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„Produktivitätsschub durch künstliche Intelligenz“

Optimisten: Johannes Mayr (l.) und Andreas Fitzner - Copyright Foto: Falk Heller/argum
Interview

Johannes Mayr und Andreas Fitzner vom Münchner Vermögensverwalter Eyb & Wallwitz blicken optimistisch in die Zukunft. Nicht zuletzt die Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz bringen nach ihrer Einschätzung Produktivitätsgewinne und positive Impulse für die Börse

30.03.2023 | 12:30 Uhr von «Jörn Kränicke»

TiAM: Wenn man sich die Indexstände anschaut, sieht es so aus, als ob die Krisen ad acta gelegt sind. Wie beurteilen Sie die Situation?

Johannes Mayr: Der positive Jahresstart vor allem im Januar hat uns nicht überrascht. Es gibt zwei Entwicklungen, die in Europa die Kurse angeschoben haben. Zum einen ist es die Erleichterung, dass es nicht zu einer Energiekrise gekommen ist und sich auch die Lage bei den Unternehmen verbessert hat. Und der zweite Punkt, der Europa primär stützt, ist das abrupte China-Reopening. Wir waren eher von einem schrittweisen Prozess ausgegangen. Man sollte aber nicht den Fehler machen, dass man kurzfristig den Beginn eines Aufschwungs ausruft, zumal im Februar die anfängliche Börseneuphorie wieder etwas ausgebremst wurde. Insgesamt erachten wir den Jahresauftakt als eine Art Erleichterungsrally, weil nicht das eingetreten ist, was 2023 befürchtet wurde.

TiAM: Können die Krisenherde wieder aufflammen oder ist die Gefahr gebannt?

Mayr: Ich bin da ein bisschen vorsichtig, dass man das Thema Energiekrise komplett abhaken kann. Das Risiko ist zwar geringer als noch vor sechs bis zwölf Monaten, aber das Thema Energieversorgung wird auch wieder auf den Tisch kommen. Auch eine Rezession können wir uns 2023 vorstellen. Aber weniger für die USA. Dort erwarten wir ein Wachstum zwischen null und einem Prozent. In Europa dürfte es 2023 jedoch zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung kommen. Denn Europa tut sich schwerer, das Inflationsgespenst wieder in die Flasche zu bekommen, was die Kerninflationsrate im Februar mit 5,6 Prozent eindrucksvoll bestätigt. Die Rezession dürfte aber global relativ mild ausfallen. Klar ist für uns aber auch: Wenn sich der Staub aus Inflations- und Zins­sorgen gelegt hat, bleibt reales Wachstum auch mittelfristig ein rares Gut und wird wieder gesucht sein. Deshalb ist der Fokus auf längerfristige Trends gerade in der aktuellen Phase so wichtig.

TiAM: Wird in den USA wieder einmal der Konsument der Wachstumstreiber sein?

Mayr: Nein. Der Konsumboom der vergangenen Jahre neigt sich seinem Ende zu. Denn die wichtigen Treiber verlieren an Schubkraft. Die verfügbaren Einkommen werden durch die Eintrübung am Arbeitsmarkt gebremst, und die Lohndynamik kann den Kaufkraftverlust durch die Inflation nicht ausgleichen. Zudem sind die für den US-Konsum besonders relevanten Finanzvermögen deutlich geschmolzen, was so ähnlich auch für die Sachvermögen zu erwarten ist. Die gestiegenen Zinsen werden wiederum die Kreditfinanzierung schrittweise dämpfen. Diesmal werden die Unternehmen durch Kapitalinvestitionen das Wachstum sichern. Sie verfügen über finanzielle Polster, sodass die höheren Zinsen diese Investitionen nicht vereiteln werden. Und der starke Anstieg der Arbeitskosten liefert ihnen einen zusätzlichen Anreiz. Von einem neuen Kapitalzyklus werden neben der industriellen Fertigung unter anderem auch die Bereiche der Energieinfrastruktur oder des Gesundheitssystems profitieren. Bestehende Trends erhalten also einen neuen Schub.

TiAM: Wird China auch in dieser Krise, wie schon nach der Finanzkrise 2008, zum „Retter“ der restlichen Welt?

Mayr: China war in den vergangenen Krisen ein wichtiger Puffer für die Weltwirtschaft und könnte es auch diesmal sein. Allerdings kämpft China mit Schuldenproblemen, und es fehlt die Entschlossenheit der chinesischen Regierung, voll auf Wachstum zu setzen. Sie sieht sich nicht mehr als Antreiber der Weltkonjunktur. Vielmehr hat sie nun die heimische Wirtschaft in den Mittelpunkt gerückt. Dort sollen in erster Linie die Bereiche privater Konsum und Wohlstand auf eine breitere Basis gestellt und die Nachhaltigkeit gestärkt werden. Das sind aber Bereiche, von denen die globale Konjunktur und vor allem auch die europäische Industrie weniger profitieren. In China dürften diese Anstrengungen dennoch für ein solides Wachstum von etwa fünf Prozent sorgen. Damit dürfte das Reich der Mitte einer der positiven Ausreißer des Jahres 2023 sein.

TiAM: Welche Auswirkungen hat Ihr Makrobild auf den Phaidros Funds Balanced?

Andreas Fitzner: Wir haben sukzessive unsere Aktienquote wieder in Richtung 60 Prozent erhöht. Zuvor haben wir in bonitätsstarke Anleihen und zuletzt auch wieder stärker in Unternehmensanleihen investiert. Sie bieten ein ausgezeichnetes Chance-Risikoverhältnis und bieten eine Rendite auf Endfälligkeit von gut acht Prozent. Der Anleihenanteil insgesamt liegt bei 26 Prozent. Unsere Goldposition haben wir im Gegenzug auf rund zwei Prozent verringert. Denn es gibt mit US-Treasuries, die vier Prozent Zinsen bieten, wieder verzinste Alternativen zu Gold. Gemäß unserem Zeitplan „Duration – Credits – Aktien“ werden wir in den kommenden Monaten weitere Titel ins Portfolio aufnehmen.

TiAM: Sie sind also schon wieder recht offensiv aufgestellt. Rechnen Sie nicht mehr mit deutlichen Rücksetzern?

Fitzner: Wir investieren mit einer mittel- bis langfristigen Perspektive in Unternehmen, die von strukturellen Trends profitieren. Nach der Aktienmarktkorrektur im letzten Jahr gibt es hier vor allem bei US-Aktien wieder attraktive Investitionsmöglichkeiten. Nach dem beachtlichen Anstieg des DAX-Index seit Oktober 2022 ist die Wahrscheinlichkeit eines kurzfristigen Rücksetzers zwar gestiegen, aber für uns ist der kurzfristige Timing-Aspekt wenig relevant, und daher reduzieren wir momentan auch nicht die Aktienquote. Wichtig für den nachhaltigen Anlageerfolg sind vielmehr die mittelfristigen Aussichten. Und die sind aus unserer Sicht wieder vielversprechend. Auch wenn wir jetzt wirtschaftlich ein Tal durchschreiten, um die Inflation wieder einzufangen.

TiAM: Schumpeter-Aktien, die disruptive Geschäftsmodelle verfolgen, spielen bei Ihrer Aktienauswahl eine wichtige Rolle. Sind durch künstliche Intelligenz selbst Unternehmen wie Alphabet bedroht?

Fitzner: Es gibt natürlich die Gefahr, dass so manches Unternehmen disruptiert wird. Bei Alphabet, die wir auch in unseren Portfolios haben, wird dies zum Beispiel in Bezug auf das Kerngeschäft der Internetsuche diskutiert. Und die Gefahr besteht natürlich – es ist jedoch viel zu früh, um hier ein Urteil fällen zu können. Daher setzen wir auf Diversifikation und haben unter anderem Microsoft prominent im Portfolio. KI ist ein spannendes Thema und schon lange in der Gesellschaft angekommen. Der Einsatz von Algorithmen ist nichts Neues. Fahrassistenzsysteme sind ein gutes Beispiel dafür. Das Thema Text- und Content-Generierung ist mit „ChatGPT“ gerade ein Hype-Thema. KI wird tatsächlich viel in der Gesellschaft verändern und neue Geschäftsmodelle und Investitionsmöglichkeiten eröffnen. Das bietet aufgrund der rasanten Entwicklung schon jetzt ein erhebliches Potenzial, die Effizienz und Produktivität in vielen Arbeitsprozessen zu steigern. Davon können viele Unternehmen profitieren und es ist auch positiv für die Aktienmärkte, denn das Einsparpotenzial ist enorm.

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