Donald Trumps Wahlsieg hat viele überrascht. Doch welche Folgen hat das Wahlergebnis auf die Finanzmärkte? TiAM FundResearch fasst die neusten Analysen der Experten für Sie zusammen.
06.11.2024 | 16:40 Uhr von «Peter Gewalt»
Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt Bantelonm, und Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist Bantleon, analysieren die Auswirkungen der Wahl auf die Asset-Allocation:
„Die zentrale Schlussfolgerung aus dem republikanischen Durchmarsch ist, dass sich die globalen Inflationsrisiken tendenziell erhöhen, während die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft weniger eindeutig sind. Möglicherweise werden hier die negativen Fol-gen eines Handelskriegs durch eine expansivere Fiskalpolitik kompensiert. Per saldo nimmt der Spiel-raum für ausgeprägte Leitzinssenkungen der Noten-banken ab. Für Staatsanleihen sind dies negative Botschaften. Dies gilt umso mehr, als die Angst vor einer überbordenden Staatsverschuldung weiter zunehmen und die Investoren höhere Laufzeitprämien verlangen dürften. Bereits im Vorfeld der Wahl hatten die steigenden Umfragewerte von Trump diese Befürchtungen befeuert. Wir empfehlen daher auch in der strategischen Ausrichtung (Zeithorizont mehr als drei Monate) nunmehr die Durationsrisiken zu reduzieren, d.h., US-Treasuries und Bundesanleihen nur noch »neutral« zu gewichten. Im taktischen Bereich (Zeithorizont ein bis drei Monate) hatten wir diesen Schritt bereits Anfang Oktober vollzogen
Für die globalen Aktienmärkte dürften sich die positiven (robuste Weltwirtschaft) und negativen Impulse (weniger Leitzinssenkungen) die Waage halten. Klar ist, dass die Trump’schen Massnahmen vor allem den US-Märkten helfen werden, während sie die europäischen und asiatischen Märkte tendenziell belasten. Obwohl wir in Europa und Asien mittelfristig das größere Aufholpotenzial sehen, haben wir daher unsere Übergewichtung in diesen Bereichen bereits im vergangenen Monat zurückgenommen. Umgekehrt verfahren wir mit Blick auf US-Aktien und sind hier wieder »neutral« positioniert. Die angekündigten Steuersenkungen sollten überdies speziell kleineren und mittleren Unternehmen zugutekommen, die gleichzeitig weniger unter einem Handelskrieg leiden. Small und Mid Caps dürften daher gegenüber Large Caps outperformen
Die perspektivisch steigenden Inflationsrisiken machen schließlich Linker wieder interessant, weshalb wir hier ein moderate Übergewichtung vornehmen. Bei den Spreadprodukten (unter anderem Unternehmensanleihen) sehen wir derzeit keinen Anpassungsbedarf. Chancen und Risiken halten sich hier in den meisten Fällen die Waage. Lediglich von High Yields raten wir weiterhin ab, steigende Zinsen sind Gift für die schlummernden Bonitätsrisiken. Schließlich liefert das sich abzeichnende Umfeld viele Argument für den – eigentlich überbewerten – USD, weshalb wir uns auch hier »neutral« positionieren.
Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg und Dr. Felix Schmidt, Senior Economist bei Berenberg, analysiert:„Trump steht für eine gewisse Deregulierung (u. a. mehr Öl- und Gasbohrungen), niedrigere Steuern, höhere Zölle und eine harte Linie bei der Einwanderung. Während Zusatzzölle zu höheren Preisen für Verbraucher führen werden, dürften die Deregulierungen zumindest kurzfristig zu einem Wachstumsschub führen. Hinzu kommt, dass Trump aufgrund der voraussichtlichen Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses die Möglichkeit hat, Steuern zu senken, für Unternehmen möglicherweise sogar wie angekündigt von 21 Prozent auf 15 Prozent zu senken. Dies würde die Konjunktur zusätzlich ankurbeln.
[…]
Längerfristig
würden jedoch höhere US-Zölle, Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder und eine
mögliche Aushöhlung der Institutionen unter Trump das Trendwachstum in den USA
schwächen. Sollte die Staatsverschuldung noch schneller steigen als bisher,
würden zudem die fiskalischen Risiken zunehmen. Allerdings dürften die USA als
sicherer Hafen in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten zunächst weiterhin
Kapitalzuflüsse anziehen. Die USA dürften daher noch eine ganze Weile mit hohen
Haushaltsdefiziten leben können, bevor die Anleihemärkte dem Land dereinst in
Form stark steigender Risikorenditen die gelbe Karte zeigen."
Charlotte Daughtrey von Federated Hermes meint:
„Unabhängig des Wahlergebnisses sind wir der Ansicht, dass Qualitätsunternehmen
weiterhin erfolgreich sein werden. Anlegern, die sich Sorgen aufgrund der
Volatilität machen, könnte eine Ausrichtung auf Qualitätswerte - wie schon in
der Vergangenheit - Schutz vor Abwärtsbewegungen in turbulenten Marktphasen
bieten."
„Wir gehen davon aus, dass die Zinssätze in den nächsten 12-18 Monaten um 150
Basispunkte gesenkt werden, sofern keine geopolitischen oder wirtschaftlichen
Probleme auftreten."
Dr, Jörg Krämer, Chefvolkswirt
Commerzbank erwartet einen verschärfte Steuerwettbewerb:
„Donald Trump hat angekündigt,
den Satz für die Körperschaftssteuer von gegenwärtig 21 Prozent auf 15 Prozent
zu senken. Nach den Erfahrungen seiner ersten Präsidentschaft dürfte er diesen
Plan weitgehend in die Realität umsetzen. Damit geriete Deutschland mit einem
Körperschaftssatz von durchschnittlich knapp 30 Prozent (inklusive Gewerbesteuer)
weiter in die Defensive. Bereits heute landet Deutschland nach dem Länderindex
des Verbands der Familienunternehmen bei Unternehmenssteuern verglichen mit 20
anderen Industrieländern nur auf dem 18. Platz (Chart). Der Sieg Trumps dürfte
also den Steuerwettbewerb verschärfen und den Trend unterstützen, dass deutsche
Unternehmen zunehmend Produktion in die USA verlagern.“
Blair Couper, Investment
Director bei abrdn, meint:
„Längerfristig wird ein
Wahlsieg Donald Trumps wahrscheinlich ein lockereres regulatorisches Umfeld,
eskalierende Handelszölle und mögliche Versuche, Teile des Inflation Reduction
Act (IRA) aufzuheben, bedeuten. Die Märkte haben die Wahrscheinlichkeit eines
Wahlsiegs von Donald Trump bereits eingepreist, aber es sieht so aus, als
würden die Republikaner auch den Kongress erobern, was es der Partei
erleichtern würde, ihre politische Agenda durchzusetzen.
Wir gehen davon aus, dass in
diesem Szenario Sektoren unter Druck geraten könnten, die stärker von
Zollerhöhungen betroffen sind, sowie Bereiche der IRA, die sich leichter
aufheben lassen, was vor allem europäische Automobilhersteller,
Elektrofahrzeuge und die Offshore-Windkraft treffen würde.
Die Aktienkurse von
US-Unternehmen mit Lieferketten in China dürften ebenfalls negativ reagieren,
während die heimische Industrie und US-Unternehmen mit kleiner und mittlerer
Marktkapitalisierung eine Outperformance erzielen dürften. Mit Präsident Donald
Trump an der Spitze sehen sich die USA auch mit erhöhten Inflationsrisiken
konfrontiert, so dass zinssensitive Sektoren reagieren werden und der Dollar
aufwerten dürfte.
Sektoren wie der Finanzsektor
(z. B. Banken) könnten sich gut entwickeln, wenn die Zinsen länger hoch
bleiben. Während Sektoren wie Immobilien und Wachstumsaktien von einer längeren
Duration negativ betroffen sein dürften, wird dies wahrscheinlich durch die
positiven Aussichten für die Märkte insgesamt aufgrund seiner Politik
ausgeglichen, so dass wir noch nicht wissen, ob diese Sektoren negativ
betroffen sein werden oder nicht.“
Tim Murray, Kapitalmarktstratege, T. Rowe Price, analysiert Gewinner und Verlierer des Wahlsieges von Donald Trump:
„Die Kenntnis über die
Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen sollten die Unsicherheit für die
Märkte und die Wirtschaft beseitigen, was dazu beitragen könnte, die
Risikobereitschaft der Anleger zu erhöhen. An den Aktienmärkten könnten
US-Small-Caps von Trumps Sieg profitieren, insbesondere wenn seine Regierung
die Regulierung zurückfährt und eine weichere Haltung bei Fusionen und
Übernahmen einnimmt. Kleine Unternehmen waren im Vorfeld der Wahl vorsichtig,
sodass mehr Klarheit in der Politik sie dazu veranlassen könnte, ihre
Lagerbestände wieder aufzufüllen und ihre Geschäftsausgaben zu erhöhen. Das
Potenzial für weitere Senkungen der Unternehmenssteuern und für eine Lockerung
der Geldpolitik durch die Fed wäre ebenfalls Rückenwind. Aus Branchensicht sind
die Wahlergebnisse für den Energiesektor wahrscheinlich gemischt. Während Öl-
und Gasunternehmen von einem freundlicheren regulatorischen Umfeld profitieren
könnten, könnten Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien unter Druck
geraten, da befürchtet wird, dass Teile des IRA aufgehoben werden könnten.
In anderen Bereichen könnten Finanzwerte von der Hoffnung profitieren, dass eine Trump-Regierung einen weniger strengen Ansatz in Bezug auf Regulierung und Aufsicht verfolgen würde. Die potenziellen Auswirkungen der Handels- und Einwanderungspolitik von Trump auf die Inflation werden mittelfristig zu beobachten sein. Höhere Inflationserwartungen könnten die Anleiherenditen weiter in die Höhe treiben und die Bewertungen belasten, die Aktienanleger bereit sind, für die zukünftigen Cashflows von Unternehmen zu zahlen. Handelsspannungen könnten auch zu Volatilität in den betroffenen Branchen und Märkten führen. Unabhängig davon, welche Vereinbarung über die auslaufenden TCJA-Steuersenkungen getroffen wird, könnte dies zu mehr Volatilität bei Auktionen von US-Staatsanleihen führen, wenn die Nachfrage durch Angebote bestimmter Laufzeiten überfordert wird. In Bezug auf den US-Dollar ist der Ausblick ungewiss. Obwohl Trump sich für eine schwächere Währung ausgesprochen hat, könnten einige seiner vorgeschlagenen Maßnahmen, wie z. B. Zollerhöhungen, zu einer Aufwertung des Dollars führen. Aber auch andere Faktoren werden eine Rolle spielen, darunter die Lockerungspolitik der Fed und die Wirtschaftsleistung der USA im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften weltweit. Insgesamt ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, um eine Prognose für den Dollar abzugeben. Aber sein Status als Weltreservewährung wird sich wahrscheinlich nicht ändern.
Stefan Eppenberger, Chief
Investment Strategist bei Vontobel, kommentiert das US-Wahlergebnis wie folgt:
„Die Reaktion der Finanzmärkte
auf Trumps Wahlsieg verlief wie erwartet: grundsätzlich positiv, jedoch mit
weniger starken Ausschlägen als 2016, da Trumps Sieg diesmal weniger
überraschend kam. Die US-Aktien-Futures handeln etwa 1,8 Prozent höher, während die Märkte
in Europa und China verhalten reagieren. Die Rendite für 10jährige
US-Staatsanleihen stieg auf über 4,4 Prozent, was auch den US-Dollar um rund 1 Prozent stärkte (handelsgewichtet). Öl reagierte leicht negativ, Gold notierte tiefer,
und Bitcoin sowie andere Kryptowährungen waren deutlich positiv.
Die Präsidentschaft von Trump dürfte durch expansive Fiskalpolitik und Deregulierung Wachstumsimpulse setzen, was potenziell positiv für Aktien im Vergleich zu Anleihen wäre. Übermäßiges Wirtschaftswachstum birgt jedoch Risiken. Es könnte zu höheren Zinssätzen führen, was ab einem gewissen Niveau Risiken für die Wirtschaft und die Aktienmärkte mit sich bringen würde. Sektorenspezifisch dürften Energie- und Finanztitel von einer lockeren Regulierung profitieren.”
Zum jetzigen Zeitpunkt werden wir keine Änderungen an unserer Vermögensallokation vornehmen. Angesichts der hohen wirtschaftlichen Unsicherheiten bleiben wir bei Aktien neutral positioniert, behalten jedoch eine Übergewichtung in Gold und eine Untergewichtung in Anleihen bei. Innerhalb des Anleihesegments bevorzugen wir Schwellenländeranleihen gegenüber Hochzinsanleihen.”
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