Tech-Aktien: Im Kopf der Kunden

TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: die Quartalsbilanzen von Apple, Microsoft, Meta und Co.

05.08.2024 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die Ereignisse im Juli

„Die Leute überschätzen, was KI heute schon leisten kann. Viele Leute glauben, dies sei die größte technische Erfindung zu ihrer Lebenszeit, aber dem stimme ich nicht zu“, schrieb Jim Covello, Research-Chef von Goldman Sachs Mitte Juli in einem vielgelesenen Blog. Und Sequoia-Partner David Cahn ergänzte: „Die KI-Blase erreicht einen Kipp-Punkt“. Wumms. Das saß. Und was passiert, wenn die Angst die Seele auffrisst? Richtig: Anleger ergreifen die Flucht. Die Anteilscheine von Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, NVIDIA und Tesla verzeichneten kurz nach den Äußerungen der beiden prominenten Finanzprofis den drittgrößten Kurs-Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen. Dow Jones Market Data bezifferte den Verlust an Marktkapitalisierung innerhalb von nur fünf Handelstagen mit insgesamt 1,1 Billionen US-Dollar. Allein am 17. Juli schrumpfte der Wert der sieben großen Tech-Unternehmen an der Börse um mehr als 500 Milliarden US-Dollar.

Kurios: Die Regel „Buy on rumors, sell on facts“ wurde komplett umgedreht. Trader hatten sich im Vorfeld der zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Quartalsbilanzen massiv mit Shortpositionen eingedeckt. Und sie wurden damit belohnt, dass tatsächlich viele Anleger aus Angst vor Enttäuschungen ihre Tech-Aktien verkaufen wollten. 

Rückblick auf die vergangene Woche

In der vergangenen Woche nun kamen die Zahlen von Microsoft, Amazon, Meta und Apple auf den Tisch. Und siehe da: Die großen Konzerne investieren zwar sehr viel Geld in die Entwicklung und Implementierung von KI-Technologien. Von 357 Milliarden US-Dollar ist in einer Analyse von Goldman Sachs die Rede. Doch wenn man sich nun die Gewinne dieser Unternehmen ansieht, sieht man, dass sich die Tech-Riesen die KI-Investitionen locker leisten können. Nur mal so zum Staunen: Apple vermeldete am Donnerstag in seiner Quartalsbilanz 85,8 Milliarden Dollar Umsatz und einen Gewinn von 21,4 Milliarden Dollar. Für den Zeitraum von April bis Juni ist dies ein neuer Höchstwert. Microsoft gab bekannt, im selben Zeitraum 64,7 Milliarden US-Dollar umgesetzt zu haben. Der Nettogewinn lag bei 22 Milliarden US-Dollar. Meta erzielte im zweiten Quartal 2024 einen Gesamtumsatz von 39,07 Milliarden Dollar. Das entspricht verglichen mit dem Vorjahresquartal einem Zuwachs von 22 Prozent. Der Nettogewinn beläuft sich für die Monate April bis Juni auf rund 13,47 Milliarden US-Dollar – das sind fast 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die Situation sieht also ganz anders aus als Anfang des Jahrtausendwechsels, als viele gefeierte Unternehmen der „New Economy“ große Versprechen gaben, ihre Kurs-Gewinn-Verhältnis aber negativ blieben. Heute bezahlen die großen Tech-Konzerne ihre Innovationen aus der eigenen Portokasse. Beispiel Meta: Dass der Konzern täglich „nur“ rund 148 Millionen US-Dollar netto verdient, liegt daran, dass Mark Zuckerberg Monat für Monat durchschnittlich etwas mehr als 3,5 Milliarden US-Dollar in seine KI-Strategie steckt. Und für das kommende Jahr sind bereits höhere Investitionen angekündigt.

Was macht Meta damit? Was ist das Ziel? Erstens will Zuckerberg seine Software „Meta AI“ zum größten KI-Assistenten im Internet machen. Das ist kein leeres Versprechen. Schon heute liegt der Chatbot nahezu gleichauf mit OpenAI´s ChatGPT, das in Microsofts Internetsuche integriert ist. Dabei ist Meta AI noch nicht einmal weltweit verfügbar. Zweitens baut Zuckerberg fleißig weiter an seiner Vision eines Metaverse, in dem sich Milliarden von Anwendern rund um den Globus mit ihren Avataren in einer Parallelwelt bewegen.

Diese Parallelwelt will Zuckerberg zudem mit der realen Welt verknüpfen. Deshalb hat sein Unternehmen vorvergangene Woche das Interesse bekundet, den weltgrößten Brillenhersteller EssilorLuxottica zu übernehmen. Das französisch-italienische Unternehmen stellt nicht nur Gestelle unter den Namen Chanel, Ferrari, Emporio Armani, Prada und vielen allen Luxus-Labeln her, sondern kooperiert bereits mit Meta bei der Herstellung von Brillen, die sogenannte Augmented Reality (erweiterte Realität) möglich machen. Wer sich eine Ray Ban|Meta auf die Nase setzt, bekommt schon jetzt ein leises Gefühl dafür, wie Realität und Internet-Anwendungen miteinander verschmelzen können. An dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – Vision arbeitet auch Apple. Wer sich die neue „Apple Vision Pro“ vor die Augen schnallt, braucht keinen separaten Computer, keine Tastatur und keinen Monitor mehr. Alles ist virtuell. Die Dinge, die man mit Gesten steuert, stehen oder schweben im Raum. Das wird auch die Ray Ban-Brille mithilfe der Meta AI bald können. Mit dem Unterschied, dass das man damit dann eher wie Don Johnson in Miami Vice aussieht und nicht wie ein Star-Trooper aus Krieg der Sterne, wie das jetzt noch mit dem klobigen „Meta Quest 3“-Brillen-Headset oder der 4.000 Dollar teuren „Apple Vision Pro“ der Fall ist.

Ist das nur Spielerei? Nein. Wenn man die Welt durch eine Brille sieht, die eine Realität vorspiegelt, die von einem einzigen Konzern geschaffen und kontrolliert wird, dann ist das die aus Sicht dieses Konzerns ultimative Marktmacht. Man ist buchstäblich im Kopf der Konsumenten. Jim Covello und Sequoia-Partner David Cahn warnen vor zu hohen Investitionen in das Thema Künstliche Intelligenz? Angesichts der Perspektiven, die sich hier für die großen Tech-Unternehmen auftun, sind deren Aufwendungen dafür geradezu Peanuts. Das haben in der vergangenen Woche übrigens offensichtlich auch die Anleger wieder erkannt. Die Aktie von Meta Platforms ist um fast zehn Prozent gestiegen. Und auch die Aktienkurse der anderen Magnificent Seven – mit Ausnahme von Nvidia – notierten am Ende der Woche höher als zum Wochenbeginn.

Interessante Termine der kommenden Woche

Am Dienstag gibt die Deutsche Wohnen ihre Quartalszahlen bekannt. Gemessen an der Marktkapitalisierung, ist das Unternehmen die in Deutschland zweitgrößte Immobiliengesellschaft hinter Vonovia. Die Branche hat eine harte Zeit hinter sich. Die Deutsche Wohnen ist an der Börse nur noch rund ein Drittel so viel wert wie vor drei Jahren. Doch es scheint so, als ob sich die Lage am Immobilienmarkt gerade ein wenig entspannen könnte. Insofern dürfte der Quartalsbericht nicht nur ein Blick in die Vergangenheit sein, sondern im Prosa-Teil auch ein Gefühl dafür geben, was die Branche insgesamt für die mittelfristige Zukunft erwartet.

Am Mittwoch legt der chinesische Zoll seine monatlichen Daten für Chinas Import und Export vor. Der Export ist für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach wie vor ein wichtiger Antreiber. Und offizielle Zahlen sollten diese Erwartungshaltung möglichst widerspiegeln. Es könnte also sein, dass die Zolldaten der Behörde ebenso realistisch sind wie die offiziellen Blutwerte der chinesischen Sportler in Paris.

Am Donnerstag veröffentlicht das Rüstungsunternehmen Rheinmetall seine Bilanz fürs zweite Quartal. Während Deutschland insgesamt in die Rezession rutscht, kommt Rheinmetall-Chef Armin Papperger gar nicht mehr aus dem Grinsen heraus. Die Auftragsbücher sind voll. Das Geschäft läuft prima. Das war vor gar nicht allzu langer Zeit mal anders. Das drückt sich in der Entwicklung des Aktienkurses aus. Noch im Oktober 2020 kostete eine Rheinmetall-Aktie rund 62 Euro. Am Freitagnachmittag vergangener Woche waren es 477 Euro. Mit einem Wort: Zeitenwende.

Am Freitag gibt das Statistische Bundesamt die detaillierte Inflationsrate für Juli bekannt. Die vorläufige Schätzung besagt, dass die Preise in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,3 Prozent gestiegen sind. Kann sein, dass es dabei auch in den kommenden Monaten bleiben wird. Seit April sieht es so aus, als ob sich die Inflation zwischen 2,2 und 2,4 Prozent stabilisiert. Der Gesamtindex ohne Nahrungsmittel und Energie hat sich schon seit mehreren Monaten bei etwa 2,9 und 3,0 Prozent eingependelt. Gemessen am Nullwachstum in Deutschland ist das keine gute Nachricht. Hallo Christine Lagarde, wir haben ein Problem!

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