch einmal gut performt, laufen Momentum und Quality überdurchschnittlich“, weiß der Produktspezialist der UBS. Gerade in dieser spezifischen Relation von Faktor und Markt liegt der Grund, warum Anleger besondere Sorgsamkeit walten lassen müssen.
Timing ist das Problem
Die Single-Faktor-ETFs bieten vielfältige Möglichkeiten sich am Markt zu bewegen. Um ihre Faktorprämie auszuschöpfen muss die aktuelle Marktphase allerdings korrekt erkannt werden. Im akkuraten Markt-Timing besteht daher die große Kunst des Factor-Investing. „Das Timing ist entscheidend. Es gibt kaum ein Jahr, in dem alle Faktor-Strategien gleich gut funktionieren“, sagt Breloer. Jede Single-Faktor-Strategie erfordert aus diesem Grund ein hohes Maß an Expertise. „Das Risiko bei einzelnen Faktoren ist das Timing. Wenn ich es als Fondsmanager nicht hinbekomme, rechtzeitig die Marktphase zu erkennen, kann ich die Prämie nicht oder nur zum Teil ausschöpfen“, schränkt Rodewald ein. In der Praxis erweist sich das als große Schwierigkeit. Denn um immer die optimale Faktor-Strategie zu fahren, müssten Investoren wissen, wie sich der Markt, in dem sie investiert sind, zukünftig entwickelt. Einzelstrategien eignen sich daher nur bedingt für Anleger, die sich das Markttiming nicht zutrauen, weil sie über wenig Zeit, Research oder Expertise verfügen.
Diversifikation mit Multifaktor-Strategien
Eine Lösung, die das Risiko der Einzelfaktor-Strategien reduziert, sind Multifaktor-Strategien. So lassen sich - je nach Anlegerziel - über die Auswahl von verschiedenen Single-Faktor-Fonds Faktoren kombinieren und so das Risiko minimieren. „Anleger könnten Faktoren, die in gegensätzlichen Phasen gut laufen, in einem Portfolio vereinen, um sich gegen Irrtümer im Marktcall abzusichern“, beschreibt Rodewald eine Strategie. Umgekehrt könnten Anleger, die sich sicher seien, in welcher Phase sich der Markt befinde, solche Faktoren kombinieren, die typischerweise gut laufen. „Wenn verschiedene Prämien miteinander kombiniert werden und auf eine klare Faktorausprägung gegenüber der Benchmark geachtet wird, dann zeigt sich über einen längeren Zeitraum, dass ein Mehrwert im Vergleich zum Marktindex erzielt werden kann“, erklärt Breloer den Nutzen der Multifaktor-Lösungen.
Daneben gehen immer mehr Fondsanbieter wie die UBS mit Multifaktor-Fonds in den Markt. In den Multi-Lösungen sind die verschiedenen Faktoren bereits zusammengefasst, was Anleger einerseits von marktspezifischen Umschichtungen befreit und andererseits das Ertrags-Risiko auffächert. Für Rodewald eignen sich die Multistrategien der UBS über Marktzyklen hinweg für langfristige Investments: „Wer einen Fonds einfach nur 15 oder 20 Jahre lang auf die Seite legen möchte, ist mit der Strategie gut bedient“, so Rodewald, der auf die Rentabilität seiner Produkte hinweist: „Seit 2001 hat der MSCI USA Select Faktor Mix im Vergleich zum breiten amerikanischen Aktienmarkt eine Überrendite von durchschnittlich etwas mehr als 200 Basispunkten pro Jahr erzielen können“.
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