Die Deutschen trauen der Finanzindustrie und deren Produkten nicht. Nur der Social-Media-Sektor erscheint ihnen noch suspekter. Das ist die bittere Erkenntnis einer aktuellen Umfrage. Immerhin haben die Angestellten der Finanzinstitute eine gute Meinung von ihren Arbeitgebern.
12.07.2023 | 07:30 Uhr
Es steht nicht gut um das Vertrauen der Anleger in die deutsche Finanzbranche. Glaubt man den Umfrageergebnissen des aktuellen Edelman Trust Barometer – Insights for Financial Services, vertrauen nur 40 Prozent der Befragten hierzulande Unternehmen aus dem Financial-Service-Sektor. Das ist ein beeindruckendes Misstrauensvotum im Vergleich zum globalen Durchschnitt von 59 Prozent. Was nicht heißt, dass die Finanzindustrie international nicht auch kritisch gesehen wird. Von 17 ausgewählten Branchen schenken Kunden weltweit Unternehmen aus dem Finanzsektor am zweitwenigsten Vertrauen – nur Unternehmen aus dem Social-Media-Sektor wird noch weniger vertraut.
Ein Blick auf einzelne Subsektoren der Finanzbranche zeigt: Krypto-Währungen und digitalen Assets wird in Deutschland besonders tiefes Misstrauen entgegengebracht. Nur 18 Prozent der Deutschen vertrauen diesem Subsektor. Nicht viel besser sieht es in den Bereichen Investment Management (34 %), Finanzberatung (33 %) und Fintech-Unternehmen (31 %) aus. Rund jeder Dritte vertraut Unternehmen aus diesen Bereichen.
Gespalten ist die Republik in Bezug auf die Beurteilung von Unternehmen aus den Sektoren Sachversicherung (53 %) und Personenversicherung (51 %). Zwar traut auch nur jeder zweite Befragte den Banken (54 %). Doch die Branche hat in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr eine erstaunliche Entwicklung hingelegt: Der Trust Score für Banken nahm um 16 Prozentpunkte zu. Der Bankensektor hat also von 2022 auf 2023 in Deutschland deutlich an Vertrauen gewonnen. Diese Entwicklung koppelt sich vom Rest der global befragten Länder ab, wo Banken durchschnittlich nur zwei Prozentpunkte gewinnen konnten. Ein Wermutstropfen bleibt: Mit 63 Prozent sprechen die global Befragten dem Bankensektor jeweils in ihrem Land immer noch ein höheres Vertrauen aus als die Befragten in Deutschland. Auf die Frage „Dienen die Finanzdienstleistungsunternehmen den Interessen aller gleichermaßen und gerecht?“ haben nur 27 Prozent der Deutschen mit Ja geantwortet.
„Insgesamt legen die Ergebnisse ein fundamentales Vertrauensdefizit in einen wichtigen Bereich unserer Volkswirtschaft offen“, sagt Holger Nacken, Managing Director Financial Services bei Edelman Smithfield. Ein weiterer Rückgang des Vertrauens sei auch auf globaler Ebene zu erwarten. „Wir haben Ende vergangenen Jahres die Implosion des Krypto-Riesen FTX gesehen. In den USA haben Pleiten von Regionalbanken die meisten unvorbereitet getroffen. In der Schweiz gab es die von der Regierung geleitete Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, die das Vermögensverwaltungsgeschäft weltweit und auch das Schweizer Bankwesen umgestalten wird“, so Nacken. Kurz: Der gesamte Sektor werde in der Öffentlichkeit wieder sehr kritisch gesehen.
In der aktuellen Situation bestehe ein hohes Branchenrisiko: Die Probleme einzelner Finanzunternehmen strahlten negativ auf den gesamten Sektor ab, erklärt Holger Nacken. Sein Rat: „Je klarer ein Finanzinstitut seine eigenen Unternehmenswerte kommuniziert und öffentlich verstanden wird, desto besser sind seine Chancen, solche Krisen zu überstehen und sogar gestärkt daraus hervorzugehen.“ Auf die Frage, wie Unternehmen der Finanzbranche in diesem Misstrauens-Klima Vertrauen schaffen könnten, erkennt Holger Nacken eine bisher noch wenig genutzte Ressource: „Von allen untersuchten 17 Branchen ist das Vertrauen der Belegschaft innerhalb des Finanzsektors in den jeweils eigenen Arbeitgeber mit 83 Prozent am höchsten im Vergleich zu allen anderen Branchen. „Hier bietet es sich an, diese Ressource zu nutzen und die eigenen Angestellten glaubhaft in die Kommunikation einzubinden“, rät Nacken. Aufbau und Stärkung von Vertrauen seien heute vor allem eine Frage der Transparenz, der Ehrlichkeit und der Vorbereitung. Das müssten die Mitarbeiter in ihrer Kommunikation ausstrahlen. In einer sozial und global vernetzten Welt mit der ihr innewohnenden Schnelligkeit könne dies enorme Wirkung entfalten.
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