Der schlechteste Berater der Welt

TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Warum Anleger aus Anleihen und Aktien fliehen.

23.10.2023 | 07:30 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Woche

Krieg löst Angst aus. Auch bei Investoren. Fällt in einer Region, die nahe und/oder politisch wichtig und sensibel ist, der erste Schuss, fliehen viele Aktionäre gerne in sichere Anlagen. Oder solche, die sie für sicherer halten als das, was sie bisher im Depot hatten. Gern gesuchte Fluchtpunkte sind in der Regel Staatsanleihen, Schweizer Franken und Gold. Vor allem US-Staatsanleihen gelten als sicherer Hafen. Falls nicht gerade wieder aufgrund der regelmäßig zelebrierten Feindschaft zwischen Demokraten und Republikanern ein Shutdown droht. Oder die Märkte befürchten, dass die Fed die Zinsen demnächst erhöht oder länger hochhält. So, wie gerade jetzt. Und so kommt es, dass der Goldpreis seit dem Terrorangriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel um mehr als sechs Prozent gestiegen ist. Der Schweizer Franken hat gegenüber dem Euro um knapp zwei Prozent zugelegt, und auch der US-Dollar steigt gegenüber den meisten anderen Währungen. Nur US-Staatsanleihen sind unter Druck geraten. 30-jährige US-Treasuries boten am vergangenen Mittwochabend das erste Mal seit 16 Jahren mehr als fünf Prozent Rendite und hielten dieses Niveau auch noch bis Freitagabend. Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit notieren aktuell sogar deutlich oberhalb der Fünf-Prozent-Marke, Papiere mit bis zu fünf Jahren Restlaufzeit bieten fast sechs Prozent Rendite. Eingeübte Praxis an den Kapitalmärkten ist es, dass Entwicklungen in den USA auf Europa abstrahlen. So auch diesmal: Die Kurse europäischer Staatsanleihen gaben zuletzt ebenfalls nach.

Aktien und Anleihen runter, Gold hoch. Sind Anleger tatsächlich nicht lernfähig? Angst ist erwiesenermaßen ein schlechter Berater. Wer die Lage nüchtern beurteilt und danach handelt, fährt erfahrungsgemäß besser als diejenigen, die in Panik verkaufen. Nicht umsonst gelten seit Jahrzehnten zwei untrennbar miteinander verbundene Börsenweisheiten. Die erste lautet: Politische Börsen haben kurze Beine. Will heißen: Nach dem Schock kommt die Erholung. Jüngstes eindrucksvolles Beispiel war der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine. Von Mitte Januar bis Ende September 2022 fiel der DAX um rund 4.000 Punkte, um dann zehn Monate später sein vorläufiges Allzeithoch zu feiern. Heute noch notiert der DAX rund 3.000 Punkte über dem Tiefpunkt der Stimmung im September 2022. Der DAX würde ohne den Terrorangriff der Hamas auf Israel heute vermutlich höher stehen. Dabei hat das Eine mit dem Anderen fundamental überhaupt nichts zu tun. Klingt paradox? Ist es auch. Aus Sicht von Investoren hat sich nichts geändert. Selbst der Ölpreis macht keine unerwartet hohen Sprünge und bleibt verlässlich deutlich unterhalb der 100-Dollar-Marke.

Und damit kommen wir zu Börsenweisheit Nummer zwei: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Das gilt in diesem Fall sowohl für Aktien als auch für Anleihen. Gerade bei Anleihen ergeben sich Chancen wie schon seit Jahren nicht mehr. Wann hat man zuletzt Renditen von über fünf Prozent für bonitätsstarke Titel gesehen? Wer jetzt nicht zugreift, ist selbst schuld. Tipp: Es kann sich lohnen, in aktiv gemanagte Rentenfonds zu investieren, die gezielt Marktineffizienzen nutzen und in Anleihen investieren, die in den großen Rentenindizes nicht oder nur schwach vertreten sind. Denn in den klassischen Rentenindizes, an denen sich die passiven ETFs orientieren, sind die größten Schuldner am stärksten repräsentiert. Das muss, mit Verlaub, nicht immer von Vorteil sein. Deshalb Augen auf bei der Fondsauswahl. Und nur keine Angst. Denn die ist der schlechteste Berater von allen.

Ausblick auf interessante Termine in dieser Woche

Am Dienstag stellt die EU-Kommission ihr „Windkraftpaket“ vor. Die Kommission will die Windkraft in Europa weiter vorantreiben und Genehmigungsverfahren stärker beschleunigen. Mitte September hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, ein Paket für die Windkraft in Europa vorzulegen und dabei eng mit der Industrie und den Mitgliedsstaaten zusammenzuarbeiten. Unter anderem sollen die Auktionssysteme in der EU verbessert werden. Darüber hinaus wolle sich die Brüsseler Behörde auf Kompetenzen, den Zugang zu Finanzmitteln und stabile Lieferketten konzentrieren, hieß es damals. Am Dienstag wird man sehen, ob die Kommissare ihr Versprechen halten.

Am Mittwoch wird das Ifo-Geschäftsklima veröffentlicht. Der Index basiert auf monatlichen Meldungen von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes, des Groß- und des Einzelhandels. Die circa 7000 Unternehmen beurteilen ihre gegenwärtige Geschäftslage und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate. In den vergangenen Monaten ist die Stimmung in der Wirtschaft immer weiter abgesackt. Mal schauen, ob der Index am Mittwoch eine Trendwende signalisiert.

Am Donnerstag verkündet die Europäische Zentralbank, ob sie den Leitzins weiter erhöht, ihn stabil hält oder sogar senkt. Vieles deutet auf ein Ende der Leitzinserhöhungen hin. Sollten die Währungshüter in Frankfurt die Schraube jedoch noch einmal anziehen, dürfte dies wohl die letzte Umdrehung gewesen sein.

Am Freitag jährt sich der Kauf des Kurznachrichtendienstes Twitter durch Elon Musk. Der exaltierte Unternehmer und Trump-Verehrer ließ sich den Spaß rund 44 Milliarden US-Dollar kosten. Twitter heißt jetzt X. Und sonst ändert sich nix? Ganz und gar nicht. X ist auf dem besten Wege, sich auf Augenhöhe mit Trumps „Truth Social“ als Hass- und Hetze-Schleuder zu etablieren.

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