„Aktien sind die einzige Möglichkeit, der finanziellen Repression zu entkommen“

Frank Fischer gehört mit dem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen zu Deutschlands erfolgreichsten Managern. TiAM FundResearch sprach exklusiv mit Fischer über seine Sicht auf die Märkte und aktuelle Favoriten an der Börse.

13.06.2024 | 06:40 Uhr von «Jörn Kränicke»

TiAM FundResearch: Herr Fischer, die Märkte notieren Rekordhoch. Macht Sie dies nachdenklich oder sehen Sie weiterhin Chancen?

Frank Fischer: In der Tat wird derzeit an den Märkten so etwas wie ein optimales Szenario gespielt, das mit einigen Zinsschritten in diesem Jahr rechnet - vornehmlich in der zweiten Hälfte. Die Frage bleibt nur, ob das auch wirklich so eintreten wird. Das ist noch keine ausgemachte Sache. Denn an den Börsen weiß man nie, welche unerwarteten Risiken plötzlich auftauchen und noch nicht eingepreist sind. Daher werden wir weiterhin die Augen offenhalten, aber insgesamt sind wir grundsätzlich weiterhin optimistisch eingestellt und auch in den Fonds etwas stärker investiert. Das heißt, wir halten nicht so viel Cash.

Wie hoch ist derzeit die Aktienquote?

Im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen liegt sie bei rund 90 Prozent und wir haben auch keine Absicherungen. Im Frankfurter Stiftungsfonds liegt sie bei rund 60 Prozent und der Frankfurter UCITS ETF –Modern Value ist sowieso immer voll investiert.

Machen ihnen die politischen Spannungen im Nahen Osten keine Sorgen?

Sicherlich muss man dies berücksichtigen und darüber nachdenken, ob man die recht hohen Aktienquoten in unserem Mischfonds reduziert. Aber wir haben die Fonds auch schon defensiver aufgestellt und das Übergewicht an Big Tech abgebaut. Denn Titel wie Nvidia sind sehr hoch bewertet und anfällig für Rücksetzer. Dafür haben wir europäische Aktien übergewichtet. Dabei handelt es sich um Titel aus eher konservativen Branchen, die zuletzt Nachholbedarf hatten. Wir glauben zwar auch weiterhin an Hightech-Werte wie Microsoft oder Alphabet. Aber derzeit, so unsere Einschätzung, kommt es auf die Mischung im Portfolio an.

Also investieren sie trotz „Modern Value“ nach wie vor antizyklisch?

Ja, das tun wir. Aktien mit Sicherheitsmarge bleiben nach wie vor für uns das Maß der Dinge. Wir wollen aber nicht wie beim klassischen Value auf den Faktor Hoffnung setzen, dass sich Aktien, die unter ihrem inneren Wert notieren, wieder erholen, sondern wir wollen günstig in die von Charlie Munger und Warren Buffett so bezeichneten „wunderbaren Unternehmen“ investieren, die langfristig stetig wachsen. Es macht für uns daher einfach keinen Sinn, in mittelmäßige Firmen zu investieren, die vielleicht kurzfristig für Gewinne sorgen. Bei unserer Art des Value-Investing steht die langfristige Ertragskraft einer Firma im Vordergrund. Schließlich führen stetig hohe Gewinne oft zu überdurchschnittlichen Kursgewinnen. Entscheidendes Kriterium ist der Total Shareholder Return (TSR) über die kommenden fünf Jahre. Das ist für uns die Gesamtrendite einer Aktie, die sich aus der Aktienperformance, Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen zusammensetzt. Damit lassen sich dann auch Cashflows von Firmen bewerten, die keinen großen Substanzwert haben. So können wir auch analysieren, wie Unternehmen wie Microsoft oder Alphabet bewertet sind.

Können Sie Beispiele für solche „wunderbare Unternehmen“ nennen?

Derzeit gefallen uns etwa Versicherer und Rückversicherer wie der französische Rückversicherer Scor. Seit einem Jahr haben die Franzosen mit Thierry Léger einen neuen CEO, der einen neuen Führungsstil mitgebracht hat. Leger war zuvor bei Swiss Re. Dort hatte er die Position des Group Chief Underwriting Officer (CUO) inne. Er war für das Management der Versicherungsrisiken verantwortlich. Die ganze Rückversicherungsbranche hat unglaublichen Rückenwind von der Schaden-Rückversicherung. Dort können sie seit Jahren problemlos höhere Prämien durchsetzen, ohne dass die Kunden jammern. Auch die gestiegenen Zinsen helfen ihnen. Scor ist dazu noch sehr günstig bewertet. Das KGV liegt bei sechs und auch die Dividendenrendite liegt bei über sechs Prozent. Auch der Buchwert ist mit unter 1 günstig. Zudem sollte die neue IFRS 17-Rechnungslegung für Versicherungen zu einer Neubewertung der Aktie führen. Dies wird eine Reduzierung der Ergebnisvolatilität zur Folge haben, sodass in Zukunft deutlich stabilere Ergebnisse nicht nur bei diesem Rückversicherer zu erwarten sind. Insgesamt ist Scor ein Profiteur steigender Zinsen und im Vergleich zu den Mitbewerbern derzeit unterbewertet. Ein weiteres gutes Beispiel wäre DocMorris.

Was zeichnet die Online-Apotheke aus?

Die Fantasie kommt vor allem durch das E-Rezept. Bei rezeptfreien Medikamenten ist DocMorris mit über zehn Millionen Kunden schon Marktführer. Sie haben also eine entsprechende Kundenbasis. Und mit ihrer App kann man ganz einfach das E-Rezept einlesen und das Medikament ist am nächsten Tag im Briefkasten. Zudem wird man gefragt, ob man ein Dauerrezept hat. Damit können chronisch Kranke, die etwa regelmäßig Cholesterin- oder Blutdrucksenker benötigen, für ein Jahr die Medikamente im Abo bekommen. Hier sehen wir ein riesiges Wachstumspotenzial. Zumal Online-Marktdurchdringung für verschreibungspflichtige Medikamente bei nur 0,7 Prozent liegt. In anderen Märkten wie Schweden, in denen das E-Rezept bereits vor einiger Zeit eingeführt wurde ist, liegt die Onlinequote bei rund 10 Prozent. Bezogen auf den aktuellen Marktanteil ergäbe sich so ein mögliches mittelfristiges Umsatzpotenzial für DocMorris in Deutschland von etwa 2,5 Milliarden Euro. Ein weiter Vorteil vom Onlinemedikamentenhandel ist die geringe Rücksendequote von unter einem Prozent.

Aktuell sieht es so aus, als ob die Zinsen doch nicht so schnell sinken, wie noch im vergangenen Jahr gedacht. Wo sehen Sie die Zinsen mittelfristig?

Ich gehe davon aus, dass die Zinsen länger hoch bleiben werden und auch die realen Zinsen negativ bleiben. Nur durch diese finanzielle Repression können sich die Staaten entschulden. Dabei helfen den Staaten die hohen Lohnabschlüsse und die Demographie, die zu einem Fachkräftemangel und weiter steigenden Löhnen führt. Das Ende der Globalisierung durch Reshoring leistet auch einen Beitrag dazu. Zudem entziehen die Anstrengungen der Dekarbonisierung dem Markt auch viel Kapital.

Wie sollten Anleger darauf reagieren?

Natürlich in Aktien investieren. Sie sind die einzige Möglichkeit, um der finanziellen Repression zu entkommen. Vermeiden sollten Anleger langfristig Anleihen, die bei negativen realen Zinsen Verluste machen. Ebenso dürften hochbewertete Wachstumsaktien keine gute Wahl sein.

Infos zum Frankfurter - UCITS ETF Modern Value gibt es hier.

Ein aktuelles Video mit Frank Fischer sehen Sie hier.

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