„Ägypten bietet 22 Prozent Zinsen“

In den kommenden Jahren sind mit Schwellenländeranleihen sieben bis zehn Prozent Rendite möglich. Matt Murphy, institutioneller Portfoliomanager im Emerging Markets Team von Morgan Stanley Investment Management, erklärt im Exklusiv-Interview die Vorteile von Schwellenländeranleihen und warum sie jedes Depot bereichern.

29.10.2024 | 13:30 Uhr von «Jörn Kränicke»

TIAM FundResearch: Mr. Murphy, warum sollten Anleger in Schwellenländeranleihen investieren?

Matt Murphy: Schwellenländeranleihen bieten viele Vorteile. Historisch gesehen sorgt Diversifikation für Stabilität, da das Länderrisiko anders ist als in den Heimatmärkten. Zudem locken höhere Risikoprämien, die langfristig bessere Renditen als in entwickelten Märkten ermöglichen.

TIAM FundResearch: Und wie hoch sind die Renditen momentan im Vergleich zu den historischen Durchschnittswerten?

Murphy: Derzeit liegen sie über dem Durchschnitt, hauptsächlich aufgrund der schwierigen Phase, die die Schwellenländer im Jahr 2020 durchgemacht haben. Wir haben einen signifikanten Anstieg von Staatsausfällen gesehen, aber die meisten dieser Länder haben inzwischen ihre Schuldenrestrukturierungen abgeschlossen. Die Anleihen werden jedoch weiterhin mit einem Abschlag gehandelt, und Investoren erhalten daher nach wie vor hohe Zinsen. In lokaler Währung liegt die Verzinsung in unseren Fonds bei etwa 12,5 Prozent, während Hartwährungsanleihen bei etwa 8,5 Prozent liegen.

TIAM FundResearch: Können Sie ein Beispiel für ein solche „Pleiteland“ nennen?

Murphy: Ein gutes Beispiel ist Ägypten. Das Land befand sich vor etwas mehr als einem Jahr in einer schweren finanziellen Notlage. Mit Unterstützung von Golfstaaten, dem IWF und der Europäischen Union konnten sie sich stabilisieren. Als die Währung von zehn auf fast 50 Pfund pro Dollar abgewertet wurde, war das ein schwerer Schlag. Aber mit finanzieller Hilfe kann Ägypten jetzt Lebensmittel subventionieren, seine Dollar-Anleihen zurückzahlen und Währungsschwankungen bewältigen. Derzeit bringt eine einjährige Anleihe in Ägypten etwa 22 Prozent Rendite. Wir glauben, dass das Abwertungsrisiko gering ist, was diese Rendite attraktiv macht. Das ägyptische Pfund korreliert zudem wenig mit anderen Währungen.

TIAM FundResearch: Lokalwährungsanleihen sind also derzeit attraktiver als Hartwährungsanleihen?

Murphy: Ja, definitiv. Der Grund dafür ist, dass wir nach asymmetrischen Renditen suchen. Also wie viel wir verdienen können im Vergleich zu dem, was wir verlieren könnten. Schwellenländeranleihen in lokaler Währung bieten hohe reale Renditen, da diese Märkte früh die Geldpolitik gestrafft und die Inflation gesenkt haben. Die meisten Zentralbanken zögern, die Zinsen zu senken, solange Fed und EZB erhöhen, was zukünftige Lockerungen ermöglicht. Das Abwärtsrisiko bei den Währungen ist begrenzt, und das Risiko wird gut bezahlt. Lokalwährungsanleihen haben zudem eine kürzere Duration. Bei Hartwährungsanleihen beträgt die US-Duration etwa sieben Jahre plus einen Spread. Da die US-Zinsen bald sinken könnten, gibt es weniger Aufwärtspotenzial in Hartwährungen.

TIAM FundResearch: Welche Rolle spielt China im Bereich der Schwellenländeranleihen?

Murphy: China hat natürlich auch einen sehr großen Anleihemarkt, aber es spielt für viele Schwellenländerinvestoren kaum eine Rolle. Chinesische Staatsanleihen machen zwar etwa zehn Prozent des lokalen Index aus. Die Renditen sind jedoch mit zwei bis drei Prozent sehr niedrig und die Währung wird stark von der Regierung gemanagt, sodass es wenig Aufwärts- oder Abwärtspotenzial gibt. Früher sahen viele Investoren chinesische Anleihen als stabile, US-Treasury-ähnliche Anlage, aber jetzt bieten sie nicht genug Rendite, um das Risiko zu rechtfertigen.

TIAM FundResearch: Gibt im restlichen Asien interessante Länder?

Murphy: Länder wie Korea und Indien werden immer attraktiver. Korea profitiert zum Beispiel von ausländischen Direktinvestitionen, die früher nach China geflossen wären, was die Währung unterstützt. Ebenso bietet Indien aufgrund politischer Verbesserungen bessere risikoadjustierte Renditen.

TIAM FundResearch: Gibt es andere interessante Regionen oder Länder, abgesehen von Ägypten und Indien?

Murphy: Wir konzentrieren uns auf einzelne Länder, nicht auf Regionen. Abgesehen von Ägypten und Indien würde ich Usbekistan hervorheben. Es ist relativ neu im Bereich der Schwellenländeranleihen, befindet sich aber seit 2019 auf einem bedeutenden Reformpfad, der erhebliche ausländische Direktinvestitionen angezogen hat. Die Renditen in lokaler Währung liegen zwischen zwölf und 15 Prozent, obwohl die Liquidität ein Problem sein kann. Ungarn ist ein weiterer interessanter Fall mit guter Geldpolitik und investitionsfreundlichen Gesetzen, trotz politischer Risiken.

TIAM FundResearch: Was sind die Vorteile eines aktiven Managements bei Schwellenländeranleihen im Vergleich zu ETFs?

Murphy: ETFs replizieren Indizes, die nur etwa 55 Prozent des Anlageuniversums der Schwellenländer abdecken. Aktive Manager können auch auf die restlichen 45 Prozent zugreifen, was in Schwellenländern entscheidend für den Erfolg ist. Außerdem beinhalten ETFs das Risiko entwickelter Märkte – besonders bei Dollar-denominierten Anleihen –, während uns aktives Management ermöglicht, uns rein auf Schwellenländer-Spreads und Chancen in einem breiteren Spektrum von Ländern zu konzentrieren. Die Gebühren sind zudem in der Regel ähnlich, aber aktive Manager können deutlich mehr Alpha bieten, wenn sie die richtige Expertise haben.

TIAM FundResearch: Ist durch den sinkenden Zinstrend in den entwickelten Märkten die Nachfrage nach Schwellenländeranleihefonds zuletzt gestiegen?

Murphy: Bisher gab es in diesem Jahr etwa drei Milliarden Dollar an Abflüssen, aber dieser Trend hat sich in den vergangenen Wochen umgekehrt. Rückblickend hat das Jahr 2022 Rekordabflüsse aus Schwellenländerfonds gesehen — 90 Milliarden Dollar, dreimal so viel wie der bisherige Rekord. Im Jahr 2023 verlangsamten sich die Abflüsse auf 30 Milliarden Dollar, was immer noch signifikant, aber weniger gravierend ist. Ich erwarte in der nächsten Zeit eine deutlich zunehmende Nachfrage, hauptsächlich weil die Suche nach Renditen zunimmt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass wir zu einer Nullzinspolitik zurückkehren, sodass Investoren nicht aus Notwendigkeit in Schwellenmärkte strömen werden, sondern wegen der höheren Renditen. Es wird mehr Selektivität geben, wobei Investoren sich auf bestimmte Länder und Credits innerhalb der Schwellenmärkte konzentrieren werden.

TIAM FundResearch: Welcher Prozentsatz eines Portfolios sollte in Schwellenländeranleihen investiert werden?

Murphy: Das hängt von der Risikotoleranz des einzelnen Anlegers ab. Wir schlagen oft eine Allokation von zehn bis 20 Prozent innerhalb eines festverzinslichen Portfolios vor. Wer Sicherheit priorisieren möchte und bereit ist, niedrigere Renditen zu akzeptieren, kann weniger in Schwellenländer investieren. Wer jedoch die Möglichkeit sucht, die Inflation zu übertreffen, benötigt höhere Renditen, die Schwellenländeranleihen nun einmal bieten.

TIAM FundResearch: Welche Renditen können Investoren in den kommenden drei bis fünf oder sogar zehn Jahren erwarten?

Murphy: Derzeit liegen die laufenden Renditen unserer Fonds im Bereich von sieben bis zehn Prozent. Kumuliert auf drei Jahre wären also bis zu etwa 30 Prozent möglich. Es hängt natürlich auch davon ab, ob die Zinsen steigen oder fallen werden. Derzeit kann man eher davon ausgehen, dass die Zinsen in den kommenden drei Jahren tendenziell eher sinken dürften und wir nicht so bald in einen Zinserhöhungszyklus eintreten werden. Daher sind auch noch einige zusätzliche Prozentpunkte durch Kursgewinne möglich.

TIAM FundResearch: Konkret bedeutet dies?

Murphy: Wie schon gesagt liegt die laufende Verzinsung pro Jahr bei sieben bis zehn Prozent. Da könnten noch ein bis zwei Prozent Kursgewinne oben drauf kommen. Man kann also zumindest in den kommenden drei Jahren aktienähnliche Renditen mit deutlich weniger Risiken erzielen. Betrachtet man einen Zeitraum von fünf Jahren, könnte es zu einem weiteren Zinserhöhungszyklus in den entwickelten Märkten kommen, was es schwieriger macht, die Renditen vorherzusagen. Und über zehn Jahre hinweg besteht das typische Risiko, dass Länder wieder zahlungsunfähig werden, was einfach Teil des üblichen Schwellenländer-Zyklus ist. Viele Länder haben sich heute restrukturiert und neue 10-jährige Anleihen ausgegeben, sodass sie noch nicht mit einer Fälligkeitswand konfrontiert sind. Wenn sie ihre Politik gut managen, könnten sie eine Zahlungsunfähigkeit vermeiden, aber historisch gesehen erleben viele Schwellenländer etwa alle zehn Jahre wirtschaftliche Rückschläge.

Zur Person:

Matthew Murphy ist ein institutioneller Portfoliomanager im Emerging Markets Team. Er ist verantwortlich für die globale wirtschaftliche, politische und kapitalmarktbezogene Forschung. Er dient als Ansprechpartner für bestehende und potenzielle Kunden, vertritt die von der Gruppe verwalteten Strategien und präsentiert die Ansichten des Teams zu makroökonomischen und politischen Entwicklungen in der ganzen Welt. Matt begann seine Karriere in der Investmentbranche im Jahr 2002 und kam 2011 zu Eaton Vance, das Morgan Stanley im März 2021 übernommen hatte. Zuvor war er bei Cambridge Associates, LLC tätig. Außerdem war er Berater für Fusionen und Übernahmen bei der Matrix Capital Markets Group, Inc. Matt hat einen B.S. der Universität von Richmond erworben. Er ist Mitglied der CFA Society Boston und besitzt den Titel Chartered Financial Analyst. Außerdem ist er als Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA) zugelassen.

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