Nach der teuren Bankenrettung in Folge der Finanzkrise sollte eine Finanztransaktionssteuer Banken an den Kosten der Krise beteiligen. Jetzt ist das ehrgeizige Projekt auf dem Weg zu einer reinen Strafsteuer für Aktionäre.
04.05.2020 | 15:10 Uhr von «Christian Bayer»
Die Idee der Finanztransaktionssteuer ist mehrere Jahrzehnte alt. Bereits 1972
hat der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler James Tobin eine Besteuerung
von Devisengeschäften vorgeschlagen. Nach der Finanzkrise 2008/2009 erhielt die
Idee einer einheitlichen Besteuerung von Finanztransaktionen in der EU, die die
nationalen Regeln ersetzen sollte, neuen Auftrieb. Davon hat sich der deutsche
Finanzminister Olaf Scholz nun endgültig verabschiedet. Aus Deutschland kommt
eine Kehrtwende um 180 Grad. Der neue Entwurf aus dem Bundesfinanzministerium,
der nach Brüssel geschickt wurde, sieht vor, dass nationalen Regelungen
beibehalten werden können, wenn die EU-Staaten einer Lösung im europäischen Rahmen
zustimmen. Diese würde nur dem Namen nach existieren, faktisch könnte jedes
Land in der Frage sein eigenes Süppchen kochen. Für den Bundesfinanzminister ist
der Plan, nationale Regelungen zuzulassen, allerdings weiterhin „ein erster
Schritt zum nötigen Grad der Harmonisierung“.
Genau betrachtet ist die aktuelle Finte des Finanzministers nicht sachlich,
sondern rein taktisch begründet. An den bisherigen deutschen Plänen zu einer
einheitlichen Regelung kam heftige Kritik von den europäischen Nachbarn. Besonders
der Nachbar Österreich hatte kritisiert, dass die Steuer eher Kleinsparer
trifft als Großspekulanten. Mittlerweile drängt die Zeit: Scholz ist dringend
auf Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer angewiesen. Denn die Gelder sind
für die Finanzierung der von der SPD initiierten und in der Koalition
beschlossenen Grundrente eingeplant. Zudem hat Scholz trotz Kenntnis der
heftigen Gegenwehr anderer europäischer Staaten immer wieder den Eindruck
erweckt, dass eine europäische Lösung unmittelbar bevorstehen würde. Am 1. Juni
beginnt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt würde
Scholz gerne Verhandlungsergebnisse vorlegen. Denn fehlt die Finanzierung,
könnte der Koalitionspartner CDU/CSU das Projekt der Grundrente erneut in Frage
stellen. Nach Wunsch der SPD soll die Einführung pünktlich zum 1. Januar 2021 starten.
Im Kern ist der neue Vorstoß alter Wein in neuen Schläuchen. Inhaltlich ist er eine
aufgewärmte Version eines Vorschlags, den Scholz mit seinem französischen
Kollegen Bruno Le Maire vor ein paar Monaten in die Diskussion eingebracht hat.
Brisant ist dabei vor allem, dass sich der Entwurf auf die Besteuerung von
Aktienkäufen und -verkäufen konzentriert. Geplant ist eine Steuer in Höhe von
0,2 Prozent des Volumens bei Käufen und Verkäufen von Aktien mit einer
Marktkapitalisierung ab einer Milliarde Euro. Dadurch sollen Einnahmen in Höhe
von 1,5 Milliarden Euro in die deutsche Staatskasse fließen. Handelspraktiken
der Banken wie Intraday- und Hochfrequenzhandel würden ebenso wenig besteuert
wie der Handel mit Derivaten.
Auch der aktuelle Vorschlag von Scholz stößt auf wenig Gegenliebe. Kritik kommt nicht nur aus den Reihen der Union. „Statt einer einheitlichen europäischen Lösung will der Bundesfinanzminister nun ein Nebeneinander unterschiedlicher nationaler Lösungen ermöglichen“, so Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament. Aus seiner Sicht würde das zu einem Flickenteppich führen, der der europäischen Kapitalmarktunion Schaden zufügt. Auch die Fondsbranche findet deutliche Worte. „Dass Olaf Scholz ausgerechnet in diesen Tagen einen erneuten Vorstoß zur Einführung einer Aktiensteuer wagt, passt nicht zu den bisherigen Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung. Perspektivisch wäre es besser, über Entlastungen für Sparer und Wirtschaft nachzudenken. Zum Beispiel sollte der Solidaritätszuschlag für alle und auch auf Kapitalerträge abgeschafft werden“, so der BundesverbandInvestment und Asset Management (BVI). Der Verband kritisiert, dass durch eine Aktiensteuer in der aktuellen Krise der Realwirtschaft der Zugang zu Kapital erschwert würde. Zudem würden der Finanzindustrie durch die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer zusätzliche Lasten aufgebürdet.
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