Wenn Sparkassen sich von Sparern trennen
Die Kündigung von 21000 Prämiensparverträgen durch die Nürnberger Sparkasse ist die bislang umfangreichste Aktion dieser Art. Verbraucherschützer kritisieren die Maßnahme. Was Sparer tun sollten und wie Berater die Situation nutzen.24.07.2019 | 13:30 Uhr von «Christian Bayer»
Oasen in der Zinswüste
In der aktuellen Zinswüste gibt es für Sparer noch vereinzelt Oasen. Dazu
zählen Prämiensparverträge, meist aus den 1990er- bzw. 2000er-Jahren, die
Sparern attraktive Bonus-Zahlungen bieten. Kunden bekommen Prämien auf ihr
angespartes Kapital und die Banken haben langfristige Planungssicherheit. Was
früher funktioniert hat, ist mittlerweile für die Banken ein massives
Verlustgeschäft. Die Zinsen sind geschmolzen, Banken und institutionelle Kunden
müssen teilweise sogar Negativzinsen zahlen. Daher dürften Prämiensparverträge
bald der Vergangenheit angehören.
Vor Gericht
Die Streitfrage, ob und wann diese Verträge von den Banken gekündigt werden
dürfen, beschäftigt mittlerweile die Gerichte. Im Mai hat sich der
Bundesgerichtshof (BGH) mit der Fragegestellung beschäftigt, ob langlaufende
Prämiensparverträge von Seiten der Bank gekündigt werden dürfen. Konkret ging
es um Prämiensparverträge der Sparkasse Stendal, die gekündigt wurden. Das
Produkt war mit einem variablen Grundzins ausgestattet. Ab Ende des dritten
Jahres sollten Sparer einen ansteigenden Bonus bekommen. Nach 15 Jahren konnte
die maximal mögliche Prämie erreicht werden. Dabei ging es um nicht
unerhebliche Summen. Verbraucherschützer verweisen darauf, dass in der höchsten
Prämienstufe von der Bank 50 Prozent des angesparten Geldes gezahlt wurden. Je
länger die Laufzeit des Vertrages desto höher meist die Bonus-Zahlung.
Sachgerecht gekündigt
Die Sparkasse Stendal berief sich auf das niedrige Zinsniveau und die in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegte Möglichkeit der sachgerechten
Kündigung. Die Richter sahen das aktuelle Zinsumfeld ebenfalls als
sachgerechten Grund an und stuften die Kündigung als rechtmäßig ein, wenn die
Staffel beim Bonus ausgeschöpft war (Az. XI ZR 345/18). Unmut hatten bei
Sparern Werbeprospekte ausgelöst, die oft Rechenbeispiele mit bis zu 25 Jahre
langen Laufzeiten anführten. Der BGH sah darin allerdings kein Problem. Die
Beispielrechnungen wurden lediglich als „werbende Anpreisung der Leistung“
eingestuft.
Einzelfallprüfung
Sparkassen in Ostdeutschland hatten in kleinerem Umfang bereits Kündigungen
ihrer Sparverträge ausgesprochen. Mit der massiven Kündigungswelle der
Nürnberger Sparkasse, die zu den zwanzig größten deutschen Sparkassen gehört,
ist jetzt erstmals eine Vielzahl an Kunden betroffen. Aus Sicht der
Verbraucherschützer muss in jedem Fall konkret geprüft werden, ob eine
Kündigung möglich ist. Denn der BGH hat nur die konkreten Bestimmungen der
Sparverträge der Stadtsparkasse Stendal geprüft. Von den Banken wurden aber
unterschiedliche Varianten der Verträge verkauft, teilweise ohne feste
Laufzeiten. Chancen für einen Schutz vor Kündigungen sehen Verbraucherschützer
am ehesten bei Verträgen mit konkreter Laufzeit.
Was Berater tun können
Das Ende der Fahnenstange der Niedrigzinspolitik dürfte noch nicht erreicht sein. Vor dem Hintergrund weiterer anstehender Maßnahmen der EZB sind Negativzinsen auch für Privatkunden im Bereich des Möglichen. Aktuell liegt das Geldvermögen der Deutschen bei über 6,2 Billionen Euro. Davon werden knapp 2,5 Billionen Euro als Bargeld oder Einlagen gehalten. Kündigungen von Sparverträgen bieten Chancen für Berater, Kunden darauf anzusprechen, längerfristig nicht benötigtes Geld möglicherweise mit höheren Renditen in Fonds anzulegen.