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Krisen

Paukenschlag aus Karlsruhe – Was Berater jetzt wissen müssen

Während die Pandemie zu neuen Gewinnern und Verlierern unter den Branchen führt, trifft das Verfassungsgericht eine bahnbrechende Entscheidung zu den Anleihekäufen der EZB. Das Urteil könnte die Handlungsfreiheit der Zentralbank bei der Bekämpfung der Krise beschränken.

06.05.2020 | 15:00 Uhr von «Christian Bayer»

Paukenschlag aus Karlsruhe

Gegen geldpolitische Maßnahmen der EZB, genauer die Anleihekaufprogramme der EZB in den Jahren 2015 bis 2018, sind neben anderen Klägern auch die Ex-Politiker Peter Gauweiler und Bernd Lucke vor Gericht gezogen. Das gestern verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Experten in seiner Deutlichkeit überrascht. Nach Auffassung des obersten deutschen Gerichts sind die Beschlüsse der EZB kompetenzwidrig ergangen. Auch Bundesregierung und Parlament hätten dadurch, dass sie die Maßnahmen nicht überprüft hätten, Grundrechte verletzt. Kritik kommt aus Karlsruhe auch am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH hatte die Kaufprogramme durchgewunken. Die Karlsruher Richter halten die Entscheidung der europäischen Richter für „methodisch nicht mehr vertretbar“, weil die Auswirkungen der Anleihekäufe nicht geprüft wurden.
Auch wenn noch keine direkten Folgen aus dem Urteil ableitbar sind, ist es hochbrisant. Aufgrund des Urteils muss jetzt die Verhältnismäßigkeit der Kaufprogramme geklärt werden. Regierung und Bundestag sollten nach Auffassung der Richter zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit auf die EZB einwirken. Erfolgt diese Darlegung nicht, müsste die Deutsche Bundesbank eigentlich aus dem Kaufprogramm aussteigen. Auch wenn das Urteil sich auf Maßnahmen der vergangenen Jahre bezieht, hat die Entscheidung aller Wahrscheinlichkeit nach Auswirkungen auf den Handlungsspielraum der EZB in der Corona-Krise.

Grenzen der Geldpolitik

Nach Auffassung des Präsidenten des ifo-Instituts Clemens Fuest engt die Entscheidung die Spielräume der EZB ein, hoch verschuldeten EU-Staaten durch Anleihekäufe unter die Arme zu greifen. „Dadurch erhöht sich der Druck auf die Regierungen des Euroraums, Hilfen für einzelne Mitgliedstaaten über die Fiskalpolitik bereitzustellen, statt sich auf die EZB zu verlassen“, so Fuest. Der Ökonom verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht Bedingungen formuliert hat, damit die Käufe von Staatsanleihen nicht gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen. Bei den Vorgaben des Verfassungsgerichts spielt auch ein Mindest-Rating der Bonds eine entscheidende Rolle. „Das begrenzt die Spielräume insbesondere für den Kauf italienischer Staatsanleihen“, erläutert Fuest.

Wer profitiert, wer verliert?

Andrew Milligan, Head of Global Strategy von Aberdeen Standard Investments, vergleicht die aktuelle Corona-Pandemie mit einem Waldbrand, der unkontrolliert wütet und dem scheinbar alles zum Opfer fällt. „Doch eben nur dem Anschein nach alles – denn die Natur hat ihre Wege, damit fertig zu werden. Innerhalb von Tagen und Wochen keimen die Samen neuer Pflanzen, die unter dem Blätterdach der alten Bäume nicht hätten gedeihen können", so der Kapitalmarkt-Stratege. Die aktuelle Situation würde bestimmte Sektoren wie Fluggesellschaften, Touristik, Sport und Gastronomie extrem hart treffen. Im Gegenzug würden andere Geschäftsbereiche wie Pharma, Healthcare, Videokonferenzen, Heimunterhaltung, mobile Bezahllösungen und Lieferdienste von der aktuellen Situation profitieren. „Anlegern stellt sich die Frage, ob, wann und wie das Coronavirus umfassende langanhaltende Veränderungen im sozialen und wirtschaftlichen Verhalten nach sich ziehen wird, so zum Beispiel eine deutliche Abnahme von Geschäftsreisen“, erläutert Milligan. Aus Sicht des Experten unterscheiden sich Krisen hinsichtlich ihrer Ursachen und Wirkungen voneinander. Allerdings sei das Verhaltensmuster der Investoren immer gleich: Leugnung, Wut, Panik, Akzeptanz und Reaktion. Der Kapitalmarkt-Stratege verweist darauf, dass in früheren Krisen vor allem die Geldpolitik als Retter gefragt war. „Doch dieses Mal ist es an der Fiskalpolitik, die Verluste zu begrenzen. Angesichts der massiven Unterstützung von Regierungsseite ist letztendlich mit einer Erholung zu rechnen“, führt Milligan aus.

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