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Rohstoffe

Finger weg von Rohstoff-Investments

In dieser Woche gab es eine Premiere: Erstmals in der Geschichte rutschte der Ölpreis in den negativen Bereich. Manch Anleger spielt nun angesichts des niedrigen Preises mit dem Gedanken, sich Öl-Investments ins Depot zu legen. Das ist keine gute Idee.

23.04.2020 | 07:30 Uhr

Anlageberater und Vermögensverwalter kennen die Situation: Kunden schnappen in den Medien irgendwelche Trends auf und wollen eine vermeintlich sichere Chance nutzen, um dort zu investieren. So auch in diesen Tagen. Anlass ist diesmal der Ölpreis. Dieser rutschte am Montag dieser Woche zum ersten Mal in seiner Geschichte ins Minus. Zwar notiert Öl aktuell wieder über Null, doch die Preise sind immer noch historisch niedrig. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent Öl beträgt aktuell rund 20 US-Dollar. Ein Fass Öl der Sorte WTI wird derzeit für etwas mehr als 14 US-Dollar gehandelt. Und wenn die Preise zwischenzeitlich, wie am Montag geschehen, sogar ins Minus rutschen, liegt der Schluss nahe, man könne als Anleger jetzt Öl kaufen, bekäme dafür sogar noch Geld und hätte sogar dann einen risikofreien Gewinn sicher, wenn man das Öl anschließend verschenken würde.

Wer als Anlageberater seinem Kunden erklären muss, warum das leider nicht funktioniert, hat eine schwere Aufgabe vor sich. Denn die Finanzindustrie versucht seit Jahren, Rohstoff-Investments als „Beimischung“ und „sinnvolle Ergänzung“ zu verkaufen, mit denen Anleger ihr Depot angeblich besser diversifizieren könnten. Wer als verantwortungsvoller Berater seinen Kunden die Funktionsweise von Rohstoff-Investments erklärt, kommt leider nicht umhin, diese Behauptung ins Reich der Fabeln zu verweisen. 

Fakt ist: Man kann zwar kurzfristig mit Rohstoff-Spekulationen tatsächlich Gewinne erzielen. Dafür setzt man Derivate mit hoher Hebelwirkung ein und hofft auf schnelle Preisbewegungen der entsprechenden Rohstoffe, auf die man spekuliert. Das ist hoch riskant und kann ebenso schnell nach hinten losgehen, wie man zuletzt am Ölmarkt gesehen hat. 

Wer dagegen Vermögen aufbauen will, sollte die Finger von Rohstoffen lassen. Denn die Chance, mit Rohstoff-Investments langfristig Gewinne zu erzielen, geht gegen null. 

Der Rohstoffmarkt ist hoch komplex

Wer in Rohstoffe investieren will, sollte sich mit der Thematik sehr intensiv auseinandersetzen. Zyklische Entwicklungen, Prognosen, wann und wo wie viel eines Rohstoffs für die Produktion gebraucht wird, Lieferengpässe, Produktions-Verknappung, zukünftige mögliche Überschüsse verderblicher Waren, zu- und abnehmende Lagerbestände: Das Alles sind Faktoren, die die Marktteilnehmer ständig beurteilen und danach entscheiden, welchen Preis sie für ein bestimmtes Gut in der Zukunft erwarten. Wer sein Glück im Handel mit Rohstoffen sucht, darf die Tücken des Marktes nicht unterschätzen. Insbesondere vier Faktoren müssen Investoren gleichzeitig im Blick behalten. 

Erstens: die wirtschaftliche Entwicklung der Industriestaaten. Mit anziehender Konjunktur steigt die Industrieproduktion – und damit auch die Nachfrage nach Rohstoffen. Besonders Kupfer ist konjunktursensibel. Faustregel: Wenn die Industrieproduktion um ein Prozent steigt, nimmt die Nachfrage nach Kupfer um 0,8 Prozent zu. Umgekehrt gilt jedoch auch, dass der Kupferpreis sehr sensibel auf Konjunkturprognosen reagiert und sehr schnell fallen kann, wenn die Weltwirtschaft auch nur leicht an Dynamik verliert. Dazu kommt, dass China in den vergangenen Jahren zunehmend den Marktpreis bestimmt. So verbraucht allein das Reich der Mitte ein Drittel der Weltproduktion an Kupfer. Noch komplexer komplex ist die Situation bei Öl. Im Unterschied zu Kupfer ist Öl nicht nur für die Industrieproduktion, sondern für nahezu alle Bereiche der Wirtschaft ein wichtiger Rohstoff. Denn immer noch ist Öl der Hauptenergieträger – ganz gleich, ob es um Industrie, Verkehr, Nahrungsmittelproduktion, Tourismus oder auch Dienstleistung geht. Der Ölpreis gilt deshalb auch als Thermometer für die Befindlichkeit der Weltkonjunktur. Sinkt der Preis für den Treibstoff an der Tankstelle, freuen sich zwar Autobesitzer. Doch Volkswirte runzeln sorgenvoll die Stirn.

Zweitens: die Nachfrage- und Angebotsentwicklung der einzelnen Metalle am Rohstoffmarkt. Ein wichtiger Indikator für das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sind die aktuellen Lagerbestände. Faustregel: Sinkende Lagerbestände bewirken oft steigende Preise. Sind die Lager dagegen gut gefüllt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Preise fallen. Wie sehr dieser Effekt wirken kann, war beim Ölpreis-Crash am Montag gut zu beobachten: Die US-Öllager sind derzeit zum Bersten gefüllt. Wer Öl-Kontrakte mit Ablaufdatum in dieser Woche und Abnahmeverpflichtung für den Mai im Portfolio hat, braucht jetzt entweder einen entsprechend großen und leeren Tank vor der Tür. Oder er hat ein heftiges Problem. Deshalb rutschte der Preis für die entsprechenden Öl-Futures sogar ins Minus. Die Verkäufer der Öl-Futures schmeißen lieber Geld hinterher als neue Öltanks zu bauen. 

Drittens: die Besonderheiten des Terminmarktes. Der Rohstoffmarkt ist ein Terminmarkt. Anleger, die mit Hilfe von Zertifikaten oder sogenannten ETCs (Exchange Traded Commodities) in Rohstoffe investieren wollen, müssen sich im Klaren darüber sein, dass sie mit ihrem Investment niemals einen Rohstoff kaufen, sondern verbriefte Futures-Kontrakte auf die betreffenden Rohstoffe. Der Handel mit diesen Kontrakten hat es in sich. Denn die Terminkontrakte (Futures) auf Rohstoffe laufen monatlich aus. Käufer, die kein Interesse an einer Lieferung haben, müssen ihre Kontrakte vor dem jeweiligen Laufzeitende verkaufen und gegebenenfalls wieder in den nächsten folgenden Terminkontrakt investieren. Dieser Kontrakt kann günstiger sein, ist aber oftmals teurer als der auslaufende Kontrakt. Fürs gleiche Geld bekommen Investoren also weniger Anteile. Das bedeutet de facto einen Wertverlust. Da sich Privatinvestoren in der Regel keine Schiffsladungen mit Öl, Kupfer oder Weizen nach Hause schicken lassen, ist diese Besonderheit für sie von hoher Relevanz. Denn in Finanzprodukten wie beispielsweise Rohstoff-Zertifikaten, die über einen längeren Zeitraum laufen, wird dieser Tauschmechanismus von einem Kontrakt in den nächsten automatisch berücksichtigt. Das bedeutet im Klartext: Rohstoff-ETCs oder -Zertifikate können im Laufe der Zeit sogar dann an Wert verlieren, wenn der Preis für den betreffenden Rohstoff steigt. Schon allein aus diesem Grund sind Rohstoff-Investments als Instrument zur langfristigen Kapitalanlage völlig ungeeignet.

Viertens: die Währungsentwicklung. Bezahlt werden Rohstoffe grundsätzlich in US-Dollar. Der Devisenmarkt ist deshalb der vierte wichtige Faktor, den Investoren im Blick behalten müssen. Anleger sollten sich grundsätzlich entscheiden, ob sie auf Währungsgewinne spekulieren oder sich gegen die Unsicherheiten absichern wollen. Anleger, die das Währungsrisiko zum US-Dollar ausschalten wollen, können beispielsweise in sogenannte Quanto-Produkte mit Währungsabsicherung investieren. Ausschlaggebend für die Kurse bei diesen Produkten sind ausschließlich die Preisentwicklungen der jeweiligen Rohstoff-Futures. Wechselkurs-Verschiebungen zwischen US-Dollar und Euro spielen hier keine Rolle. Leider ist solche eine Währungsabsicherung nicht umsonst zu haben. Die Kosten dafür schwanken bei jedem Produkt von Monat zu Monat. Je nach Marktphase können die Kosten bis zu drei oder vier Prozent per annum betragen. Diese Kosten kommen zu den Rollkosten noch einmal hinzu. 

Rohstoffe selbst produzieren nichts

Es gibt ein weiteres wichtiges Argument gegen die Investition in Rohstoff-Produkte: Anders als Anleihen oder Aktien bieten Rohstoffe keine Zinsen oder Dividenden, die neben der reinen Kursperformance auch laufende Einnahmen generieren. Im Gegenteil. Durch die indirekte Investition in Futures am Terminmarkt entstehen laufende Kosten. Denn im Preis für die Futures steckt auch ein Zeitwert, der sich über die Laufzeit des Futures hinweg abbaut. Mit anderen Worten: Zeit kostet Geld. Mehr Zeit kostet mehr Geld. Deshalb eignen sich Rohstoff-Anlagen nicht als Investments für Privatanleger, um langfristig Vermögen aufzubauen, sondern dienen institutionellen Anlegern wie beispielsweise Rohstoff verarbeitenden Betrieben zur Absicherung gegen Preisrisiken – oder eben zur kurzfristigen, risikoreichen Spekulation. 

Fazit: Mit Hilfe von Zertifikaten oder ETCs können Anleger zwar in Rohstoff-Futures investieren. Private Investoren, die von Preisbewegungen an den Terminmärkten profitieren wollen, sollten sich allerdings sehr intensiv mit den Besonderheiten des Terminhandels beschäftigen und die Märkte aufmerksam beobachten. Oder einfach die Finger davon lassen.

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