„Nachhaltigkeit ist bei uns der zentrale Erfolgsfaktor“

Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind zwei von der EU-Taxonomie vorgegebene Umweltziele. Jan Amrit Poser, Chief Strategist und Head of Sustainability bei J. Safra Sarasin Asset Management, erklärt im TiAM-Interview, wie sein Haus Portfolios für die klimaneutrale Zukunft ausrichtet.

25.03.2021 | 07:30 Uhr von «Ronny Kohl»

TiAM: Herr Poser, mit der Corona-Krise haben viele Investoren den Blick auf das Klimathema verloren. Wie wird sich das 2021 gestalten?

Jan Amrit Poser: Mit dem Jahr 2021 sind große Hoffnungen auf eine Normalisierung unseres Lebens, unserer Gesellschaft und der Wirtschaft verbunden. Eines kann und darf jedoch nicht so einfach wieder zur Normalität zurückkehren: unser Verhalten, das dem Klima und der Umwelt nachhaltigen Schaden zugefügt hat.

TiAM: Worauf spielen Sie an?

Poser: Unser Klima sowie die Biodiversität auf unserem Planeten sind an einem bedrohlichen Punkt angelangt, an dem wir handeln müssen. Wenn wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen wollen, dürfen wir nur noch 300 Gigatonnen CO2-Äquivalent ausstoßen, so eine Berechnung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Derzeit stoßen wir aber weltweit jedes Jahr 50 Gigatonnen CO2-Äquivalent aus. In diesem Tempo hätten wir nach sechs Jahren das Limit erreicht, weshalb es leicht zu verstehen ist, dass die CO2-Emissionen nun rasch und drastisch gesenkt werden müssen.

TiAM: Der Klimawandel wird häufig als Auslöser für Naturkatastrophen angeführt. Welches Risiken entstehen für die Wirtschaft und einzelne Unternehmen?

Poser: Neben den Primärfolgen wie Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen sind es vor allem die sekundären Folgen. Beispiele dafür sind zunehmende Migration, regionale Konflikte und häufigere Unterbrechungen von Lieferketten. Auf diese sekundären Folgen wird ein größerer Anteil der wirtschaftlichen Verluste entfallen. Zudem bestehen enorme Risiken für Unternehmen, die es versäumen, sich angemessen auf den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft vorzubereiten. Höhere CO2-Steuern und verschärfte Gesetze sowie neue Kundenpräferenzen werden solche Unternehmen unter Druck setzen und könnten in Zukunft zu einer starken Belastung für die Rentabilität werden.

TiAM: Die Unternehmen müssten also frühzeitig umsteuern?

Poser: Genau, denn mit der Änderung von Richtlinien, Technologien und Märkten werden Unternehmen, die das nicht oder nicht rechtzeitig tun, zu sogenannten Stranded Assets, die ihre Kapitalkosten vor dem Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht mehr verdienen können. Eine solche Dynamik ist in einigen Sektoren erkennbar, wenn neue, saubere Technologien oder Energiequellen die älteren, umweltschädlicheren ablösen. Besonders betroffen ist hier beispielsweise die Energiebranche. Dies ist auch ein Risiko für Anleger, denn im Verlauf der nächsten Jahre könnten Wertpapiere solcher Unternehmen drastisch an Wert verlieren.

TiAM: Was wird auf staatlicher Ebene unternommen?

Poser: Mit dem Pariser Klimaabkommen und den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (SDGs) ist bereits einiges auf den Weg gebracht worden. Die darauf aufsetzende EU-Taxonomie kann als Leitfaden für grünes Wirtschaften angesehen werden. Sie dient der Identifizierung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten und ist ein Instrument, das Leitlinien für den Übergang zu einer klimafreundlichen, ressourceneffizienten und widerstandsfähigen Wirtschaft bieten soll.

TiAM: Welche Investments gelten für Ihr Haus als grün?

Poser: Für Anleger kann es eine überwältigende Herausforderung sein, Klimarisiken zu beziffern, da es an einheitlichen, transparenten Daten mangelt und komplexe Verflechtungen zwischen dem Klimaschutz und anderen Nachhaltigkeitszielen bestehen. Bei dem unumgänglichen Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen Zukunft wird es Gewinner und Verlierer geben. Für Anleger ist es deswegen entscheidend, ihre Portfolios widerstandsfähig und zukunftssicher zu gestalten. Sie müssen nicht nur den Veränderungen durch die kommende Energiewende standhalten, sondern auch das enorme Ertragspotenzial von Anlagen in klimarelevanten Trends nutzen können. Aktives Portfoliomanagement kann hier eine entscheidende Rolle spielen, mit dem Anleger den Klimawandel wirksam in ihre Anlageentscheidungen integrieren können.

TiAM: Wie berücksichtigen Sie die Risiken des Klimawandels in der Zusammensetzung Ihrer Portfolios?

Poser: Früher lag der Fokus eher auf der Beurteilung der bisherigen Emissionsbilanz von Unternehmen und somit auf einer Einschätzung, inwieweit sie den Risiken des Klimawandels ausgesetzt sind. Dieses Vorgehen ist zwar nützlich, aber ausschließlich rückblickend. Um zu einer stärker zukunftsorientierten Sicht zu gelangen, haben wir ein hauseigenes Modell entwickelt, um Prognosen zum Temperaturszenario eines Unternehmens abgeben zu können. Diese Methodik ermöglicht uns eine Einschätzung, wie gut Unternehmen auf die Klimawende vorbereitet sind.

TiAM: Worauf basiert diese Methodik?

Poser: Wir berücksichtigen bei der Beurteilung schon heute die EU-Taxonomie. Zu diesem Zweck ordnen wir die Umsatzdaten von Unternehmen den Umweltzielen der Taxonomie zu und tauschen aktiv Informationen mit den Unternehmen aus, um uns ein möglichst detailgenaues Bild von ihrem grünen Umsatzanteil zu machen. Mit unserer Sarasin-Sustainability-Matrix stellen wir darüber hinaus sicher, dass wir nicht in Unternehmen investieren, die andere Umweltziele erheblich beeinträchtigen oder soziale Aspekte verletzen.

TiAM: Wer sind entsprechend die Gewinner von morgen?

Poser: Unternehmen wurden bisher vor allem als große Verursacher von Klimaproblemen wahrgenommen. Doch die Zahl innovativer Unternehmen, die Lösungen für soziale und ökologische Probleme anbieten, nimmt schnell zu. Tatsächlich ist das Erreichen der globalen Klimaziele in hohem Maße davon abhängig, dass mehr Unternehmen umweltfreundliche Lösungen anbieten. Je größer und greifbarer Umweltprobleme werden, desto stärker wird auch der gesellschaftliche und politische Druck. Unser Ziel ist es, jene Unternehmen zu identifizieren, die hier klare Wettbewerbsvorteile bieten.

TiAM: Wie sieht dies konkret aus, können Sie ein Beispiel nennen?

Poser: Mit dem JSS Sustainable Equity – Global Climate 2035 Fonds suchen wir beispielsweise gezielt nach Unternehmen, die wir als „Climate Pledgers“ bezeichnen – Unternehmen, die sich durch ihre Bemühungen um die Senkung ihrer Treibhausgasemissionen auf einem Temperaturpfad deutlich unter zwei Grad Celsius befinden. Darüber hinaus identifizieren wir „Green Champions“ – Unternehmen, die innovative Lösungen für eine kohlenstoffarme Welt anbieten, etwa in den Bereichen intelligente Mobilität oder erneuerbare Energien. Aus unserer Sicht werden diese Unternehmen vom starken Wachstum der Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen profitieren.

TiAM: Was unternimmt Ihr Unternehmen selbst, um einen positiven Beitrag zu leisten?

Poser: Seit über 30 Jahren ist Nachhaltigkeit der zentrale Erfolgsfaktor bei J. Safra Sarasin Asset Management. Wir sehen unsere Pflicht darin, dafür zu sorgen, dass unsere Portfolios für die umfassenden Veränderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen, gut positioniert sind. Nach der Unterzeichnung des Paris Pledge for Action im Jahr 2015 gaben wir 2020 ein Klimaversprechen mit dem Ziel ab, die CO2-Emissionen in unseren Anlageportfolios bis 2035 auf netto null zu senken. Als eines der ersten Finanz­institute haben wir zudem den Finance for Biodiversity Pledge unterschrieben. Darüber hinaus setzen wir alle Kräfte daran, dass unsere gesamte Fondspalette in Zukunft gemäß Paragraf 8 (ESG) beziehungsweise 9 (Impact) der nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten klassifiziert wird.

Fondsinfos

Fondsname JSS Sustainable Equity Global Climate 2035 C
Fondsstart 08.11.2013
Fondsvolumen 62,6 Mio. Euro
Wertzuw. 5 Jahre 8,26 % p. a.
Laufende Kosten 1,50 % (TER)
ISIN LU 095 059 244 3

Stand: 31.01.2021

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