Mythos: Niedrigzinsen gut für Aktien

Oft ist zu hören, dass im derzeitigen Niedrigzinsumfeld Vermögensgegenstände wie Immobilien bzw. Aktien an Wert steigen müssten. Die Argumentation klingt auch plausibel. Vor einigen Jahren wurden Immobilien- oder Gewinnrenditen von Aktien in Höhe von 3 bis 5 Prozent als zu niedrig angesehen. Heute fällt die Einschätzung positiver aus, da Anleihen keinen Zins mehr abwerfen.

16.12.2015 | 13:20 Uhr von «Teresa Laukötter»

Zudem wird vorgebracht, dass bei niedrigen Diskontierungszinsen der Barwert von Vermögensgegenständen ansteigt. Doch wie stark ist der Einfluss des Zinsniveaus auf den Aktienmarkt tatsächlich? Und gibt es eventuell einen Rückkopplungseffekt, der den positiven Effekt niedriger Zinsen kompensiert?

Die Renditen von Aktien und Anleihen werden mit dem sogenannten FED-Modell verglichen. Werfen Dividendenpapiere mehr als Anleihen ab, sind Aktien attraktiv und umgekehrt. Die Differenz aus den Gewinnrenditen (=1/KGV) und Anleiherenditen ergibt die Risikoprämie. Für den deutschen Aktienmarkt beträgt die Gewinnrendite 5,8% (=1/17,3). Die Staatsanleihenverzinsung, gemessen am REX, beläuft sich auf 0,1%. Daraus ergibt sich die Risikoprämie in Höhe von 5,7% (= 5,8% minus 0,1%).

Diese aktuelle Risikoprämie von 5,7% ist im historischen Kontext hoch und lässt Aktien derzeit attraktiv erscheinen (nachfolgend linke Grafik). Gleichzeitig ist jedoch die Gewinnrendite von 5,8% unter dem historischen Mittel und deutet auf eine unattraktive Bewertung der Aktien hin (nachfolgend rechte Grafik). Doch wer hat nun recht: das FED-Modell mit den relativen Risikoprämien oder das klassische KGV? 

In Zeiten hoher Risikoprämien konnte der DAX seit 1973 eine jährliche Wertentwicklung von 6,7% erzielen. Bei niedrigen Risikoprämien war überraschenderweise die Wertentwicklung nicht niedriger, sondern mit 7,5% höher als in Phasen hoher Risikoprämie. Das traditionelle Kurs-Gewinn-Verhältnis hat dagegen eine positive Prognosegüte, da bei niedrigem KGV eine bessere zukünftige Wertentwicklung erzielt wird als bei niedrigen Werten (siehe nachfolgende Grafik). 

Die meisten wissenschaftlichen Studien bestätigen den positiven Zusammenhang von niedriger KGV-Bewertung und langfristiger Aktienmarktentwicklung über andere Zeiträume und Länder. Leider ist jedoch für Zeiträume bis 5 Jahren die Prognosekraft des KGVs schwach bis sehr schwach, so dass diese Kenngröße für kurzfristig orientierte Anleger nicht in Frage kommt.

Das FED-Modell und auch viele Anleger gehen implizit davon aus, dass bei niedrigen Zinsen das angemessene Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) höher sein darf als bei hohen Zinsen. Doch dies scheint ein Trugschluss zu sein. Anleger sollten sich fragen, ob ein niedriges Zinsniveau nicht auch eine niedrige Inflationserwartung impliziert, die niedrige Gewinne (oder Mieten) erwarten lässt. Diese Interaktion von Zinsniveau und Gewinnen (Mieten) war in der Vergangenheit entscheidend, ob Aktien bzw. Immobilien stiegen oder fielen.

FAZIT: In den zurückliegenden Jahrzehnten hatte die Risikoprämie à la FED-Modell keine Prognosegüte. Die Steuerung der Aktienquote sollte deshalb nicht mit einem FED-Modell erfolgen. Eine Anlageklasse wird auch nicht automatisch attraktiver, wenn eine andere teurer wird. Aussagen über die Attraktivität sollten sich –  wie beim Kurs-Gewinn-Verhältnis – „aus der Anlageklasse heraus“ ergeben. Darüber hinaus sollte das verwendete Maß die Eigenschaft aufweisen, langfristig zu seinem historischen Durchschnittswert zurückzukehren (Mean-Reversion).

In Kooperation mit MARS Asset Management

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