Wer beim Immobilienverkauf Steuern sparen will, gründet dafür einfach eine Immobilien-Gesellschaft und verkauft deren Anteile. Diese Gesetzeslücke will die Regierung nun schließen. Experten zweifeln an dem Plan.
15.10.2019 | 07:30 Uhr
Die Bundesländer, schon immer klamm mit ihren Finanzen, haben vor etwa fünf Jahren ein einfaches Instrument entdeckt, um wieder mehr Geld in die Landeskassen zu bekommen: die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Zunächst erhöhten Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Steuer. Bald zogen andere Länder nach. Nordrhein-Westfalen erhöhte zum 1. Januar 2015 die Steuer auf Grunderwerb von 5,0% auf 6,5%, ebenso das Saarland. Seit 2017 müssen auch Immobilienkäufer in Thüringen 6,5% Grunderwerbsteuer zahlen. Am 1. Juli 2019 wurde die Grunderwerbsteuer in Mecklenburg-Vorpommern auf 6% erhöht. Es ist leicht verdientes Geld. Ein kleiner Dreh an der Steuerschraube, und schon fließen mehr Abgaben aus einem der kapitalintensivsten Wirtschaftszweige in die Landeskassen.
Umso ärgerlicher ist es für die Finanzminister der Länder, dass sie ausgerechnet bei großen Immobiliendeals immer häufiger nur hilflose Zuschauer sind. Denn gewiefte Profis nutzen ein vergleichsweise einfaches Modell, um bei Immobilienkäufen keine Grunderwerbsteuer zahlen zu müssen. Der Trick: Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden, gründen die Eigentümer eines Grundstücks ein Unternehmen, dessen einziger Vermögensgegenstand dieses Grundstück ist. Wenn der Käufer statt des Grundstücks die Anteile an dieser Gesellschaft erwirbt, bleibt die Gesellschaft rechtlich Eigentümerin des Grundstücks. Ein Eigentumswechsel des Grundstücks findet nicht statt. Nach der bisherigen Steuerregelung wird bei einem Erwerb von weniger als 95 Prozent der Anteile einer solchen Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren keine Grunderwerbsteuer fällig.
Diese Gesetzeslücke will die Regierung nun schließen. Deshalb fand gestern, am 14. Oktober 2019, eine Anhörung im Bundestag statt. Experten verschiedener Verbände und aus der Wissenschaft nahmen Stellung zu einem Gesetzentwurf der Regierung.
Die Koalitionäre haben eine recht simple Idee vorgelegt, um dem Problem Herr zu werden: Die Neuregelung sieht vor, dass die Beteiligungsschwelle, ab der ein Grundstückserwerb angenommen wird, auf 90 Prozent abgesenkt wird. Außerdem soll die Frist verlängert werden, innerhalb derer die Anteilskäufe der neuen Eigentümer berücksichtigt werden. Sie soll statt fünf in Zukunft zehn Jahre betragen.
Der als Sachverständiger geladene niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) erklärte dazu, wer eine Gestaltung auf 94,9 Prozent hinbekomme, bekomme auch 89,9 Prozent hin. Der Gesetzentwurf erreiche die Ziele nicht, warnte Hilbers, der sich für ein „schlüssiges, effektives und systematisches Gesamtkonzept“ aussprach.
Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft kritisierten, dass in Zukunft Unternehmen erfasst würden, die Immobilien für die operativen Geschäfte des Unternehmens benötigen würden, zum Beispiel Produktionshallen und Bürogebäude. Bei diesen würden zukünftig wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen unter Beteiligung von grundbesitzenden Gesellschaften behindert. Ebenfalls würden Immobilien als Kapitalanlage, beispielsweise für Altersvorsorgeprodukte, getroffen, obgleich derartige Investitionen ebenfalls nicht aus Steuerspargründen getätigt würden.
Kritik kam auch aus der Wissenschaft, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So erläuterte Prof. Dr. Henning Tappe von der Universität Trier, dass die Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsschwelle von 95 auf 90 Prozent mit Blick auf die Verhinderung von Gestaltungen ein Schritt in die richtige Richtung sei. Share Deals würden jetzt aber nicht unattraktiver. Sicher verhindert würden sie auf diese Weise nicht. Die Absenkung der Grenze sei nicht ausreichend.
Tappe brachte eine Absenkung der Grenze auf 75 Prozent ins Spiel. Es werde zwar das Scheunentor geschlossen, „aber die Flügeltür bleibt offen“. Auf Fragen von Abgeordneten erklärte er, es sei schwer zu rechtfertigen, dass private Erwerber bis zu 6,5 Prozent Steuern entrichten müssten, große Unternehmen, die ganze Straßenzüge kaufen würden, aber nicht. Für eine Absenkung auf 75 Prozent plädierte auch Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Universität Passau). Die Absenkung der Beteiligungsschwelle auf 90 Prozent in Kombination mit der Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre erscheine „unzureichend zur Verhinderung von Steuerumgehungen“.
Prof. Dr. Ulrich Hufeld von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg gab zu bedenken, dass Umgehungsgestaltungen zwar unattraktiver würden, sie blieben bis zur Grenze von 89,9 Prozent jedoch immer noch attraktiv genug. Eine weitere Senkung der Grenze sah er kritisch. Die Zehnjahresfrist bezeichnete er als möglicherweise verfassungswidrig.
Der Bundesrat hat, wie zu erwarten war, in seiner Stellungnahme die vorgesehenen Regelungen begrüßt. Es sei nicht hinnehmbar, dass etwa der Erwerb eines Eigenheims mit Grunderwerbsteuer belastet werde, während die Übertragung von großen Gewerbeimmobilien oder umfangreichen Wohnungsbeständen nicht selten unter Umgehung der Grunderwerbsteuer gestaltet werden könne.
Allerdings fordern die Länder, börsennotierte Kapitalgesellschaften von einigen Regelungen des Gesetzentwurfs auszunehmen. Die Ausgabe von Anteilen und deren Verbreitung über die Börse sei für Kapitalgesellschaften ein gängiges Mittel zur Kapitalbeschaffung. Dabei stünden andere Gründe als die Einsparung von Grunderwerbsteuer im Vordergrund. Der Handel mit Anteilen über eine Börse würde zu Wechseln der Anteilseigner und somit zu einer Besteuerung führen, obwohl regelmäßig keine missbräuchliche Gestaltung vorliege. Daher sei ebenso eine Ausnahmeregelung für solche Kapitalgesellschaften erforderlich wie eine Regelung, um Konzerne steuerneutral umstrukturieren zu können.
Diesem Einwand hat die Bundesregierung bereits zugestimmt. Börsennotierte Aktiengesellschaften sollen bei Veränderungen der Aktionärsstruktur nicht zur Grunderwerbsteuer herangezogen werden. Die konkrete Ausgestaltung des Vorschlags müsse jedoch vertieft geprüft werden. Auch die Bitte des Bundesrates, bei Grundstückstransaktionen zwischen Konzerntöchtern auf die Grunderwerbsteuer zu verzichten, will die Regierung prüfen.
Fazit: Die Bundesregierung hat sich nicht besonders viel Mühe gegeben, die bestehende Gesetzeslücke zu schließen. Es sollen nur die Hürden etwas erhöht werden. Die grundsätzliche Möglichkeit der Steuervermeidung wird auch im Falle einer Gesetzesreform bestehen bleiben. Es ist unklar, was die Regierung eigentlich mit dem Gesetz bezwecken will.
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