TiAM FundReseach: Herr Hesche, als Sie den ACATIS Value Event Fonds im Februar nach dem
Ausscheiden der Fondsberater Uwe Rathausky und Henrik Muhle übernommen haben,
gab es ein großes mediales Echo. Wie stark hat Sie das unter Druck gesetzt?
Johannes Hesche: Es war erstmal ein komisches Gefühl, dass meine
Person plötzlich so im Mittelpunkt stand. Das war ich nicht gewohnt, und das
war auch definitiv nicht mein Wunsch. Druck habe ich aber dennoch nicht
gespürt, eher ein sehr großes Verantwortungsgefühl gegenüber unseren
Investoren. Denn ich habe ein sehr gutes Portfolio übernommen, mit tollen
Unternehmen und einer Strategie, mit der ich mich persönlich sehr
identifizieren kann.
Sie hatten damals versprochen, dass Sie „den Fonds
kontinuierlich und mit ruhiger Hand weiterführen, so wie es die Anleger von uns
gewohnt sind.“ Was heißt das genau?
Der Fonds soll weiterhin für diejenigen Anleger geeignet
sein, die aktienähnliche, aber kontinuierliche Renditen suchen. Dabei steht die
Risikoreduktion im Mittelpunkt. Wir suchen nach den weltbesten Unternehmen,
wodurch das fundamentale Geschäftsrisiko minimiert und langfristig größere
Verluste oder Schwankungen vermieden werden sollen. Soll heißen: Der Anleger
soll mit seinem Investment in den ACATIS Value Event Fonds ruhig durch alle
Marktphasen gehen können.
Hat sich bei der Art der Titelsuche etwas verändert?
Nein, wir suchen weiterhin Aktien, die etwa zehn Prozent
Rendite per anno abwerfen und Anleihen mit einer Jahresrendite von etwa sechs
Prozent. Und die Auswahl der Einzeltitel machen wir sowohl auf der Anleihen-
als auch auf der Aktienseite nach unternehmensspezifischen Kriterien, nicht aus
makroökonomischen Erwägungen.
Bleiben Sie dem Value-Ansatz treu?
Unbedingt, wobei wir aber nicht den Value-Ansatz von vor
zehn oder 15 Jahren verfolgen, als die Unternehmen einfach nur sehr günstig
sein mussten. Wir haben den klassischen Value-Ansatz weiterentwickelt und
suchen Unternehmen, die langfristig Wettbewerbsvorteile und hohe
Wachstumschancen bieten, aber dennoch nicht teuer sind. Insgesamt ist der
abgezinste Unternehmenswert entscheidend.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ja, der Finanzdienstleister Visa, den wir vor kurzem ins
Portfolio aufgenommen haben, ist so ein klassisches Basisinvestment. Der
Konzern hat ein unglaublich stabiles Geschäftsmodell, das durch sein Netzwerk
wie durch einen Burggraben sehr gut vor der Konkurrenz geschützt ist.
Gleichzeitig benötigt Visa wenig Investitionskapital. Das Unternehmen
investiert jährlich etwa eine Milliarde US-Dollar bei einem Free Cashflow von
rund 20 Milliarden US-Dollar. Und was besonders schön ist: Visa wächst
schneller als das durchschnittliche S&P 500-Unternehmen, ist aber trotzdem
kaum teurer bewertet.
Wie lange bleibt so ein Titel in Ihrem Portfolio?
Visa ist dank seiner kontinuierlichen Renditeaussichten ein
sehr langfristiges Investment; einen konkreten Anlagehorizont haben wir hier
nicht. Genauso wenig wie übrigens beim US-Medizintechnikunternehmen Stryker,
das wir ebenfalls vor kurzem ins Portfolio geholt haben. Auch hier sprechen die
langfristigen Wachstumsaussichten des Marktes, sehr gute Produkte, ein
exzellentes Management sowie die attraktive Bewertung für ein sehr
langfristiges Investment.
Erkennt man da schon Ihre eigene Handschrift?
Das könnte man so sagen. Grundsätzlich bin ich agnostisch
und ergreife die Chancen, wo sie sich bieten. Aber natürlich habe ich wie jeder
Investor bestimmte Branchen, die ich aus Erfahrung mehr oder weniger bevorzuge.
Wenig attraktiv finde ich zum Beispiel Branchen wie den Rohstoffsektor, in
denen die Unternehmen keine Preissetzungsmacht haben. Das widerspricht auch
ganz klar unserem Investmentansatz.
Haben Sie auch schon Titel aus dem Portfolio genommen?
Ja, RTL haben wir verkauft. Wir sind weder von dem
Streamingangebot des Senders langfristig überzeugt, noch davon, dass die
geplante Portfoliobereinigung so erfolgreich sein wird, wie von RTL erhofft.
Gleichzeitig wächst die Konkurrenz für RTL beim linearen TV-Angebot weiter
stark.
Nach der Trennung von Gané gab es beim ACATIS Value Event
Fonds Mittelabflüsse. Hat das die Portfoliostruktur beeinflusst?
Nein, wir haben die Positionen in etwa proportional
abgebaut, sodass sich die gesamte Portfoliostruktur nicht geändert hat.
Auffallend ist, dass die Cashquote mit über 25 Prozent
recht hoch ist. Finden Sie keine attraktiven Titel mehr?
Nein, die Watchlist ist prall gefüllt (lacht). Aber hier
spielen tatsächlich auch einmal makroökonomische Faktoren wie das gestiegene
Zinsniveau eine wichtige Rolle. In den USA erhalten Sie auf dem Geldmarkt fünf
Prozent, in Europa drei Prozent Verzinsung für Ihr eingesetztes Kapital. Das
müssen Sie mit Aktien und Anleihen erst einmal übertreffen.
Stichwort Anleihen: In welchen Segmenten sind Sie aktiv?
Wir investieren aktuell sowohl in Staats- als auch in
Unternehmensanleihen. Dank des Zinsanstiegs haben sich neue Gelegenheiten
ergeben, die wir zuletzt auch wahrgenommen haben. Darunter sind Bonds von
multinationalen Organisationen, die als sehr sicher gelten und dennoch einen
Tick besser verzinst sind als gewöhnliche Staatsanleihen. Auf Unternehmensseite
haben wir etwa einen attraktiven Floater der Hamburger Commercial Bank gekauft,
der durch das Land Schleswig-Holstein, die Stadt Hamburg und die Rechtsnachfolger
der West LB abgesichert ist.
Neben dem Value-Ansatz können ja auch spezielle Events
bei der Auswahl der Titel eine Rolle spielen, wie der Name des Fonds ja auch
schon verrät. Waren Sie hier auch schon aktiv?
Einerseits ja, mit dem französischen Kosmetikkonzern
L‘Occitane International, der größten Position im Portfolio. L‘Occitane soll
nach einer Übernahme durch den größten Anteilseigner, Reinold Geiger, unter
Mithilfe des US-Private-Equity-Konzerns Blackstone im August von der Börse
genommen werden. Hier waren wir direkt in die Preisverhandlungen eingebunden
und konnten ein in meinen Augen sehr faires Übernahmeangebot mitverhandeln.
Andererseits nein, denn wir haben zuletzt ein scheinbar lohnendes Investment in
ein mögliches Übernahmeziel abgelehnt, da uns die Qualität des
Akquisitionskandidaten nicht überzeugt hat.
Denn für uns hat auch hier die Risikokontrolle oberste Priorität.
Herr Hesche, ich danke für das Gespräch.
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