Das Wohnungseigentumsgesetz wird reformiert. Entscheidungen sollen in Zukunft schneller getroffen werden können. Dafür werden die Rechte von Eigentümern zum Teil beschnitten. Die Kompromissformel zur Verteilung der Kosten ist nicht unproblematisch.
02.10.2020 | 09:31 Uhr
Der Bundestag hat vor wenigen Tagen die Reform des Wohnungseigentums-Gesetzes (WEG) beschlossen. Das war bitter nötig. Das Gesetz regelt in nahezu unveränderter Form seit 1951 die Rechte und Pflichten von Besitzern von Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Es ist ein heikles Thema. Rechtsstreitigkeiten zwischen Eigentümern und Mietern oder auch Zwist innerhalb von Eigentümergemeinschaften füllen die Terminkalender der Gerichte. Die Gesetzesnovelle, die voraussichtlich am 1. Dezember 2020 in Kraft tritt, soll für mehr Klarheit und Effizienz sorgen.
Das Papier hat es in sich. Auf die Eigentümer von rund zehn Millionen Wohnungen in Deutschland kommen zum Teil gravierende Änderungen zu. So werden etwa bauliche Veränderungen und Modernisierungen von Wohnungseigentumsanlagen erleichtert. Die Befugnisse von Hausverwaltungen werden erweitert, gleichzeitig wird dafür der Verwaltungsbeirat als Kontrollorgan der Verwalter aufgewertet. Im Großen und Ganzen ist dem Gesetzgeber ein großer Wurf gelungen.
Problematisch ist allerdings der Passus, in dem es um die Verteilung der Kosten für Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum geht. Ausgerechnet um diesen Punkt wird auf Eigentümerversammlungen besonders häufig gestritten. Beliebtes Druckmittel von Eigentümern, die ihren Willen durchsetzen oder einfach einen Beschluss der Mehrheit verhindern wollen, ist ihr Veto: Eine Gegenstimme reicht bisher, um die Beschlussfassung zu baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum zu blockieren. Diese Möglichkeit soll es ab Dezember nicht mehr geben. Die Sanierung und Modernisierung von Wohneigentum soll so einfacher werden. Konkret bedeutet das: Gemäß § 20 Abs. 1 WEG-neu können Eigentümer künftig schon mit einfacher Mehrheit Baumaßnahmen beschließen. Falls die Maßnahme mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile beschlossen worden ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG-neu), haben alle Wohnungseigentümer die Kosten entsprechend ihrem Miteigentumsanteil zu tragen – es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Durch diese Einschränkung sollen einzelne Eigentümer vor einer finanziellen Überforderung geschützt werden.
Eine Verteilung der Kosten auf sämtliche Eigentümer ist auch vorgesehen, wenn sich die Kosten der Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 WEG-neu). Problematisch ist allerdings, dass das Gesetz nicht definiert, was als „angemessener Zeitraum“ zu verstehen ist.
Auch eine zweite wichtige Einschränkung zur Verteilung der Kosten ist von Relevanz: Wird eine Baumaßnahme nur mit einfacher Mehrheit beschlossen, müssen nur diejenigen Eigentümer, die der Maßnahme zugestimmt haben, die Kosten tragen. In der Praxis könnte dies zu taktischem Abstimmungsverhalten einzelner Eigentümer führen: Wer eine Baumaßnahme zwar befürwortet, sich vor den Kosten aber drücken will, könnte gegen die Maßnahme stimmen, um von der Kostenverteilung ausgenommen zu werden. Dies ist ein offensichtlicher Schwachpunkt in der Gesetzesnovelle.
Immerhin: Wohnungseigentümer können künftig umfassender über die Kostenverteilung beschließen. Während sich diese Befugnis nach derzeitiger Rechtslage auf die Kostenverteilung für Maßnahmen im Einzelfall beschränkt und eine qualifizierte Mehrheit erfordert, sieht § 16 Abs. 2 WEG-neu vor, dass die Eigentümer künftig mit einfacher Stimmenmehrheit und losgelöst vom Einzelfall über die Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Kostenarten beschließen können.
Einen wichtigen Akzent setzt die Regierung bei der Vereinfachung der Modernisierung von Wohnungseigentumsanlagen. So haben fortan Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, auf eigene Kosten eine Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug zu bauen. Zudem dürfen sie ausdrücklich ohne Zustimmung der Miteigentümer auf eigene Kosten einen barrierefreien Aus- und Umbau vornehmen, Maßnahmen zum Einbruchsschutz sowie Maßnahmen für einen Zugang zu einem schnellen Internetanschluss ergreifen (§ 20 Abs. 2 WEG-neu).
Die Erfahrungen in der Coronakrise haben beim Gesetzgeber Eindruck hinterlassen: Eigentümerversammlungen dürfen künftig flexibler gestaltet und auch online abgehalten werden, inklusive Beschlusskompetenz. Eine Eigentümerversammlung ist zudem künftig unabhängig von der Zahl der anwesenden oder vertretenen Eigentümer beziehungsweise Miteigentumsanteile beschlussfähig. Für Umlaufbeschlüsse reicht künftig nur noch die Textform anstatt der Schriftform (§ 23 Abs. 3 WEG-neu). Diese Änderung erlaubt, künftig auch elektronische Kommunikationsmittel wie E-Mail, Internetplattformen oder Apps zu nutzen, um einen Umlaufbeschluss zu fassen. Die Digitalisierung hat damit auch in einem der antiquiertesten Gesetze endlich Einzug gehalten.
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