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Der TiAM FundResearch Wochenrück- und -ausblick.
Kolumne

Meyer Werft-Rettung mit bitterem Beigeschmack

TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: die Rettung der angeschlagenen Meyer Werft in Papenburg.

26.08.2024 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Woche

Wenn sich ein Kanzler einen gelben Helm aufsetzt, um auf einer Betriebsversammlung zu sprechen, dann ist das Signal eindeutig. Hier will der Politiker Solidarität mit dem arbeitenden Volk zeigen. Die Mitarbeiter der Meyer Werft in Papenburg dankten es ihm in der vergangenen Woche mit warmem Applaus. Zumal der Kanzler mit vollen Taschen kam, um dem angeschlagenen Schiffsbauunternehmen finanziell unter die Arme zu greifen. Der Bund und das Land Niedersachsen wollen 80 bis 90 Prozent an der Werft übernehmen, 400 Millionen Euro Eigenkapital zuschießen und Bankkredite mit Bürgschaften absichern. Sollte dieses Gesamtpaket wie besprochen geschnürt werden, würde es die Grundlage dafür schaffen, dass die Meyer Werft neue Kredite bei den Banken aufnehmen kann. Damit soll der Bau neuer, bereits bestellter Schiffe finanziert werden. Zwischen 2,5 und drei Milliarden Euro sind dafür nötig, heißt es.

Das Ganze läuft unter der Prämisse, dass die Meyer Werft eigentlich gar kein Sanierungsfall ist, sondern nur eine Finanzierungsüberbrückung braucht. Werften finanzieren den Bau von Schiffen bis zu 80 Prozent selbst. Die Auftraggeber zahlen den vereinbarten Kaufpreis erst bei Fertigstellung, in der Regel vier Jahre nach Baubeginn. In den Büchern der Werft stehen Aufträge in Höhe von elf Milliarden Euro. Man ist also zuversichtlich, dass sich die leeren Kassen in einigen Jahren wieder füllen werden. Nachdem die umfangreiche Bestellliste abgearbeitet ist und die Auftraggeber die Schiffe abgenommen und bezahlt haben, will der Staat seine Anteile wieder verkaufen. Die bisherigen Inhaber, die Familie Meyer, sollen ein Vorkaufsrecht erhalten. So sollen Arbeitsplätze gesichert werden und das Knowhow für den Schiffsbau in Papenburg bleiben. Kanzler und Ministerpräsident können sich als Retter feiern lassen.

Alles prima, also. Auf den ersten Blick. Fakt ist: Die Meyer Werft-Rettung ist ein Risikodeal auf Steuerzahlerkosten. Wie Großaufträge im Schiffswesen außer Kontrolle geraten können, hat man spätestens nach der Pleite des Kreuzfahrt-Konzerns Genting Hong Kong gesehen, der die MV Werften in Wismar mit in den Abgrund gerissen hat.

Und man darf sich schon einmal fragen, was da eigentlich gerettet wird. Scholz und Habeck verweisen zwar darauf, dass die Meyer Werft kürzlich mit dem Bau von Konvertern begonnen habe, die für die Weiterleitung des auf hoher See erzeugten Windstroms auf das Land notwendig seien. Die Meyer Werft als Schlüsselunternehmen der grünen Stromwende zu bezeichnen, ginge dann aber doch zu weit. Denn zur Wahrheit gehört leider auch, dass der Bau von Konvertern nur ein Nischensegment des Konzerns ist.

Die Werft baut in erster Linie Kreuzfahrtschiffe. Stählerne Ungetüme, die seit Jahren sämtliche Ziele und Pläne des Pariser Klimaabkommens pulverisieren. Wer es noch nicht wusste, darf sich die Zahlen bei seiner nächsten Kreuzfahrtreise gerne auf den Arm tätowieren: Ein einziges Schiff produziert mehr Kohlendioxid als 12.000 Autos. Studien zeigen zudem, dass ein Kreuzfahrtschiff bis zu viermal mehr CO2 pro Passagier verursacht als ein Flugzeug. Die weltweit umherschippernden Spaßkreuzer sind für rund 2,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dazu kommt das Müllproblem. Wissenschaftlichen Studien zufolge verursachen allein die Kreuzfahrer rund 24 Prozent des gesamten von der Schifffahrt produzierten Mülls. Und dies, obwohl nur jedes hundertste Schiff, das auf den Weltmeeren unterwegs ist, ein Kreuzfahrtschiff ist. Ein durchschnittlicher Sonnendeck-Casino-Spaßrutschen-Buffett-Bar-Operetten-Party-Urlaubskahn mit 2.700 Passagieren produziert in der Regel etwas mehr als eine Tonne Müll pro Tag. Was diese Größenordnung für die von der Meyer Werft kürzlich vom Stapel gelassene „Icon of the Seas“ bedeutet, darf sich jeder selbst ausrechnen. Das größte und technisch aufwendigste jemals gebaute Kreuzfahrtschiff bietet Platz für etwa acht- bis maximal zehntausend Passagiere und Crewmitglieder. Zwei weitere Schiffe dieser Baureihe sind bereits bestellt. Die „Star of the Seas“ soll nächstes Jahr an die Reederei Royal Caribbean International ausgeliefert werden, das dritte wird, wenn alles nach Plan läuft, 2026 in Dienst gestellt. Sieben weitere, teilweise noch deutlich größere Urlaubsschiffe sind in Papenburg im Bau oder in Planung.

Eigentlich sollte sich eine Regierung mit grün-roter Beteiligung schwer damit tun, den Bau solcher Umweltkiller zu fördern. Aber hier geht es ja um Arbeitsplätze und Wählerstimmen. Vielleicht deshalb hat sich der Kanzler bewusst keinen grünen Helm auf den Kopf gesetzt. Eventuell wird man in zwei Jahren aber auch einen Bundesforschungsminister mit einem solchen Helm auf einer Kommandobrücke der Meteor IV sehen. Das Forschungsschiff wird im Jahr 2026 von Meyer ausgeliefert und der Werft zufolge „einen wichtigen Beitrag für die nationale und internationale Meeresforschung, insbesondere auf den Gebieten der Klima- und Umweltforschung leisten“. Mit anderen Worten: Die Meteor IV darf dann den großen Discodampfern mit Swimmingpool und Tennisplatz hinterherfahren und deren Emissionen messen. Die 36 Besatzungsmitglieder werden einiges zu tun bekommen.

Interessante Termine der kommenden Woche

Am Dienstag findet im Weimar das Deutsches Städteforum und die Konferenz Tourismus 2024 statt. Veranstalter sind der Deutsche Tourismusverband und der Deutsche Städtetag. Themen sind unter anderem Künstliche Intelligenz und Weltoffenheit. Es ist nicht zu erwarten, dass der Kreuzfahrttourismus kritisch diskutiert wird.

Am Mittwoch findet in Erfurt der Mitteldeutsche Wasserstoffkongress statt. Themen sind unter anderem die Infrastruktur und die Planung eines Wasserstoff-Kernnetzes. Diskutiert wird das Potential von grünem Wasserstoff, sowie der Aufbau von Handelsmärkten für Wasserstoff. Die Hoffnung ist, mithilfe von Wasserstoff die Klimabilanz Deutschlands zu verbessern.

Am Donnerstag folgt eine Veranstaltung in Hamburg zum selben Thema. Auf der Diskussionsveranstaltung „Norddeutsches Reallabor“ reden Landespolitikern über Wege zur Wasserstoffwirtschaft.

Am Freitag veröffentlicht die europäische Statistikbehörde Eurostat ihre Schnellschätzung zur Inflation im Euroraum für den August 2024.

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