58 Jahre Investment-Expertise

Dan Fuss ist einer der ersten Fondsmanager überhaupt und nach Jahrzehnten im Business noch immer sehr erfolgreich. In den vergangenen Jahren heimste der 83-jährige mehrfach Auszeichnungen ein. Ein Gespräch über Trump, die Wirtschaft, Zinsen und Zukunftserwartungen.

24.05.2017 | 08:21 Uhr von «Dominik Weiss»

FR: Herr Fuss, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch nehmen. Sie waren noch nicht so oft in Deutschland habe ich gehört.

Fuss: Ich bin erst das zweite Mal hier. 

FR: Ihr Nachname klingt nicht deutsch (gesprochen: Fass), aber er liest sich deutsch. Haben Sie deutsche Wurzeln?

Fuss: Die Eltern meiner Mutter kamen aus Irland. Aber meine Großeltern väterlicherseits stammen beide aus Bayern.

FR: Die Fed hat vor kurzem das Korsett der Zinspolitik etwas gelöst, die EZB dagegen beschlossen, ihre expansive Geldpolitik vorerst weiter zu führen. Was glauben Sie, wie sich die Zinsen weiter entwickeln werden?

Fuss: In den USA gehe ich davon aus, dass die Zinsen langsam aber beständig weiter angehoben werden. Nicht schneller. Es wird bei 0,25 Prozentpunkten bleiben. Auch wenn die Finanzhäuser in den USA, vor allem die kleinen und mittleren Banken, stark von einem höheren Tempo profitieren würden. Was Europa betrifft, gestehe ich freimütig: Ich weiß es nicht. Wirklich nicht.

FR: Wagen selbst Finanzgenies nicht den Blick über den großen Teich?

Fuss: Doch, mehr denn je. 

FR: In Europas Öffentlichkeit wirkt das anders. Hier ist vor allem der neue US-Präsident Donald Trump präsent, der den Anschein einer umfassenden USA-Only-Attitüde erweckt.

Fuss: Die Finanzpolitik der USA wird von klugen Leuten betrieben, die wissen, dass eine isolationistische Politik nicht in Prosperität der heimischen Wirtschaft münden kann. Ihre Perspektive ist daher global ausgerichtet. Donald Trump hört auf Experten. Und er ist weder lernresistent noch allmächtig.
Bei seinem letztem Gesetzentwurf zum Transportwesen und der Behandlung von Industrien, die klimaschädliche Emissionen produzieren, haben sich im Kongress drei Senatoren offen gegen das Gesetz gestellt. Man kann das als Entstehen einer Gegenbewegung verstehen. Auch der Gegenwind, den er gegenwärtig nach der Entlassung von FBI-Chef Comey erfährt, zeigt in diese Richtung.

FR: Auch Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank Fed, hatte zuletzt keine guten Karten bei Trump. Im nächsten Jahr endet ihre Amtsperiode. Wie sehen Sie ihre Zukunft?

Fuss: Ich denke, Vieles ist möglich. Präsident Trump hat zuletzt auch in der Klimafrage die Meinung, die er noch während des Wahlkampfes öffentlich vertreten hatte, geändert. Ebenso seine Haltung zur NATO. Ich weiß nicht, was ihn dazu bewegen könnte, seine Meinung auch in dieser Frage zu ändern, aber ausschließen würde ich es nicht. 
Und vielleicht muss auch die Frage anders gestellt werden: was will Janet Yellen? Ich habe sie als sehr kluge Frau mit einer starken Persönlichkeit kennen gelernt. Die Frage ist also auch: würde sie eine erneute Berufung durch Trump überhaupt akzeptieren? Vielleicht will sie ja lieber Fischen gehen. (schmunzelt)

FR: Trump hat vor kurzem seine Steuerpläne vorgestellt. Sie sehen drastische Entlastungen von Unternehmen und Privatpersonen vor. Ist die US-Wirtschaft stark genug, seine Pläne zu tragen?

Fuss: Nein, derzeit sehe ich das nicht. Die makroökonomischen Daten indizieren das nicht. Mitte der Neunziger Jahre, in der Clinton-Ära, florierte die Wirtschaft. Die expansive Finanzpolitik der folgenden Bush Regierung konnten daher aufgefangen werden. Heute ist das anders. 
Sehen Sie sich bspw. den Immobilienmarkt an. Für Hausbauer ist es derzeit nicht einfach Kredite zu bekommen. Auf der anderen Seite muss das US-Handwerk wegen Trumps Einwanderungsreform in diesem Sommer mit Einbußen rechnen. Viele Handwerker, Klempner, Maler, Elektriker aus den mittelamerikanischen Staaten, die bisher saisonal in den USA gearbeitet haben, müssen zurück, weil ihnen in den USA Strafverfolgung droht. Selbst Star Bucks hat Schwierigkeiten offene Stellen zu besetzen, obwohl sie 15 US-Dollar Stundenlohn anbieten. Der Arbeitskräftemangel allein wird konjunkturelle Einbußen zeitigen. Aber es ist schwierig, konkrete Voraussagen zu treffen.

FR: Warum? Sprechen die Daten nicht für sich?

Fuss: In gewissem Rahmen schon – aber es gibt immer Ereignisse, die niemand prognostizieren kann. Denken Sie an den schwelenden Konflikt mit Nordkorea. Niemand kann voraussagen, wie sich die Situation in Asien weiter entwickeln wird. Das müssten Sie aber können, wenn Sie eine valide Aussage über die künftige wirtschaftliche Entwicklung abgeben wollen. 

FR: Denken Sie, dass Nordkorea aktuell der bestimmende Faktor für die US-Wirtschaft ist?

Fuss: Den größten Einfluss auf die US-Wirtschaft hat heute China. Das Land ist ohne Zweifel ein neuer Riese, der sich gerade erhebt.
Ich will Ihnen das an einer kurzen Geschichte verdeutlichen. Ich lebe in einer kleinen Community in Milwaukee, nahe Boston. Als ich mit meiner Frau vor zwanzig Jahren dorthin gezogen bin, wurden wir, obwohl wir beide in den USA geboren sind, fast als Außenseiter dort angesehen. Die Vorfahren der anderen Bewohner waren quasi mit Columbus herüber gekommen. Jahre später zog ein Paar aus Kanada zu. Heute leben dort drei chinesische Familien, eine indische und zwei koreanische. Warum? Weil es dort die beste Ausbildung gibt. Und es sich asiatische Familien mittlerweile leisten können, für bessere Zukunftschancen dorthin zu migrieren. 

FR: Die Globalisierung, in deren Folge Chinas Wirtschaft prosperiert, ist nicht zuletzt Folge des technologischen Fortschritts und die Digitalisierung. Welche Auswirkungen wird die zunehmende ökonomische Technologisierung haben?

Fuss: Die Entwicklung, menschliche Arbeit mit Technologie zu ersetzen, wird nicht anhalten. Auch nicht vor der Investmentbranche. Sie wird den Menschen aber nicht ersetzen können. 

FR: Wie wird sich die Weltwirtschaft unter dem technologischen Einfluss entwickeln?

Fuss: Da bin ich ganz realistisch: das kann Ihnen niemand sagen. Aber ganz gleich was kommt: es gibt immer Vorteile. Nutzen Sie die Vorteile! Nehmen Sie bspw. ETFs. Die florieren auch deswegen, weil sie von einer Maschine angelegt werden können. Grundsätzlich sind solche Indextitel eine gute Geldanlage. Aber sie sind nicht perfekt. Sie sind, sagen wir mal, zu 98% perfekt. Wenn Sie einen Flug buchen und der Kapitän sagt in der Kabinenansprache: „Sehr geehrte Passagiere, 98% des Fluges werden sicher verlaufen, die übrigen zwei.…hm, lassen wir uns überraschen.“ Würden Sie dann den Flug antreten? Nein, das geht besser.

FR: Sie wurden vor geraumer Zeit für Ihr Lebenswerk geehrt. Bei den Academy Awards (Oscar Verleihung, Anm.d.Red.) wird diese Ehre nur wenigen zuteil. Was wünscht sich ein Mann, der beruflich alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt?

Fuss: Dass die Boston Red Sox die World-Series gewinnen (um die Red Sox rankt sich die humorvolle Legende eines Fluchs, der ihren Sieg in der World-Series verhindert, Anm.d.Red.). Ich hoffe das jedes Jahr. Es wird irgendwann wieder klappen. (lacht) Vielleicht in meinen nächsten dreissig Lebensjahren.

 

(DW)

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