Gestern diskutierten Experten auf dem TiAM Fund Forum Hybrid in München Herausforderungen und passende Strategien für die kommenden Monate. FundResearch berichtete bereits live. Hier folgt der Bericht zum zweiten Teil der Veranstaltung.
08.07.2022 | 07:20 Uhr
Das TiAM Fund Forum Hybrid 2022 fand gestern im Haus der Bayerischen Wirtschaft statt. Vertreter von Fondsgesellschaften stellten ihre Sicht auf die Wirtschaft und die passenden Investmentlösungen vor. Vom Vormittag berichtete FundResearch bereits. Hier folgt Teil 2…
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Nach einer kurzen Pause um 12 Uhr geht Andreas Fitzner von der Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz auf die geldpolitische Zeitenwende und deren Implikation für die Börse ein. „Wir hatten uns lange Zeit daran gewöhnt, das die Notenbanken die Wirtschaft und den Kapitalmarkt gerettet haben. Das ist nun vorbei. Die Fed wird den Finanzmärkten nicht mehr auf die Beine helfen. Zum ersten Mal in diesem Jahrhundert“, so Fitzner. Die Zeit des billigen Geldes sei vorbei. Die Erfolgsrezepte der vergangenen 40 Jahre funktionierten nicht mehr. Fitzner geht davon aus, dass die Kapitalmärkte längerfristig mit dieser Situation zu tun haben würden. Eine Bewertungsanpassung habe bereits stattgefunden. Eine konjunkturelle Anpassung würde noch folgen. Diese werde eine weitere Wirkung auf die Börsen haben. Die Ausrichtung des Phaidros Fonds sei entsprechend angepasst worden. Defensive Investments, insbesondere die Fokussierung auf Qualitätsaktien sowie die Aufstockung der Cashreserven und des Goldanteils seien derzeit Teil der Anlagestrategie. Jetzt gehe es darum, bei den Aktien verlässliche Unternehmen mit Preissetzungsmacht im Portfolio zu haben. Auf der Anleiheseite ist Fitzner optimistisch, dass man die Duration demnächst vorsichtig verlängern könne.
Nach der Mittagspause folgt ein weiteres Highlight der Veranstaltung: Herausgeber Frank-B. Werner stellt dem renommierten Ökonomen Michael Böhmer grundlegende Fragen zur weiteren Entwicklung der Republik vor dem Hintergrund der aktuellen Gaskrise und der stark anziehenden Inflation. Böhmer nimmt bei seinen Antworten kein Blatt vor den Mund. Einige Entscheidungen der deutschen Regierung sieht der Volkswirt durchaus kritisch. So sei etwa die Deckelung der Benzinpreise ein Flop. Besser sei es, bedürftigen Haushalten direkt zu helfen. Auch für die Geldpolitik der EZB hat Böhmer nur begrenzt Verständnis. Die Notenbank habe vor Monaten die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt. Nun sei sie mit der neuen Realität konfrontiert und stehe vor einem neuen Problem: dem Auseinanderdriften der Spreads bei Eurostaatsanleihen. Wie die EZB die unterschiedliche Entwicklung in den südlichen und nördlichen Staaten der Eurozone in den Griff bekommen wolle, müsse sich zeigen. Wenig zuversichtlich ist der Volkswirt auch beim Thema Gaslieferungen: Ob Russland nach den für elf Tage angesetzten Wartungsarbeiten der Pipeline Nordstream 1 den Normalbetrieb wieder aufnehme, sei völlig offen. Sicher sei: Für die deutsche Industrie hätte ein Wegfall der Gaslieferungen drastische Folgen. Er sei normalerweise Optimist, so Böhmer. Bei diesem Thema falle ihm dies zunehmend schwer. Aber man solle die Flinte nicht vorzeitig ins Korn werfen, sondern mit Nachdruck an Lösungen arbeiten.
Candida de Silva, Executive Director und Senior Portfolio Specialist bei Morgan Stanley, geht anschließend in ihrem Vortrag darauf ein, wie sich Nachhaltigkeit und Quality-Investment in Einklang bringen lassen. Sie stellt mit dem Global Sustain Fonds ein ESG-integriertes globales Aktienportfolio vor und erklärt, wie Morgan Stanley durch starkes Engagement dazu beitrage, den ohnehin vorzugsweise geringen Kohlenstoffausstoß der im Portfolio enthaltenen Qualitäts-Unternehmen weiter zu reduzieren. Die Portfoliomanagerin legt überzeugend dar, warum das Portfolio des Fonds im Vergleich zu anderen ESG-integrierten Portfolios eines der hochwertigsten sei. So unterscheide sich etwa dessen Branchenverteilung zum Teil deutlich vom MSCI World Index. Informationstechnologie zum Beispiel sei im Vergleich zum Index deutlich übergewichtet. Ein weiterer Punkt sei die Fokussierung auf große Unternehmen mit starker Marke und großer Preissetzungsmacht - Unternehmen, die zudem stark in digitale Prozesse investieren und ihren CO2-Fußabdruck gezielt reduzieren. Auf Nachfragen aus dem Publikum antwortet de Silva souverän und stringent. Ihre klare Fokussierung auf Qualität und Nachhaltigkeit macht es ihr dabei einfach.
Gunnar Herm von UBS Real Estate wirft einen Blick auf den Markt für Gewerbeimmobilien. Dieser sei trotz oder sogar wegen der Krise äußerst stabil. Inflation sei zwar für Wohnimmobilien ein Problem. Die Mieten von Gewerbeimmobilien seien per Vertrag in der Regel jedoch an die Entwicklung der Inflation gekoppelt. Auch die Vermietungsquoten seien stabil, ebenso wie die Nachfrage von gewerblichen Mietern nach Immobilien in Top-Lagen. Gleichzeitig habe sich das Bewertungsniveau etwas gesenkt. Für Herm sind dies Einstiegs-Chancen. Der Gewerbeimmobilienmarkt sei aus Käufersicht und damit auch aus Sicht des UBS Fondsmanagements nun erneut interessant, da sich mit Immobilien wieder höhere Renditen erwirtschaften ließen. Voraussetzung dafür: eine Konzentration auf Qualitäts-Immobilien in Top-Lagen in attraktiven Innenstädten wie Paris oder Barcelona. Immerhin sei der Arbeitsort auch ein wesentlicher Bestandteil des eigenen Lebens. In hochpreisigen Städten sei ein attraktiver Arbeitsplatz also auch ein wichtiger Faktor bei der Rekrutierung von hochqualifizierten Arbeitskräften, so Herm.
Walter Liebe von Pictet führt die anwesenden Vermögensverwalter und Finanzberater mit viel Hintergrundwissen in das weite Feld des Themas Ernährung ein. Auf dem Weg zur Lösung all der ökologischen, ökonomischen, politischen und auch gesundheitlichen Herausforderungen werde das Thema Ernährung von mehreren kraftvollen Megatrends langfristig unterstützt, so Liebe. Da sei etwa die demographische Entwicklung: Die immer noch schnell wachsende Weltbevölkerung benötige immer mehr Lebensmittel, die sowohl gesund sind als auch ökologisch produziert würden. Ein weiterer Treiber sei das Thema Gesundheit: Mangel- und ungesunde Ernährung seien Hauptursachen für zahlreiche Krankheiten und belasteten unnötig unsere Gesundheits- und Sozialsysteme, während Konsumenten immer mehr auf gesunde und sichere Lebensmittel und deren Herkunft achteten. Auch das Thema Globalisierung spiele hier hinein: Die Lieferketten der Lebensmittelindustrie und die Konsum- bzw. Ernährungsgewohnheiten auf der globalen Ebene veränderten sich, während zumindest teilweise ein Umdenken zugunsten regionaler Produkte und kürzerer Lieferketten einsetze. Ein weiteres Megathema sei technologische Entwicklung: In der Lebensmittelindustrie könnten technologische Innovationen dazu beitragen, die Ressourceneffizienz signifikant zu verbessern. Präzisionslandwirtschaft, „Vertical Farming“ und pflanzenbasierte Fleischalternativen stünden hier besonders im Fokus. und da sei zu guter Letzt auch das Thema Nachhaltigkeit: Zur Lösung der vielfältigen ökologischen Probleme könne und müsse die Lebensmittelindustrie maßgeblich beitragen, indem der Verbrauch von Land, Wasser, Energie und chemischen Stoffen optimiert bzw. reduziert und die biologische Vielfalt geschützt werde.
Den furiosen Schlusspunkt der Veranstaltung setzt Oswald Metzger. „Wenn man zur Ampel etwas sagt, muss man die Hintergründe zur Wahl erklären“, sagt der Publizist, ehemalige Grünen-Politiker und späteres CDU-Mitglied. Die FDP sei von vielen als liberales Korrektiv zur CDU oder Rot/Grün gewählt worden. Diese Rolle habe die FDP in der Koalition mit SPD und Grünen jedoch bisher nicht erfüllt. Lindner sei nun ein Schulden-Finanzminister. Er müsse gute Miene zu einem bösen Spiel machen, das er vor der Wahl noch kritisiert hätte. Eine Komplettverbiegung sei schließlich das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr. Auch das Gas-Dilemma sei zu großen Teilen hausgemacht. Es gebe zwar aktuelle Faktoren, die zu der derzeitigen Energiekrise geführt hätten. Der ganz große Fehler sei jedoch schon vor Jahren gemacht worden. Man habe auf das falsche Pferd gesetzt. Im Rahmen der Lösung der Krise sei Wirtschaftsminister Robert Habeck zwar ein guter Kommunikator. Doch er bleibe einerseits ideologisch gefangen in seiner Argumentation und präsentiere andererseits Alternativen wie LNG aus Katar und Atomkraft aus der Ukraine. Aus ihren Zwickmühlen kämen Habeck und Lindner vermutlich nicht mehr heraus. Überhaupt: Deutschland habe sich seit vielen Jahren in eine jetzt aktuell schwierige Situation gebracht – nicht nur in der Frage der unsicheren russischen Gaslieferungen. Die Regierung versuche nun mit einigen Finanzierungstricks, die verschiedenen offenen Baustellen zu schließen. Bildung, Arbeitsmarkt, soziale Ungerechtigkeiten, Demografie, Digitalisierung, misslungene Sozial- und Steuerpolitik und jetzt auch noch die Folgen des Ukrainekrieges: Unterm Strich zeichnet Metzger ein insgesamt düsteres Bild für das Land – und lässt das Auditorium damit am Ende allein. Kein Happy End. Auch das muss es wohl mal geben.
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