Unabhängig vom Investmentzyklus können Special Situations bei Unternehmensanleihen als attraktive Renditebringer dienen. Zudem diversifizieren sie das Portfolio sinnvoll.
01.07.2019 | 14:00 Uhr von «Christian Bayer»
Unabhängig vom Investmentzyklus können Special Situations bei
Unternehmensanleihen als attraktive Renditebringer dienen und zudem das
Portfolio sinnvoll diversifizieren, stellen Galia
Velimukhametova, Senior Investment Manager, und Gareth Payne, Senior Client
Portfolio Manager von Pictet Asset Management fest. Die beiden
Experten verweisen auf Fälle in ganz Europa, in denen Unternehmen in Schieflage
geraten sind, wie z. B. die Gastronomiekette des bekannten Kochs Jamie Oliver
in Großbritannien oder der spanische Discounter DIA. Rallye aus Frankreich, der
Mutterkonzern des Lebensmittelhändlers Casino, war ebenso betroffen wie der
Möbelkonzern Steinhoff, der in Deutschland und Südafrika gelistet ist. Anleger
konnten die Situationen gewinnbringend nutzen.
Aus Sicht der Experten ist für das gewinnbringende Nutzen von Special
Situations die Fähigkeit entscheidend, zu analysieren, wann die Anleihen
gekauft oder verkauft werden sollen. „Wenn zum Beispiel der Markt noch nicht
vollständig eingepreist hat, wie stark ein Unternehmen in finanzielle
Schieflage geraten ist, lassen sich mit einem Leerverkauf seiner Anleihen
Renditen erzielen. Dies setzt eine genaue Analyse unter Druck geratener
Unternehmensanleihen voraus, d. h. wann sie unter ihrem Nennwert gehandelt
werden und ihre Rendite auf zehn Prozentpunkte über die als Benchmark dienenden
Staatsanleihen mit denselben Laufzeiten steigt“, so die Pictet-Experten.
Im
Falle einer Zahlungsunfähigkeit des betreffenden Unternehmens könnten
Investoren durch den Rückkauf von Anleihen Renditen erwirtschaften, wenn sie
mit einer erfolgreichen Umstrukturierung des Unternehmens rechnen oder sie die
verbleibenden Vermögenswerte für unterbewertet halten.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass mit diesem Ansatz attraktive Erträge
zu erzielen waren. „In den letzten 20 Jahren ließen sich mit Investments in
notleidende Anleihen jährliche Renditen von 7,2 Prozent im Vergleich zu 6,8
Prozent bei globalen Hochzinsanleihen erzielen“, so Velimukhametova und Payne.
Dies ergibt ein Vergleich des Hedge Fund Research Distressed/Restructuring
Index mit dem ICE BofA Merrill Lynch Global High Yield Index.
„Ein Grund dafür
ist die asymmetrische Wesensart von Anleihen. Normalerweise bietet der Handel
mit Unternehmensanleihen nicht viel Aufwärtspotenzial – eine plötzliche Verbesserung
der Ratings eines Anleihenemittenten oder rückläufige Renditen von
Staatsanleihen können einen gewissen Anstieg bewirken, aber der mit Abstand
größte Teil der Rendite wird in Form von regelmäßigen Zinszahlungen
erwirtschaftet.
Im Gegensatz dazu kann der Schaden für ein Anleihenportfolio
schwer und nachhaltig sein, wenn ein Anleihenemittent einen Ausfall erleidet.
Das ist auch der Grund, warum das Shorten voll eingepreister Anleihen von
Unternehmen, die in Schieflage geraten sind, so lohnend sein kann“. Für eine
Anfälligkeit des Unternehmensanleihenmarktes sorge die Tatsache, dass ein
Rekordanteil der Unternehmensanleihen mit BBB, d.h. dem niedrigsten
Investmentgrade-Rating, bewertet ist.
Die Pictet-Strategen verweisen darauf, dass die Berücksichtigung notleidender Bonds in einem Portfolio auch zu einer sinnvollen Diversifikation führt: „Im Gegensatz zu Aktien und Unternehmensanleihen mit höherem Rating, die mit Konjunkturabschwüngen in der Regel nur schlecht zurechtkommen, ist das Shorten von Problem-Unternehmensanleihen in solchen Zeiten besonders einträglich. Diese Anlageklasse liefert typischerweise positive Renditen, wenn traditionelle Anlageklassen – und insbesondere Aktien – versagen. Unternehmen nehmen in der Regel dann Fremdkapital auf, wenn es ihnen gut geht, und bekommen Probleme, wenn sich der Konjunkturzyklus umkehrt.“
Velimukhametova und Payne ziehen den europäischen Anleihemarkt für die
Special-Situations-Strategie dem US-Markt vor, da in den USA aus ihrer Sicht
die Ausfallquoten vergleichsweise gering sind und die Strategie weit verbreitet
ist, so dass viele Manager wenigen Chancen hinterherlaufen.
„Europa hingegen
bietet gute Investmentgelegenheiten für Special Situations-Anleger. Es gibt
relativ wenig Wettbewerb um unter Druck geratene und notleidende Anlagen,
sodass die Bewertungen günstig sind. Dies erfordert aber auch konsequente
interne Kreditanalysen, bei denen Spezialisten mit weitreichender Erfahrung
effizient die Covenants überprüfen und interpretieren können. Darüber hinaus
ist das Umfeld aufgrund der Vertragsbedingungen des Markts – mit verschiedenen
Rechtsordnungen, Sprachen und Investmentkulturen – viel komplexer, was Anlegern
mit lokalem Wissen besonders zugutekommt.“
Mit BBB bewertetes, auf Euro lautendes Unternehmensanleihen-Universum, % des Gesamtmarktwerts
Quelle: Pictet AM
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