Weil sich die Wirtschaft kräftig erholte, gingen die Aktienkurse und auch die Rohstoffpreise im Jahr 2021 durch die Decke, was Gold ausbremste. Das könnte sich 2022 aber ändern.
05.01.2022 | 07:15 Uhr von «Bernhard Bomke, Matthias Fischer, Simone Gröneweg»
Wer mit Öl oder Gas heizt und viel Auto fährt, hat es längst bemerkt: An den Rohstoffmärkten ging es 2021 richtig turbulent zu. Der Ölpreis stieg von Jahresanfang bis zu seinem Hoch im Herbst um rund 75 Prozent, Kupfer und Aluminium kosteten zwischenzeitlich rund 40 Prozent mehr als im Januar, und Gas wurde sogar um 150 Prozent teurer. Schuld waren verschiedene Faktoren: So zog die Wirtschaft und damit die Rohstoffnachfrage vor allem in China und den USA recht schnell wieder an, während das Angebot wegen Lockdowns und Produktionsausfällen noch dünn war - eine klassische Unterversorgung. Gleichzeitig pumpten die Notenbanken viel Geld in die Finanzmärkte, das auch am Rohstoffmarkt landete. Dazu kamen noch ein paar Sondereffekte. Beispielsweise, dass Russland Europa im Winter gezielt den Gashahn zudrehte und so die Energiepreise anheizte. Außerdem war der Suezkanal im Frühjahr durch einen Frachter blockiert, was den eng getakteten Seehandel bis heute durcheinanderbringt und auch bei Rohstoffen für Lieferengpässe sorgt. Das alles erhöhte die Preise und machte Rohstoffe zum großen Inflationstreiber. Nur der Goldpreis dümpelt seit Jahresanfang trotzdem vor sich hin. Eine echte Überraschung, schließlich gilt Gold als Inflationsschutz.
Gold könnte 2022 glänzen. Die große Frage: Bleibt das auch 2022 so? Was den Goldpreis betrifft, vermutlich nicht. Hier erwarten viele Experten nach einem Jahr der Stagnation einen deutlichen Preisanstieg: "Obwohl Gold als Inflationsschutz gilt, hat der Goldpreis bisher gar nicht auf die anziehende Teuerung reagiert", sagt etwa Carsten Mumm von der Hamburger Privatbank Donner & Reuschel. Er geht für 2022 von einem massiven Preissprung von derzeit rund 1800 auf 2500 US-Dollar je Feinunze aus. Im Moment liegt die Inflation in Deutschland über fünf und in den USA sogar bei sechs Prozent. Und auch wenn sie in einigen Monaten etwas zurückgehen könnte, dürfte die Teuerung trotzdem längere Zeit überdurchschnittlich hoch bleiben. "Den Menschen dürfte langsam, aber sicher klarer werden, dass die Inflation kein vorübergehendes Phänomen ist", erwartet Mumm. "Da Gold als Wertspeicher und Krisenwährung gilt, müsste dessen Wert kräftig steigen."
Hinzu kommt noch eine zweiter Punkt: 2021 legten auch die Aktienkurse kräftig zu, der globale Aktienindex MSCI World machte seit Jahresbeginn fast 30 Prozent Plus. "Während des Börsenaufschwungs zogen Großanleger enorme Summen aus Goldprodukten ab und steckten sie in den Aktienmarkt", erklärt Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst der Commerzbank. "Das hat Gold ziemlich ausgebremst." Nun ist die Inflation doch hartnäckiger als erwartet. Das zwingt die amerikanische Fed - die wichtigste Notenbank der Welt - wohl, ihre Anleihekäufe schneller einzustellen und die Zinsen früher anzuheben als vor einigen Wochen gedacht. "Dieser Entzug von Liquidität dürfte an den Aktienmärkten für viel Nervosität sorgen und Gold Auftrieb geben", sagt Analyst Fritsch, der den Goldpreis 2022 bei 1900 Dollar sieht. Das wäre zwar ein kleineres Plus als zum Beispiel Donner & Reuschel prognostiziert, aber immer noch ein Zuwachs von rund sieben Prozent.
Energiewende verändert Markt. Und was ist mit anderen Rohstoffen? Hier ist der Ausblick für einige Metalle ebenfalls positiv, jedoch eher langfristig. Vor allem Industriemetalle, die für Energiewende und Elektromobilität gebraucht werden, dürften in den kommenden Jahren gefragt sein. Eine Studie der Commerzbank identifiziert vor allem Aluminium, Kupfer, Nickel und Silber als Gewinner des Umbaus. Mit Aluminium lässt sich das Gewicht von E-Autos reduzieren, Nickel wird in Batterien verbaut, Kupfer braucht man ebenfalls für E-Autos, aber auch für Stromtrassen und Windkraftanlagen, und Silber steckt etwa in Photovoltaikanlagen. Langfristig sollten Nachfrage und Preise bei diesen Metallen anziehen, während in Verbrennern benötigte Metalle wie Blei oder Palladium und fossile Energieträger wie Öl, Kohle und Gas an Attraktivität verlieren dürften.
Kurzfristig ist die Sache dagegen komplizierter. So etwa beim Öl: Hier waren die Preise im Lauf des Jahres von rund 50 auf fast 85 Dollar je Barrel gestiegen. In den vergangenen Wochen brachen sie aber wieder auf 65 Dollar ein. Schuld waren die Zinsanhebungspläne der Fed sowie die Ankündigung der USA, Teile ihrer Ölreserven auf den Markt zu werfen. Nun hängt viel davon ab, ob das Ölkartell OPEC seine Corona-bedingt gekürzte Förderung wieder zügig auf das Vorkrisenniveau anhebt. Bisher rechnen viele Beobachter damit, die Internationale Energieagentur erwartet deshalb beim Ölpreis 2022 nur einen moderaten Anstieg auf 80 Dollar. Manche Analysten wie Mumm von Donner & Reuschel gehen dagegen davon aus, dass die OPEC das Angebot knapp hält und der Preis auf 100 Dollar steigt. Was stimmt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Öl, Gas, Gold, Silber, Platin, Palladium, Aluminium, Zink, Nickel, Blei, Weizen oder Soja: Die Welt der Rohstoffe ist bunt und komplex. Wer in einzelne Rohstoffe investieren will, muss viele Faktoren im Blick behalten - von der Konjunktur und der Geldpolitik über Eigenheiten wie Abbaubedingungen, Produktionspreise bis zu Umweltvorschriften. Außerdem lassen technische Entwicklungen wie die E-Mobilität bei einigen Rohstoffen die Nachfrage einbrechen und bei anderen steigen. Selbst Experten tun sich hier schwer, weshalb Privatanleger lieber in breite Rohstoffkörbe wie den Lyxor-Rohstoff-ETF (ISIN: LU0419741177) investieren sollten, in dem Agrarrohstoffe aus ethischen Gründen ausgeklammert sind. Als Einzelinvestment dagegen in Ordnung: Gold, das als Krisenwährung eine Sonderstellung unter den Rohstoffen einnimmt. Hier gibt es zwei Möglichkeiten zu investieren: Barren und Münzen, die maximale Sicherheit bieten, aber höhere Handels- und Verwahrkosten haben. Oder Zertifikate wie Xetra Gold (DE000A0S9GB0) und Euwax Gold II (DE000EWG2LD7), die in Goldbarren investieren und so den Goldpreis abbilden.
Dieser Artikel erschien zuerst am 04.01.2022 auf boerse-online.de
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