PAB und CTB – immer mehr Fonds orientieren sich an zwei Vorgaben, mit denen die Europäische Union den Schadstoffausstoß der Unternehmen senken will. Vor allem ETF-Anbietern gefällt die Idee.
04.05.2022 | 07:30 Uhr von «Anna-Maria Borse»
Klima-ETFs erleben einen Ansturm wie nie zuvor. 8,4 Milliarden Euro an Neugeldern flossen in Europa im vergangenen Jahr in Klima-ETFs, berechneten die Analysten der französischen Fondsgesellschaft Amundi. Damit haben sich die Zuflüsse in diese ETFs gegenüber 2020 nahezu verdoppelt. „Klima-ETFs waren die klare Nummer 1 bei den Sektor- und Themen-ETFs“, berichtet Thomas Wiedenmann, ETF-Chef für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Amundi. Immer mehr Klima-ETFs würden inzwischen auch nach Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung klassifiziert. Damit seien diese ETFs quasi „dunkelgrün“, also Fonds, die nach den Vorstellungen der EU besonders gut für den Klimaschutz sind.
Doch es geht immer noch mehr. Mit zwei weiteren Orientierungsmaßstäben für eine klimafreundliche Gestaltung des Fondsportfolios setzt die EU einen drauf. Die ersten Gesellschaften haben in den vergangenen Monaten Fonds aufgelegt, die die neuen Benchmarks bei der Zusammenstellung des Fondsportfolios berücksichtigen. Erkennbar sind diese neuartigen Klima-ETFs daran, dass sie die Abkürzungen PAB oder CTB im ETF-Namen führen.
Das Gros der bislang verfügbaren PAB/CTB-Fonds verfolgt eine passive Anlagestrategie. Zu den ETF-Anbietern mit PAB/CTB-ETFs gehören Amundi und der kürzlich von Amundi übernommene Emittent Lyxor sowie BNP Paribas, Franklin Templeton, iShares, Deka und Tabula.
Es gibt auch schon die ersten aktiven PAB-Fonds, beispielsweise den UniZukunft Klima (ISIN DE 000 A2Q FXR 5). Der von Union Investment im November 2021 aufgelegte Fonds investiert in rund 150 bis 200 Aktien und Unternehmensanleihen, die in der Summe eine höhere CO2-Effizienz aufweisen sollen als der EU-Vergleichsindex – und die zudem ein hohes wirtschaftliches Potenzial haben.
Schon im August 2021 startete die BayernInvest mit ihrem PAB-konformen Unternehmensanleihen-Fonds, dem Bayern-Invest ESG Corporate Bond Klimaschutz (ISIN DE 000 A2Q MJ2 5). „Die EU-PAB-Kriterien bilden aus unserer Sicht einen guten Startpunkt, um die Pariser Klimaziele im Portfoliokontext zu verankern“, erklärt Bernhard Grünäugl, Leiter Investment Strategy & ESG bei BayernInvest.
Die Münchner Fondsgesellschaft hält einen aktiven Ansatz im Anleihebereich für Erfolg versprechender als eine passive Indexstrategie. „Der Fonds orientiert sich zwar an den PAB-Anforderungen, setzt aber darüber hinaus gehende Akzente, etwa im Bereich von Green Bonds und Sustainability-linked Bonds“, erklärt Grünäugl.
Was genau hat es mit PAB und CTB auf sich? Einfach gesagt verdeutlichen die Kürzel im Fondsnamen, dass ein Fonds die EU-Referenzwerte für klimabedingten Wandel einhält und das er sich dazu entweder an der neuen Paris Aligned Benchmark (PAB) der EU ausrichtet oder an der Climate Transition Benchmark (CTB) der EU. Das Ziel der EU ist, mit ihren beiden neuen Benchmarks Mindeststandards zu setzen, die Indexanbietern bei der Erarbeitung von Referenzwerten für klimafreundliche und auf die Pariser Klimaziele ausgerichtete Anlagen helfen sollen.
Außerdem soll Anlegern im Dschungel der nachhaltigen Geldanlagen eine Orientierung geboten werden. „Die Kennzeichnungen sollen eine Entscheidungshilfe für Anleger sein, die in Unternehmen mit geringen CO2-Emissionen investieren wollen“, heißt es vonseiten der EU-Kommission. Genau zu diesem Zweck hatte die Kommission die bereits bestehende Benchmark-Verordnung überarbeitet. Die neue Version wurde im Dezember 2019 im Amtsblatt der EU-Kommission veröffentlicht und trat am 30. April 2020 in Kraft.
Sowohl PAB als auch CTB haben die sogenannte Dekarbonisierung zum Ziel. Konkret geht es um die Begrenzung des Treibhausgasausstoßes gemäß dem Pariser Klimaabkommen von 2015, das vorsieht, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu limitieren. Um private Gelder in diese Richtung zu lenken, hatte die EU-Kommission 2018 eine technische Expertengruppe für nachhaltige Finanzen eingesetzt (Technical Expert Group on Sustainable Finance). Die Benchmarks sind ein Ergebnis der Arbeit dieser Gruppe, neben der ebenfalls von ihr entwickelten Nachhaltigkeits-Taxonomie und den Green-Bond-Standards.
Mit PAB und CTB will die EU-Kommission also eine größere Transparenz und Vergleichbarkeit der Klimafonds herstellen und vor allem das Kapital der Anleger in klimafreundliche Investitionen umlenken. Gleichzeitig sollen durch die Vorgaben Klimamogelpackungen der Fondsgesellschaften verhindert werden, bei denen die Fondsanbieter Umweltkriterien und Emissionswerte künstlich niedrig ansetzen, um so einen Fonds als umweltfreundliches Produkt vermarkten zu können.
Zu diesem Zweck hat die EU für PAB und CTB klare Regeln formuliert: Zum einen müssen in PAB-Indizes enthaltene Unternehmen im Jahr 1 mindestens 50 Prozent weniger CO2-Intensität gegenüber den Standardindizes aufweisen, die im CTB enthaltenen immerhin noch 30 Prozent. Zum anderen müssen die Unternehmen in PAB und CTB im Durchschnitt ihre Treibhausgase Jahr für Jahr um sieben Prozent reduzieren.
Zusätzlich werden bestimmte Aktien ausgeschlossen. Bei PAB sind die Ausschlusskriterien besonders streng. Konkret schließt die PAB Unternehmen aus, die in den Bereichen Kohle und – oberhalb gewisser Umsatzschwellenwerte – Erdöl, Erdgas sowie kohlenstoffintensiver Stromerzeugung tätig sind.
Sowohl bei PAB als auch CTB bleiben außerdem Unternehmen außen vor, die ihr Geld mit Tabakwaren oder kontroversen Waffen verdienen, ebenso wie Unternehmen, die gegen den UN Global Compact verstoßen, dem Pakt zwischen UNO und Unternehmen zur sozialeren und ökologischeren Gestaltung der Globalisierung.
Hintergrund ist das sogenannte „Do no significant harm“-Prinzip (DNSH): Unternehmen dürfen gegen bestimmte Grundsätze nicht verstoßen und zwar Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Verschmutzung und Schutz von Ökosystemen und Biodiversität. Nicht zuletzt müssen über die Zeit auch die sogenannten Scope-3-Daten (indirekte Emissionen, etwa durch Geschäftsreisen oder durch gekaufte Waren und Dienstleistungen) berücksichtigt werden.
Neu an den EU-Benchmarks ist die Zukunftsorientierung: „Bisher konzentrierten sich Benchmarks für eine kohlenstoffarme Wirtschaft hauptsächlich auf die Reduzierung oder den Ausschluss fossiler Brennstoffe. Die Risikobewertung basierte auf historischen CO2-Emissionen“, erläutert Emittent Franklin Templeton. Im Gegensatz zu diesem rückwärts gerichteten Ansatz ziele die Philosophie der neuen EU-Klimareferenzwerte darauf ab, durch eine Szenarioanalyse auf Grundlage innovativer ökologischer und wissenschaftlicher Datensätze auch potenzielle Wachstumschancen zu ermitteln – ein vorwärts gerichteter Ansatz.
Laut Franklin Templeton bieten die EU-Klima-Benchmarks dadurch ein einfaches und effektives Instrument, um sich an den Klimazielen des Pariser Abkommens zu orientieren – basierend auf einem robusten Rahmenwerk von risiko- und chancenorientierten Mindeststandards. Ein wesentlicher Punkt des Konzepts ist allerdings, dass die Benchmarks nur Mindestvorgaben sind, die Fonds und ETFs erfüllen müssen, wenn sie sich mit dem Etikett PAB oder CTB schmücken wollen. Die Benchmarks definieren nur den Rahmen für die Einzeltitelauswahl, legen aber nicht genau fest, in welche einzelnen Aktien oder Anleihen ein Fonds zu investieren hat.
Als Basis für die neuen Klima-ETFs dienen in der Regel Standardindizes, die der Indexanbieter an die PAB- und CTB-Vorgaben angepasst hat. So hat MSCI schon PAB- und CTB-Versionen des MSCI World Index aufgelegt. Auch andere Indexanbieter wie FTSE Russell, Qontigo (Stoxx-Indizes), Morningstar und S & P Dow Jones sind mit an den Benchmarks orientierten Indizes auf dem Markt. Ebenfalls im Angebot sind auch Kombinationen der strengen SRI-Indizes von MSCI mit den PAB-Kriterien.
Beim Vergleich des klassischen MSCI World Index mit der PAB-Version, dem MSCI World Climate Paris Aligned, zeigt sich: Die Anzahl der Indexkomponenten schrumpft deutlich: So enthält der Original-MSCI-World-Index 1546 Aktien. In der PAB-Version des Weltindex finden sich jedoch nur noch 655 Titel.
Bei der Branchengewichtung sind ebenfalls Unterschiede sichtbar: Während im klassischen MSCI World die Branchen IT (23,7 Prozent), Finanzen (13,2 Prozent), Health Care (12,6 Prozent), Nicht-Basiskonsumgüter (12,3 Prozent) und Industrie (10,2 Prozent) am stärksten vertreten sind, gewichtet der MSCI World Climate Paris Aligned Index die IT-Branche (27,3 Prozent), Finanzen (15,3 Prozent) sowie Industrie (14 Prozent) noch stärker. Energietitel und Versorgeraktien kommen dagegen auf deutlich geringere Gewichte (0,06 versus 3,1 Prozent und 2,2 versus 2,8 Prozent).
Mit Verzicht in Sachen Rendite geht die Ausrichtung an den EU-Benchmarks übrigens bislang nicht einher, im Gegenteil. Die Rendite des MSCI World Climate Paris Aligned Index lag in den Jahren 2019, 2020 und 2021 mit 29,4 Prozent, 18,2 Prozent und 21,9 Prozent sogar über der Rendite des Standardindex. Dieser kam in den drei Jahren auf 27,7 Prozent, 15,9 Prozent und 21,8 Prozent. Eine Gewähr für die Zukunft ist das bessere Abschneiden in der Vergangenheit aber natürlich nicht.
Die Fondsratingagentur Morningstar hat schon im vergangenen Herbst ETFs mit PAB und CTB als Benchmark unter die Lupe genommen und überprüft, welche von ihnen auch die von Morningstar vergebene Low-Carbon-Kennung erhalten können. Damit kennzeichnet die Ratingagentur Fonds mit niedrigem CO2-Risiko und wenig Engagement in fossilen Brennstoffen.
Von den damals angebotenen 30 europäischen PAB- und CTB-ETFs – 28 Aktien- und zwei Anleihe-ETFs – erreichten zehn die Low-Carbon-Kennung. „Die auf den EU-Klima-Benchmarks aufsetzenden ETFs haben ein niedrigeres CO2-Risiko als ihre Vergleichsgruppen und ihr Engagement in fossilen Brennstoffen liegt deutlich unter sieben Prozent“, erklärt Morningstar-Analystin Sara Silano.
Silano erwartet, dass noch mehr Fonds auf EU-Klima-Benchmarks eine Low-Carbon-Kennung erhalten werden, denn „die Verfügbarkeit der Daten und die Zahl der Analysen steigt“. Auch das Gesamtangebot an PAB- und CTB-Fonds wird wohl wachsen. So plant die BayernInvest bereits einen weiteren Fonds, der sich an den PAB orientiert – diesmal ein Aktienfonds.
Auch die Kombination unterschiedlicher Messlatten könnte an Beliebtheit gewinnen. Amundi hat etwa im September 2021 mit dem Amundi MSCI World Climate Paris Aligned PAB ETF einen ETF auf den Markt gebracht, der über die PAB-Anforderungen hinausgeht. Dieser Klima-ETF kann sich nicht nur mit dem PAB-Siegel schmücken, sondern auch noch mit dem in Deutschland ebenfalls beachteten österreichischen Umweltzeichen.
BNP Paribas hat inzwischen sechs Aktien-ETFs im Programm, die MSCI SRI PAB Indizes für verschiedene Anlageregionen abbilden und die darüber hinaus auch das strenge FNG-Nachhaltigkeitssiegel erhalten haben. „Das FNG-Siegel ist der Qualitätsstandard für nachhaltige Fonds im deutschsprachigen Raum und wird zu Recht von vielen Investoren berücksichtigt“, erklärt Claus Hecher, der die Entwicklung des ETF-Geschäfts bei BNP Paribas im deutschsprachigen Raum leitet.
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