Versicherer nehmen Nachhaltigkeit nicht ernst

Seit vergangenem Jahr müssen Versicherer mit mehr als 500 Mitarbeitern Berichte über ihr soziales-und Umwelt-Engagement vorlegen. Damit hat die Branche offensichtlich so ihre Schwierigkeiten.

03.04.2019 | 09:30 Uhr von «Matthias von Arnim»

Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr, sondern mittlerweile auch ein Schwerpunkt bei der Regulierung der Finanzbranche. Diese Nachricht scheint in der Assekuranzbranche allerding noch nicht ganz angekommen zu sein. Diesen Eindruck kann man jedenfalls gewinnen, wenn man sich die sogenannten CSR-Berichte deutscher Versicherer ansieht. Die Abkürzung CSR steht für Corporate Social Responsibility, also soziales-und Umwelt-Engagement. Die entsprechenden Berichte zu Aktivitäten der Unternehmen in diesem Bereich sind seit vergangenem Jahr für alle Versicherer in Europa mit mehr als 500 Mitarbeitern Pflicht.

Inklusion ist kein Thema, Sport wird gefördert, Frauen nicht

Die Agentur Zielke Research Consult hat nun alle 42 CSR-Gruppenberichte deutscher Versicherer miteinander verglichen und geprüft, wie hoch deren Informationsgehalt ist. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Themen Umwelt und Soziales gelegt, da das Thema Governance mit einer Analyse der SFCR-Berichte bereits abgedeckt wurde.

Das Fazit der Agentur fällt ernüchternd aus: In der Mehrheit sind die Berichte wenig aussagekräftig. Nur 12 von 42 Versicherern berücksichtigen überhaupt nachweislich Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer Kapitalanlage, gerade einmal zehn von 42 veröffentlichen ihren CO2-Fußabdruck. Inklusion ist für die meisten Versicherer ein Fremdwort: Nur fünf von 42 machen hierzu Angaben, von denen nur eine das gesetzliche Minimum übererfüllt. Sport hingegen hat Priorität: 25 von 42 bieten sportliche Aktivitäten für ihre Mitarbeiter an. Nur 28 Versicherer machen Angaben zur Frauenquote in Führungspositionen: diese beträgt durchschnittlich19 Prozent, was unter dem deutschen Durchschnitt von aktuell 22,6 Prozent liegt.

Für viele Versicherer sind CSR-Berichte eine lästige Pflichtübung

Auch der Aufwand, den Versicherer bei der Erstellung der CSR-Berichte treiben, sagt etwas über deren Engagement in diesem Bereich aus: Der CSR-Bericht von Generali beispielsweise umfasst gerade einmal vier Seiten, Munich Re erklärt seine Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit auf 188 Seiten. Der Durchschnitt liegt bei rund 41 Seiten. Quantität ist natürlich nicht Qualität. Deshalb wurde auch untersucht, wie viel Inhalt tatsächlich in den Berichten steckt. Ergebnis: Die aussagekräftigsten Berichte wurden von der Allianz, Debeka und Munich Re erstellt. Die CSR-Berichte mit dem niedrigsten Informationsgehalt kamen von Provinzial Nordwest, WWK und Itzehoer.

„Es ist ernüchternd, feststellen zu müssen, wie wenig Mühe sich die meisten Versicherer mit dem CSR-Bericht gemacht haben. In Frankreich dienen diese Berichte inzwischen als Entscheidungskriterium sowohl für die Kunden wie auch für potenzielle Mitarbeiter“, sagt Carsten Zielke, geschäftsführender Gesellschafter von Zielke Research Consult. „Angesichts der Klimaproteste müssen die deutschen Versicherer aufpassen, sich für die junge Kund-und Mitarbeiterschaft attraktiv zu halten.“

Der Gesetzgeber wird noch mehr Druck machen

Positiv ist immerhin zu bewerten, dass einige Versicherer selbst von kleiner Größe, wie die Concordia und der Münchener Verein, auf die Wesentlichkeit ihrer Berichte achteten. Angesichts der jüngsten Entscheidungen im Europaparlament ist mit einer zeitnahen Verpflichtung zu rechnen, wonach die Versicherungskunden bei Abschluss darauf hingewiesen werden müssen, wenn die Produkte keine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. „Die Versicherer sollten sich ihrer Verantwortung als größte Kapitalgeber Deutschlands bewusster werden und ihre Investments nicht nur nach dem Renditeaspekt beurteilen“, so Zielke. Das gelte sowohl für Umwelt-, wie auch für soziale Aspekte.

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