Klimaschutz und die Abkehr von fossilen Brennstoffen waren vor wenigen Jahren noch für sehr viele Menschen wichtige Themen. Entsprechend groß war die Nachfrage nach grünen Investments. Das sieht aktuellen Studien zufolge mittlerweile ganz anders aus.
11.09.2024 | 07:15 Uhr
Nachhaltigkeit in der Geldanlage ist immer noch ein Thema. Schon allein aus regulatorischen Gründen. Schließlich zielen nahezu alle neueren Regulierungsvorhabenaus Brüssel darauf, Investitionen in grüne Fonds und ETFs zu fördern. Die Entwicklung der vergangenen Jahre ließ sich auch zunächst positiv an: Investmentfonds mit strengen Umwelt- und Sozialkriterien kamen laut einer Erhebung des BVI im Jahr 2023 in Deutschland auf ein Anlagevolumen von rund 470 Milliarden Euro. Dies entspreche einem „grünen Marktanteil“ von rund 11,5 Prozent, bezogen auf die 4,1 Billionen Euro, die im Jahr 2023 von der deutschen Investmentbranche verwaltet wurden. Im Jahr 2013 waren es nur 30 Milliarden Euro, beziehungsweise ein Marktanteil von nur 1,5 Prozent. Somit hatte sich der Marktanteil bis Ende 2023 in nur zehn Jahren verachtfacht. Und das investierte Volumen selbst war zuletzt sogar 15-mal höher als zehn Jahre zuvor (siehe Grafik).
Der Schönheitsfehler an der Statistik ist, dass das Interesse an Klimaschutz, Ökologie und nachhaltigen Investments seit 2022 stark rückläufig ist. Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, eine steigende Inflation und eine insgesamt gestiegene Unzufriedenheit mit politischen Entwicklungen haben ökologische Themen in der öffentlichen Diskussion verdrängt. Außerhalb sehr einkommensstarker Haushalte spielen grüne Geldanlagen nur noch eine untergeordnete Rolle. Und selbst bei den einkommensstarken Bevölkerungsgruppen haben laut dem aktuellen KfW-Energiewendebarometer gerade einmal etwas mehr als 15 Prozent der Haushalte in grüne Fonds oder Wertpapiere investiert.
Nur rund 30 Prozent aller Haushalte in Deutschland kann sich der KfW-Erhebung zufolge vorstellen, in grüne Fonds, Aktien und Anleihen zu investieren. Für 53 Prozent der Haushalte ist das überhaupt kein Thema. Und weitere drei Prozent sind hierzu unentschlossen.
Eine in diesen Tagen veröffentlichte Studie bestätigt den Trend, dass Klimathemen bei finanziellen Entscheidungen eine immer geringere Rolle spielen. Wie Langzeitdaten der Forschungsgruppe Wahlen zeigen, zählten noch vor zwei Jahren etwa Klimaschutz sowie die Transformation der Versorgung weg von fossilen und hin zu regenerativen Energieträgern in Spitzenzeiten für 40 bis 50 Prozent der Menschen zu den dringlichsten politischen Herausforderungen in Deutschland. Aktuell messen nur noch rund 20 Prozent der Deutschen diesen Themen so große Bedeutung bei.
Und einer repräsentativen Umfrage des Vergleichsportals Verivox zufolge investiert aktuell nur noch jeder Fünfte selbst in nachhaltige Finanzprodukte.
Zwar bekunden gut zwei Drittel der Befragten (69 Prozent) immerhin ein generelles Interesse am Thema Nachhaltige Geldanlage. Vor zwei Jahren lag dieser Anteil jedoch noch bei 79 Prozent – zehn Prozentpunkte mehr als heute. Damals hatte fast ein Viertel (24 Prozent) nach eigenen Angaben selbst Geld in Finanzprodukten angelegt, die bestimmten ökologischen, sozialen und ethischen Mindest-Standards genügen. Aktuell liegt dieser Anteil nur noch bei 21 Prozent. „Das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen wird auch von der aktuellen Nachrichtenlage beeinflusst“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. „Vor zwei Jahren war die gesellschaftliche Debatte noch stärker als heute von Themen geprägt, die von vielen Menschen mit Nachhaltigkeit verbunden werden“, so Maier.
Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Mehrzahl derjenigen, die laut eigener Aussage Interesse an nachhaltigen Anlageprodukten haben, aus tiefer Überzeugung dazu stehen. Zwei von drei (65 Prozent) Befragten, die gerne nachhaltig investieren würden, wären nach eigenen Angaben bereit, eine geringere Rendite zu akzeptieren, wenn sie dafür sicher sein können, dass ihr Geld ausschließlich in Projekte und Unternehmen investiert wird, die wichtige Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Für 28 Prozent kämen Abstriche bei der Rendite nicht in Frage.
Bei der Frage danach, welche Kriterien für Anleger bei einer nachhaltigen Geldanlage höchste Priorität haben, gehen die Antworten erstaunlicherweise weit auseinander. Nach den drei wichtigsten von insgesamt zwölf vorgegebenen Nachhaltigkeitskriterien befragt, wird nicht etwa der Klimaschutz oder die grüne Energiewende am häufigsten genannt, sondern der Verzicht auf ausbeuterische und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen (40 Prozent). Jeweils für etwa ein Drittel der Befragten zählt der Verzicht auf Tierversuche (33 Prozent) sowie ein schonender Umgang mit den natürlichen Ressourcen des Planeten (32 Prozent) zu den wichtigsten Nachhaltigkeitskriterien. Nur für 30 Prozent der Anleger, die nachhaltig investieren wollen, sind Investitionen in erneuerbare Energien besonders wichtig. Investitionen in fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas oder in Kernenergie sind erstaunlicherweise nur für 13 Prozent der Befragten unvereinbar mit einem nachhaltigen Investment.
Fazit: Greta Thunberg und die „Friday for Future“-Initiative haben sich zuletzt mehr für den Krieg in Palästina interessiert als für den Klimaschutz. Parallel dazu ist das Thema nach und nach aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden – und damit auch das Interesse an nachhaltigem Investieren. Das kann Zufall sein, muss es aber nicht.
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