Ab Januar 2018 tritt die neue Investmentsteuerrefrom in Kraft. Für offene Publikumsfonds, die in Deutschland aufgelegt sind, entfällt die Steuerfreiheit. Über die Änderungen, die sich für den Anleger ergeben, sprach FundResearch mit Wolfgang Wawro, Steuerberater und Experten des Deutschen Steuerberaterverbands e.V.
14.12.2017 | 09:59 Uhr
FundResearch: Herr Wawro, ab dem 1. Januar 2018 müssen deutsche Fonds auf bestimmte Erträge 15 % Steuern zahlen. Welche Werte sind davon betroffen?
Wawro: Inländische Investmentfonds müssen auf Kapitalerträge und inländische Entgelte, Einnahmen und Bezüge Körperschaftsteuer zahlen. Der Steuersatz beläuft sich auf 15 %.
FR: Betrifft die Investmentsteuerreform auch offene Immobilienfonds, selbst wenn sie 10 Jahre oder mehr gehalten wurden?
Wawro: Inländische Immobilienerträge unterliegen ebenfalls dem Steuerabzug von 15 %.Gewinne aus der Veräußerung von inländischen Immobilien unterliegen als private Veräußerungsgeschäfte nur der Besteuerung, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre lagen. Wenn die Immobilie länger als 10 Jahre gehalten wurde, erfolgt keine Veräußerungsbesteuerung im privaten Bereich. Wertveränderungen, die vor dem 1. Januar 2018 eingetreten sind, bleiben bei einer Veräußerung nach zehn Jahren steuerfrei.
FR: Welche Auswirkungen hat dies auf den NAV offener Immobilienfonds?
Wawro: Da sich eine Steuerbelastung allgemein auf Erträge bzw. Ausschüttungen bezieht, ergibt sich keine Auswirkung auf den Nettoinventarwert des Immobilienbestands.In außergewöhnlichen Situationen, wenn zu viel Auszahlungen erforderlich werden, die Immobilienveräußerungen notwendig machen, könnte dies wie etwa 2008/2009 zu einer Abwertung der NAVs führen. Damit dürfte aber nicht zu rechnen sein, weil inzwischen die Anteilsrückkäufe rechtlich limitiert worden sind.Extreme Marktschwankungen könnten jedoch die NAVs beeinflussen, wenn die Zinsentwicklung sich stark positiv entwickeln würde und die spürbar angestiegenen Immobilienpreise sich empfindlich rückläufig entwickelten.
FR: Was bedeutet die Gesetzesänderung für Privatanleger - erhöhen sich für sie künftig die Steuern und was ändert sich für sie bei der Besteuerung?
Wawro: Private Fondsanleger werden ab 2018 einige Änderungen zu begrüßen oder zu verkraften haben. Die laufende Fonds-Ertragsbesteuerung wird für die Finanzämter vereinfacht, für die Anleger aber in einigen Fällen teurer als bisher. Das erforderliche Handling trifft den Anleger nicht unmittelbar, denn damit sind die Depotbanken bzw. Fondsverwalter belastet. Die Besteuerungsanteile sind abhängig von der Art der Fondsbeteiligung. In der Regel ergibt sich eine Kapitalertragsteuer von 25 %, die als Abgeltungsteuer wirkt.
Lediglich in bestimmten Fällen im Bereich gewerblicher der Körperschaftsteuer unterliegenden Erträge bzw. Ausschüttungen beträgt die Kapitalertragsteuer lediglich 15 %, ebenso als Abgeltungsteuer.Abweichungen ergeben sich aus der Art der Fondsbeteiligungen, die zu einer gerechteren Besteuerung führen sollen:
30 % bleiben steuerfrei bei Aktienfonds mit mindestens 51 % Aktienanteil,
15 % bleiben steuerfrei bei Mischfonds mit mindestens 25 % Aktienanteil,
60 % bleiben steuerfrei bei Immobilienfonds mit mindestens 51 % Immobilienanteil
oder sogar 80 % frei, wenn sie im Ausland investiert sind.
FR: Für Anleger thesaurierender Fonds und Fonds mit Teilausschüttung wird künftig eine Vorabpauschale fällig. Worum handelt es sich dabei?
Wawro: Die neue Vorabpauschale wird dem Anleger auf seinem Konto zu Beginn des Folgejahres belastet und gilt am ersten Werktag des Folgejahres als zugeflossen. Ermittelt wird die Vorabpauschale aus den Ausschüttungen innerhalb eines Kalenderjahres, die den Basisertrag für dieses Jahr unterschreiten. Das heißt etwas vereinfacht ausgedrückt, wenn der Fondsertrag beispielsweise 6 € betragen hatte, aber nur 2 € ausgeschüttet werden, bleiben 4 € thesauriert und darauf wird die Vorabpauschale erhoben.
Konkret ist es etwas komplizierter: Der Basisertrag ergibt sich durch Multiplikation des Rücknahmepreises des Investmentanteils zu Beginn des Jahres mit 70 % des Basiszinses, den die Deutsche Bundesbank aufgrund der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet. Der Basiszins wird aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abgeleitet. Den maßgeblichen Zinssatz veröffentlicht das Bundesfinanzministerium im Bundessteuerblatt.
Diese komplexe Rechtsgestaltung belastet zwar die Liquidität, die Vorabpauschale wird aber bei der Veräußerung von Investmentteilen in Anrechnung gebracht. Bei einer zu erwartenden Abschaffung der Abgeltungsteuer kann dies zu einer Steuerentlastung im Rahmen der Progression werden.
FR: Was müssen Fondgesellschaften und Privatanleger bei der Vorabpauschale beachten?
Wawro: Die Vorabpauschale knabbert zunächst an der persönlichen Liquidität, nicht an der des Fonds. Die geschilderte Ermittlung wäre gegebenenfalls zu überwachen, das sollte durch den Investmentfonds erfolgen, nicht durch jeden einzelnen Anleger Fonds. Bei Veräußerung von Fondsanteilen ist es aber ratsam, wenn der Anleger die korrekte Anrechnung der Vorabpauschalen unter Kontrolle behält.
FR: Was würden Sie Privatanlegern raten, sollten sie noch vor der Reform in Fondsanteile investieren?
Wawro: Aus Anlegersicht spricht in erster Linie die erwartete Fondsentwicklung in eine rasche Investition, weniger jedoch die Umsetzung der steuerlichen Reform. Lediglich im Falle beabsichtiger Schenkung könnte sich eine Erwerbsüberlegung stärken wegen der Wegfalls des bisherigen Bestandsschutzes der vor 2009 erworbenen Wertpapiere, um durch Schenkung im Familienkreis die Freibeträge zu vervielfältigen.
FR: Der Bestandsschutz für Fondsanteile, die vor 2009 gekauft wurden, bleibt nicht erhalten. Wie löst der Gesetzgeber dieses Problem?
Wawro: Der Bestandsschutz, den der Gesetzgeber für vor 2009 erworbene Wertpapiere hinsichtlich von Veräußerungsgewinnen freigestellt hat, schmilzt nun dahin, aber in den meisten Fällen hilft eine Übergangsregelung gemäß § 56 InvStG. Die Wertzuwächse seit dem Erwerb gelten danach nämlich zum 31.12.2017 fiktiv als veräußert. Weil bis dahin aber die alte Regelung der Steuerfreiheit gilt, fällt für die fiktive Veräußerung keine Einkommensteuer an. Sodann gelten die tatsächlich nicht veräußerten Fondsanteile als am 01.01.2018 angeschafft und losgelöst von den tatsächlichen Anschaffungskosten vor 2009 mit dem Wert des letzten im Jahr 2017 festgesetzten Rücknahmepreises. Somit werden folglich „nur“ die künftigen Wertzuwächse der Besteuerung zugeführt, aber für die ehemals bestandsgeschützen Alt-Anteile gibt es einen Veräußerungsfreibetrag von 100.000 €. Also für die meisten Fondssparer nicht so schlimm oder sogar egal. Für vermögende Anleger gesondert angelegte sog. „Millionärsfonds“ müssen dieses Problem aber anders einschätzen.
FR: Wie verhält es sich das in Bezug auf Schenkungen im Familienkreis oder bei guten Bekannten?
Wawro: Bei solchen Schenkungen gilt für Vermögenswerte die Rechtsnachfolge und wer über nennenswertes Alt-Fondsvermögen verfügt kann nicht nur Nettes tun, sondern auch seinen neuen ab 2018 geltenden Freibetrag von 100.000 € vervielfältigen.
Wer z.B. Alt-Vermögen von 300.000 € sein Eigen nennt, kann davon in Zukunft bis zu 100.000 € steuerfrei veräußern, aber muss evtl. weitere Veräußerungsgewinne versteuern. Schenkt er oder sie nun 100.000 € dem Ehepartner und das gleiche dem Kind haben diese Begünstigten nicht nur das Geschenk sondern auch jeweils einen Veräußerungsfreibetrag für Alt-Vermögen von 100.000 € aus der Rechtsnachfolge. (Schenkungssteuerfrei sind 500.000 € für den Ehegatten oder 400.000 € für jedes Kind.) Selbst dem freundlichen Nachbarn steht immerhin ein Schenkungsteuerfreibetrag von 20.000 € zu. Und auch dieser verfügt über einen Veräußerungsgewinn-Freibetrag von 100.000 € für den frisch erhaltenen Vermögenszuwachs, der wegen Rechtsnachfolge als Alt-Bestand gilt.
FR: Wie ist ihre Handlungsempfehlung für Privatanleger, sollten Sie vor 2009 erworbene Fondsanteile verkaufen?
Wawro: Das ist nach den soeben aufgezeigten Regeln und Gestaltungshinweisen nicht nötig. Es sei denn, man hält große Anteile an einem auch erwähnten „Millionärsfonds“. Da wäre der 100.000 € Freibetrag für Veräußerungsgewinne von Alt-Beständen etwas wenig. Aber eine steuerliche Entlastung durch Schenkungen wäre auch in solch einem Fall angezeigt.
FR: Was bedeutet die Investmentsteuerreform für staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte (Riester/Rürup) und für fondsgebundene Lebensversicherungen und lohnt sich künftig der Abschluss einer solchen Anlage?
Wawro: Für solche Investmentfonds im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen besteht Steuerbefreiung auf Antrag des Investmentfonds, wenn diese gem. § 5 oder 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert wurden.
FR: Vielen Dank für das Gespräch.
(DW/AB)
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