Kann die britische Regierung ihr Versprechen zum Wohnungsbau einhalten? | |
4/2018 | |
Tim Morris | |
M&G Investments (Website) |
Mit dem Wahlversprechen, eine Million Wohnungen zu bauen, hat sich die britische Regierung ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, dessen Umsetzung zu scheitern droht. Was bedeutet das für Investoren?
20.04.2018 | 13:43 Uhr
Die aktuelle konservative Regierung sicherte die Einhaltung ihres Wahlversprechens aus dem Jahr 2015 zu, bis Ende 2020 eine Million Wohnungen und „weitere 500.000 bis Ende 2022 zur Verfügung zu stellen“. Um das zu erreichen, müssten die Fertigstellungen auf ein Niveau steigen, wie man es seit den späten 1970er Jahren nicht mehr erlebt hat.
Leider stellt die Erweiterung des Wohnraumangebots die britische Regierung bereits seit langer Zeit vor eine schwierige Herausforderung. In der jüngeren Vergangenheit konnten Erfolge mit der Anzahl der 2016/2017 fertiggestellten neuen Wohnungen verbucht werden. Die Zahl kletterte auf 178.000 und entspricht damit beinahe der Anzahl aus den Jahren 2008/2009. Allerdings liegt dies immer noch weit unter den Höchstständen von vor der Krise der Jahre 2007/2008 von 215.000 sowie den längerfristigen Spitzenständen von 378.000. Aufgrund der Ungewissheit mit Blick auf den Brexit dürfte die Anzahl der Fertigstellungen durch Privatunternehmen, die letztes Jahr 145.000 Wohnungen bauten, vermutlich nicht weiter steigen, und es ist wahrscheinlich, dass die Zahl der Fertigstellung neuer Wohnungen zukünftig sogar sinken wird. Darüber hinaus haben sich die örtlichen Gebietskörperschaften schon vor langer Zeit vom Wohnungsbau abgewandt. Aufgrund der Budgetrestriktionen, denen sie sich derzeit gegenübersehen, werden sie in naher Zukunft wohl nicht in großem Umfang an den Markt zurückkehren.
Sollte die Regierung also auf irgendeine Weise ihr Ziel erreichen, dann dürfte dieser zusätzliche Wohnungsbau höchst wahrscheinlich auf die Branche der Wohnungsbaugesellschaften zurückzuführen sein.
Wohnungsbaugesellschaften sind überwiegend gemeinnützige, wohltätige Organisationen, die verschiedene Arten von Wohnraum zur Verfügung stellen, vor allem Sozialwohnungen. Diese sozialen Wohneinheiten werden zu den Mietpreisen der Teilmärkte angeboten und sind landesweit sehr gefragt, insbesondere im Südosten Großbritanniens. Ein Großteil der Miete stammt aus dem Wohnungszuschuss, den der Mieter erhält. Dies ist eine signifikante Quelle für sehr stabile Einkommen und einer der Gründe, weshalb Wohnungsbaugesellschaften den Immobilienmarkt anders angehen können als Privatunternehmen und weshalb sie mit Blick auf den Marktwert eine längerfristige Perspektive einnehmen können.
Ersichtlich ist dies in der unten aufgeführten Grafik, die zeigt, dass in Phasen mit schwachem oder negativem Wirtschaftswachstum in Großbritannien der Anteil der von den Wohnungsbaugesellschaften fertiggestellten Wohnungen an den insgesamt errichteten Wohnungen zunimmt.
Wohnungsbaugesellschaften können im Vergleich zu anderen Bauträgern eine längerfristige Perspektive zum Immobilienmarkt einnehmen, da sie den Marktbewegungen nicht so stark ausgesetzt sind. Sie entwickeln zwar Immobilien, die am Markt verkauft werden, allerdings geschieht das in geringem Umfang und die Immobilien könnten außerdem aufgrund der hohen Nachfrage in Sozialwohnungen umgewandelt werden, bis sich der Markt wieder erholt hat und so als Einnahmequelle dienen.
Meiner Meinung nach ist es vollkommen unrealistisch, dass die Regierung das derzeitige Ziel erreichen wird. Nicht nur muss die Aufbringung der Mittel gesteigert werden, sondern es muss auch eine Lösung für den deutlichen Fachkräftemangel gefunden werden. In dem letzten Markt Update berichtete der Geschäftsführer der Federation of Master Builders: „Die Anzahl der Befragten, die Schwierigkeiten bei der Einstellung von Fachkräften wie Maurer und Schreiner mit Schlüsselqualifikationen angaben, war nie zuvor so hoch.“ Dies ist ein ernstzunehmendes Problem, vor allem in Kombination mit den Schwierigkeiten mit den großen Bauunternehmen wie Carillion. Für die Regierung ist es eine schwere Aufgabe, all diese Probleme zu lösen, und sie wird sie zwangsläufig nicht alle lösen können. Aber jeder Fortschritt, der erzielt werden kann, wird für alle von Vorteil sein, nicht nur für die Investoren.
Wohnungsbaugesellschaften beschaffen das Kapital für ihre Entwicklungsprojekte an den Märkten und nutzen eine Kombination aus Schuldverschreibungen und staatlichen Fördermitteln. Die Kapitalmärkte sind eine hervorragende Quelle für günstige, langfristige Finanzierungen, derzeit innerhalb von 150 Basispunkten im Verhältnis zu Gilts für die größeren Emittenten, und die Regierung hat Zuschüsse in Höhe von weiteren 2 Mrd. GBP zugesichert. Die Frage ist, ob das für die Erreichung des mittelfristigen Ziels der Regierung ausreichend ist? Investitionen in diesem Sektor gehen auch mit dessen Herausforderungen einher, dazu zählen kurzfristige Risiken eines Engagements an einem ungewissen Immobilienmarkt und eine indirekte Verbindung zu einem möglicherweise schwächer werdenden Staat sowie die Notwendigkeit für eine langfristige Einschätzung aufgrund der Laufzeiten der Schuldverschreibungen (üblicherweise 30 Jahre). Anleger, die mit diesen Herausforderungen zurechtkommen, erhalten hier jedoch ein gutes Wertpotenzial gegenüber Unternehmensanleihen mit vergleichbarem Rating.
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