„Die Fed ist der größte Hedgefonds der Geschichte“

Star-Investor Warren Buffet übt Kritik an der US-Notenbank. Aktienmärkte feiern das billige Geld.

20.09.2013 | 11:21 Uhr von «Patrick Daum»

Die Überraschung ist gelungen: Weltweit hatten viele Experten erwartet, dass Fed-Chef Ben Bernanke das monatliche Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing 3; QE3) verringert. „Wer das Gefühl hat, die Fed sorge mit der erneuten Verlängerung ihres Anleihekaufprogramms für Verwirrung, hat nicht ganz Unrecht“, wundert sich Trevor Greetham, Leiter Asset Allocation bei Fidelity Worldwide Investment. Angst sei der Grund dafür gewesen: „Mit ihrem geldpolitischen Lockerungskurs der vergangenen Jahre griff die US-Notenbank massiv in die Märkte ein, und nun fürchtet sie die Reaktion auf ein baldiges Ende des Quantitative Easing.“ Das glaubt auch Tobias Basse, Analyst der NordLB: „Den US-Notenbankern fehlte interessanterweise der Mut, den Einstieg in den Ausstieg der quantitativen Lockerung zu wagen. Wir sind durch diese Entscheidung überrascht worden.“ Kritische Kommentatoren könnten darauf verweisen, dass die Fed eventuell bereits negative Informationen über die Konjunktur hat – und entsprechend zögert, die Geldpolitik weniger expansiv auszurichten. „Wir würden diese Einschätzung nicht teilen“, meint Basse. „Ben Bernanke und sein Team sind wahrscheinlich einfach nur verunsichert und wollen daher wohl lediglich zusätzliche Informationen sammeln.“ Das vermutet auch Alexander Schumann, Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Das Zögern der Fed zeige, dass in Sachen Weltkonjunktur noch längst nicht alles in trockenen Tüchern sei. Die Notenbankmaßnahmen helfen seiner Ansicht nach dabei jedoch nicht: „Der enorme Liquiditätsfluss bleibt überwiegend im Finanzsystem und wird eben nicht zum Turbo für die Realwirtschaft.“

DAX steigt, Buffet mahnt

Zum Turbo wurde der Liquiditätsfluss hingegen für die Börsen. Der Deutsche Aktienindex DAX legt schon seit Wochenbeginn eine beeindruckende Rallye hin. Gestern gab er durch das Fed-Feuer nochmal Gas und schloss bei 8.694 Punkten. Ein neues Allzeithoch. Der Dow Jones erreichte zwischenzeitlich 15.695 Punkte und kratzte damit an seinem Höchststand. Der japanische Nikkei schloss bei 14.742 Punkten, was ein neues Monatshoch bedeutet. Dass die Aktienmärkte sich über die Fed-Entscheidung freuten, sei klar, findet Norbert Barthle, haushaltpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. „Aber das ist ein gefährlicher Jubelschrei“, warnt er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Dass die Fed die Finanzmärkte weiter mit billigem Geld überschwemmt, birgt die Gefahr neuer Finanzblasen.“

Deutliche Kritik übte auch der milliardenschwere Star-Investor Warren Buffet: „Die Fed ist der größte Hedgefonds der Geschichte“, sagte er vor Studenten an der Georgetown University in Washington. „Sie generiert wahrscheinlich jährlich 80 oder 90 Milliarden US-Dollar an Einnahmen für die US-Regierung.“ Vor wenigen Jahren sei das noch nicht der Fall gewesen. Im vergangenen Jahr habe die Fed 88,4 Milliarden US-Dollar an das US Treasury Department überwiesen. Buffet lobt Bernanke für die Aussage im Jahr 2008, alles zu tun, um die Stabilität der Märkte sicherzustellen. „Er sagte, er macht das so lange, bis er eine Verbesserung der Wirtschaft sieht“, so Buffet. „Ich denke, er ist leicht enttäuscht über die Wachstumsrate der vergangenen Jahre.“ Der Fed-Chef wisse selbst nicht genau, wann sie sich verbessert, aber er habe die Konditionen, unter denen er seine Politik ändern werde, klargemacht. 

Bankenverband: „Enteignung der Sparer“

Vor großen Problemen stünden jetzt die Sparer, meint Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, im Gespräch mit Deutschlandradio. Sie seien die Dummen: „Im Moment, wo wir negative Realzinsen haben – das heißt, wo der Nominalzins unterhalb der Inflationsrate liegt – findet eine schleichende Enteignung der Sparer statt.“ Was für sie schlecht ist, ermögliche hingegen der Wirtschaft, sich sehr günstig zu verschulden. „Die Frage ist, ob die Mittel dann in die richtige Richtung gelenkt werden“, so Kemmer. „Wenn man einen Strich drunter zieht, ist es sicherlich zu wünschen, dass diese extreme Niedrigzinsphase irgendwann mal zu Ende geht.“ Damit könnte noch in diesem Jahr begonnen werden: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagt NordLB-Experte Basse. „Wir glauben weiterhin, dass die US-Notenbank mit langsamen Anpassungen noch in 2013 beginnen dürfte.“

Neben all der Kritik und Überraschung gibt es auch Ökonomen, die die Entscheidung haben kommen sehen: „Die Investoren haben durchweg ignoriert, dass Bernanke stets betont hat, seine Drosselungsprognose sei datenabhängig“, sagt Julia Coronado von BNP Paribas. Sie sei überzeugt gewesen, dass die September-Sitzung dazu genutzt werde, um dies nochmal herauszustreichen und gegen implizite Erwartungen der Finanzmärkte anzugehen. Coronado stellt sogar eine Drosselung im Dezember in Frage. Wenn die Fed nicht mehr nur auf die Arbeitslosenquote schaue, sondern eine Verbesserung im gesamten Arbeitsmarkt anpeile, sei auch die bislang von BNP Paribas avisierte Drosselung von QE3 im Dezember fraglich. „Wir rechnen nicht mit einem so robusten zweiten Halbjahr wie der Offenmarktausschuss“, erläutert Coronado. „Während wir ein Wachstum im vierten Quartal von annualisiert 1,8 Prozent auf der Rechnung haben, geht der FOMC in der Mitte seiner Prognosespanne noch immer von 2,15 Prozent aus.“ 

(PD)

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