Der Trump-Triumph bewegt die Märkte. Um einen Überblick zu den Folgen des Wahlsiegs des Republikaners zu erhalten, fasst TiAM FundResearch die wichtigsten Aussagen zu Aktien, Anleihen und Kryptowährungen für Sie zusammen.
06.11.2024 | 11:45 Uhr von «Peter Gewalt»
Gordon
Shannon, Portfolio Manager bei TwentyFour Asset Management, einer Boutique von
Vontobel, kommentiert:
„Bislang
folgen die Märkte dem Spielplan nach Trumps Sieg von 2016 - Aktien steigen,
während langlaufende US-Staatsanleihen in der Erwartung einer fiskalischen
Expansion verkauft werden. Wir gehen davon aus, dass sich die Aufmerksamkeit
auf die inflationären Auswirkungen der Zölle und der
Einwanderungsbeschränkungen verlagern wird. Die FED hat eine Äußerung zur
Wahrung ihrer Neutralität und Unabhängigkeit bisher vermieden. Aber ihre
Reaktion auf diese Maßnahmen wird entscheidend sein, wohin sich die Vermögenspreise
entwickeln.“
Joseph V. Amato, CIO – Equities bei dem amerikanischen
Asset-Manager Neuberger Berman, analysiert:
„Ganz
allgemein liegt die Vermutung nahe, dass Trump die Wirtschaft etwas stärker
wachsen lassen könnte, allerdings dürfte sich auch die Inflationsproblematik
nochmal verschärfen. Für Investoren dürften bei einem Sieg Trumps insbesondere
Small Caps, Mid Caps und stark regulierte Sektoren wie Energie, Elektrizität,
Industrie und Finanzen profitieren. Für Anleiheinvestoren könnte aufgrund neuer
Inflationssorgen dieses Szenario eher unschöne Folgen haben.“
Björn
Jesch, Global Chief Investment Officer, DWS, meint zu den US-Wahlen:
„Stand
Mittwochmorgen gehen wir davon aus, dass Donald Trump mit hoher
Wahrscheinlichkeit der nächste Präsident wird, und dass der Senat in die Hände
der Republikaner fällt. Haben die Märkte damit alle Informationen, die sie
brauchen? Nein, denn sollte, wovon wir derzeit noch ausgehen, das
Repräsentantenhaus demokratisch bleiben, dann dürften insbesondere die
Steuerkürzungspläne von Trump deutlich moderater ausfallen.
Wir sind sehr vorsichtig damit, die unmittelbare Marktreaktion vorher zu sagen. Auch wenn das grundlegende Sentiment ist, dass die Märkte Trumps Wirtschaftspolitik den Vorzug geben würden, gibt es eine Handvoll Gründe, diese Wahl nicht als Anlass einer vermeintlichen Jahresendrally zu deuten:
1. Trump kommt, anders als vor acht Jahren, diesmal nicht überraschend für die meisten Anleger.
2. Die Märkte haben daher über die vergangenen Monate in Summe bereits einen Sieg Trumps eingepreist, den sogenannten Trump-Trade. Wir erwarten mittelfristig sicher keine Umkehr dieses Trades, aber er begrenzt eben auch weiteres Aufwärtspotenzial für gewisse Anlageklassen.
3. So knapp wie die letzten Wahlumfragen waren, muss man davon ausgehen, dass sich, zugespitzt gesprochen, 100 Prozent der Wähler als potenzielle Sieger der Wahl gesehen haben. Mit anderen Worten: halb Amerika ist heute unzufrieden. Dazu kommt unseres Erachtens diesmal eine besonders fragile Übergangsperiode zwischen Wahl und Amtseinführung im Januar, die für Marktvolatilität sorgen könnte.
[...]
Zu den sektoralen Gewinnern zählen vor allem jene Sektoren, die von potenziellen Steuerkürzungen und Deregulierung profitieren würden: (regionale) Finanzwerte, Kommunikations- und Ölunternehmen etwa. Auch wenn wir nicht damit rechnen, dass Bidens Inflation Reduction Act kippen wird, dürften Erneuerbare Energien weiter unter Druck bleiben. Vom Gesundheitssektor wiederum könnte etwas Druck genommen werden.
Europa:
Auch europäische Anlagen werden von einem Sieg Trumps beeinflusst. Neben den zu erwartenden Handelsrestriktionen ist es insbesondere die Unsicherheit über ihren Eintritt und ihr Ausmaß, welche die Investitionsfreude der Unternehmenslenker senken sollte. Wir werden unsere europäischen und insbesondere die deutschen Wachstumsraten für 2025 daher leicht reduzieren. Als positiv könnte man die Hoffnung äußern, dass eine weitere Trump-Präsidentschaft den Reformwillen in Brüssel und Berlin vorantreiben könnte.
Asien:
Wir denken, dass der Trump-Trade auch auf chinesischen Aktienmärkten schon zu spüren war. Auch wenn das Land eines der größten Verlierer von Trumps Wahl sein dürfte, könnte die Hoffnung auf höhere Stimulipakete Pekings für etwas Beruhigung an den dortigen Aktienmärkten sorgen.
Dr.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, wertet die Ergebnissen wie folgt:
„Amerika hat
ohne Störungen gewählt und ein Ergebnis steht fest – das ist für Wirtschaft und
Finanzmärkte erstmal ein Grund zur Erleichterung. Damit ist ein Teil der
politischen Unsicherheit in der größten Volkswirtschaft der Welt gelöst;
übrig bleibt die Unsicherheit über die Umsetzung des Wahlprogramms eines
Präsidenten Trump. Diese können in den kommenden Wochen die Finanzmärkte
bewegen, werden sich allerdings im Verlauf der kommenden Monate ebenfalls
reduzieren. Es war immer klar, dass die eigentlichen Problemthemen einer
erneuten Trump-Präsidentschaft weniger in der Ökonomie liegen, sondern auf den
Feldern der Innen- und Geopolitik. Sollten beide Kammern des Parlaments
republikanisch werden, könnte ein Präsident Trump auch viele seiner
wirtschaftlichen und innenpolitischen Vorstellungen durchsetzen.
Dr. Heinz-Werner Rapp,
Gründer und Leiter des FERI Cognitive Finance Institute, sieht neue Risiken für Weltwirtschaft und Finanzsystem:
Trump strebe bei seiner zweiten Präsidentschaft einen umfassenden „Power Grab“
an, der auch vor der Neutralität der US-Notenbank nicht haltmache. „Trump will
direkte Kontrolle der Zins- und Währungspolitik. Das bedroht die Integrität des
US-Finanzsystems und erzeugt globale Unsicherheit “, warnt Rapp. Auch die Rolle
des US-Dollars als globale Ankerwährung werde perspektivisch gefährdet. Hinzu
komme die von Trump geplante Einführung hoher US-Zölle, was für Europa und die
Weltwirtschaft hohe Belastungen nach sich ziehe.
„Die Vielzahl dieser neuen Risiken haben wir in unserer Analyse ‚Trump
reloaded‘ bereits im Januar 2024 deutlich benannt. Große Teile dieses Szenarios
werden jetzt wohl definitiv Realität,“ erklärt Rapp. Unternehmer, Investoren
und Marktteilnehmer seien gefordert, die ökonomischen wie auch die
geopolitischen Folgen von ‚Trump 2.0‘ von nun an laufend zu bewerten und
einzupreisen.
Thorsten Weinelt,
Chief Investment Officer bei der Commerzbank, analysiert:
„Der
voraussichtliche Sieg Donald Trumps bei den Präsidentschaftswahlen in den USA
ließ heute früh die Renditen der amerikanischen Staatsanleihen ansteigen. Auch
im Euroraum dürfte im Laufe des Vormittags mit höheren Renditen zu rechnen
sein. Trumps politische Agenda könnte die US-Verschuldung weiter kräftig in die
Höhe treiben. Dies sollte den Kursdruck auf Anleihen verstärken, also für
höhere Renditen sorgen."
Jean-Marie
Mognetti, CEO des größten europäischen Krypto-Vermögensverwalters CoinShares,
ist überzeugt, dass die US-Wahl enorme Auswirkungen auf die globale
Krypto-Szene haben wird:
„Bitcoin hat ein neues
Allzeithoch von 75.000 US-Dollar erreicht. Mit dem Schwung, den Trumps Kampagne
erzeugt hat und seinem voraussichtlichen Sieg, gibt es eine klare Chance für
Bitcoin und die breitere Kryptowährungsbranche, unter der unterstützenden
Haltung der Republikaner zu florieren. Die globale Krypto-Adoption scheint nun
noch unvermeidlicher. Ein neuer Bullenmarkt steht bevor.“
Robert
Greil, Chefstratege bei Merck Finck, analysiert die Resultate wie folgt:
„Was bedeutet ein
solches Ergebnis nun? Bewahrheitet sich die Aussicht auf den „Red Sweep“, würde
es diese Konstellation Donald Trump ermöglichen, mehr von seinem Programm,
einschließlich fiskalischer Maßnahmen wie Steuersenkungen, umzusetzen als er es
während seiner ersten Amtszeit konnte.
Grundsätzlich könnte eine Trump-Führung neben einer weiteren Senkung der Körperschaftssteuer vor allem Gewinne bei Öl- und Gas-, Finanz- und Telekommunikationswerten bedeuten, da die zu erwartende Deregulierung diesen Branchen zugute käme. Sie könnte sich auch - zumindest anfangs - positiv auf die US-Aktien im Allgemeinen auswirken, da sie zu einem fiskalischen Impuls und damit zu einem höherem Wirtschaftswachstum führen könnte, was möglicherweise Industriewerte stützen würde. Die Auswirkungen auf Technologieunternehmen dürften differenzierter sein, da eine gewisse Unsicherheit über mögliche kartellrechtliche Maßnahmen besteht, aber auch Steuersenkungen die Investitionen ankurbeln könnten, was unter dem Strich positiv sein dürfte.
An den Märkten rechnen wir In den kommenden Wochen mit politisch bedingter kurzfristiger Volatilität. Historische Daten unterstreichen allerdings, dass auf längere Sicht die Bedeutung der wirtschaftlichen Fundamentaldaten größere ist als kurzatmige politische Debatten. Historische Daten von 1936 -2023 zeigen auch, dass in Jahren mit einem vereinten Kongress die durchschnittliche jährliche Performance des S&P 500 mit +12% geringer war als in den geteilten Kongressjahren mit 15-16%.
[...]
Eine leichte Übergewichtung haben wir bei Aktien, die wir außerdem mit einer Präferenz für kurzlaufende Staatsanleihen und Unternehmensanleihen guter Bonität kombinieren, während wir risikoreichere Anleihen untergewichten. In unserer langfristigen, strategischen Vermögensallokation halten wir auch Gold, Rohstoffe und hochwertige Staatsanleihen, da wir der Meinung sind, dass sie eine Reihe von geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken sowie einen möglichen Anstieg der generellen Unsicherheit abfedern können.“
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