Bei Investments in sicheren Staatsanleihen müssen Anleger mittlerweile Geld mitbringen. Ein Paradigmenwechsel, der sicher geglaubte Gewissheiten, dass man nämlich Zinsen bekommt, wenn man Geld verleiht, in Frage stellt.
28.06.2019 | 14:45 Uhr von «Christian Bayer»
Bei Investments in sicheren Staatsanleihen müssen Anleger mittlerweile Geld
mitbringen. Ein Paradigmenwechsel, der sicher geglaubte Gewissheiten, dass man
nämlich Zinsen bekommt, wenn man Geld verleiht, in Frage stellt. Auf absehbare
Zeit ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Neue Maßnahmen der EZB könnten
ab Herbst das Zinsniveau weiter drücken.
Besonders komfortabel ist die Situation für die Schweiz, die sogar für
30-jährige Staatsanleihen Geld bekommt. „Das ist eine ungesunde Entwicklung, an
die sich Anleger wohl gewöhnen müssen. Mittlerweile bemisst sich die Bonität
eines Staates daran, wie viel Geld er dafür erhält, dass er das Geld der Anleger
nimmt und bei sich parkt“, meint Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der auf
Risikomanagement spezialisierten Quant.Capital Management GmbH. Mittlerweile
können selbst Staaten, die nicht als hochsolide eingestuft werden, beim
Schuldenmachen Geld verdienen.
Investoren berappen 0,75 Prozent Zinsen, dass sie für sechs Monate Geld in
Schweizer Staatsanleihen stecken dürfen. Deutschland verdient hinter Dänemark
und den Niederlanden immer noch 0,58 Prozent und zahlt erst ab einer Laufzeit
von 15 Jahren wieder Zinsen. Bei kürzeren Laufzeiten werden die Anleger zur
Kasse gebeten. Aber selbst Länder wie Italien und Bulgarien können mit 0,16
bzw. 0,32 Prozent Zins, den Investoren zahlen müssen, mit ihren Staatspapieren bei
sechsmonatiger Laufzeit noch Geld verdienen. Quant.Capital Management weist
darauf hin, dass viele Investoren Bulgarien noch mit schwacher Bonität und
entsprechenden Risikoaufschlägen bei den Renditen in Verbindung bringen.
Entgegen
dieser Einschätzung hat das Land jedoch nach der Finanzkrise deutliche
Verbesserungen erzielen können. Die Wirtschaft wächst und die Verschuldung ist
sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesunken. Von
alten Gewissheiten müssen sich Investoren am Staatsanleihemarkt wohl
verabschieden: „Dass derjenige Geld erhält, der einem anderen Geld leiht, ist
auch so eine alte Gewissheit – von der sich die Märkte aber verabschieden
sollten“, sagt Mlinaric. „Wir werden auf absehbare Zeit keine Umkehrung dieser
Tendenz sehen. Im Unterschied zu Ländern wie Bulgarien, die ihre Hausaufgaben
erledigt haben, besteht beispielsweise in Italien und Frankreich Reformstau.
Hier verbessert sich die Lage nicht, sondern verschärft sich sogar.“
Ursache für diese Entwicklung ist die Bereitschaft der
Notenbanken, aus allen Rohren zu feuern, um die Zinsen am Boden zu halten. EZB-Chef
Mario Draghi hat Mitte Juni bei einer Rede im portugiesischen Sintra
Spekulationen um eine Neuauflage des Quantitative Easing-Programms für Herbst
oder Winter befeuert. Das erste Anleihekauf-Programm der EZB wurde im Dezember
2018 nach knapp vier Jahren beendet.
Banken-Experten rechnen bei den neuen
Maßnahmen mit einem monatlichen Volumen von 20 bis 30 Milliarden Euro bei
Staats- und Unternehmensanleihen für einen Zeitraum von zwölf Monaten. „Die
Staaten sollen sich entschulden, dafür nehmen die Notenbanken auch eine lange
Phase der Negativzinsen in Kauf“, so Mlinaric. „Und sie verlängern diese Phase
immer weiter, je weniger Staaten den Turnaround schaffen. Anleger müssen sich
deshalb auf eine weitere Durststrecke bei den Zinsen einstellen. Das kann
gerade für Institutionen mit Ausschüttungsbedarf schon sehr bald kritisch
werden.“
Eine mögliche Investment-Alternative zu Staatsanleihen sieht Jeff Burger,
Fondsmanager des BNY Mellon US Municipal Infrastructure Debt Funds in
US-amerikanischen Kommunalanleihen, so genannte „Municipal Bonds“: „Zum einen
sind sie deutlich sicherer als US-Unternehmensanleihen mit vergleichbarer
Kreditqualität. Bei Emissionen mit Investment-Grade-Status etwa fallen im
Schnitt 2,4 Prozent der Unternehmensanleihen aus, aber nur 0,04 Prozent der
Kommunalanleihen (Stand: September 2018).
Zweitens werden für
US-Kommunalanleihen höhere Renditen gezahlt. US-Municipals mit einer A-Bonität
bieten mit einer Laufzeit von drei Jahren 2,96 Prozent, vergleichbare
US-Staatsanleihen 2,36 Prozent und Unternehmensanleihen 2,79 Prozent (Stand
April 2019). Und drittens ist diese Anlageklasse weniger volatil, weil
US-Anleger damit verbundene Steuervorteile nutzen und die Papiere in der Regel
bis zum Ende der Laufzeit halten.“
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